Stadtteil Wehen (Taunusstein)

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Archäologie, Denkmalpflege
Gemeinde(n): Taunusstein
Kreis(e): Rheingau-Taunus-Kreis
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 09′ 10,08″ N: 8° 11′ 28,71″ O 50,1528°N: 8,19131°O
Koordinate UTM 32.442.227,63 m: 5.555.933,00 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.442.279,49 m: 5.557.716,02 m
Wehen entstand am Oberlauf der Aar, an der Verbindung zwischen der frühen Klostergründung Bleidenstadt und dem alten Verkehrsweg Hühnerstraße. Zum Gebiet des Klosters gehörig, gelangte es 1122 durch Erbfolge in den Besitz der Bleidenstadter Vögte, der Grafen von Laurenburg-Nassau.

1227 (nach anderer Angabe 1091) wird der Ort erstmalig genannt, als ein hier ansässiges, 1518 ausgestorbenes Adelsgeschlecht de Weh(e)na einen befestigten Hof besaß. Der Name soll sich von einer alten Bezeichnung für sumpfiges Gelände herleiten. Graf Gerlach von Nassau erhielt 1323 von Kaiser Ludwig IV. die Stadtrechte für Wehen, 1350 kam das Marktrecht hinzu. Daraufhin erfolgte die Befestigung des Fleckens durch Mauern mit zwei Tortürmen sowie mehrere künstlich angestaute Weiher, Wälle und Gebück. Um 1350 ließ Gerlach ohne Genehmigung der Abtei Bleidenstadt eine Kirche errichten, die zu Anfang des 16. Jahrhunderts (vielleicht schon 1461) zur Pfarrkirche erhoben und mit einem großen Kirchengut ausgestattet wurde. Ein erstes Pfarrhaus erbaute man um 1550.

Seit 1364 fand die Verlagerung der weltlichen Gerichtsbarkeit von Bleidenstadt nach Wehen statt. Damit war Wehen Verwaltungs- und Gerichtssitz des Wehener Grundes und besaß einen Markt. Da es jedoch nicht zur Residenz ausgebaut wurde wie Idstein, blieb die städtische Entwicklung auf Ansätze beschränkt. Allerdings erfuhr die zwischenzeitlich verarmte Herrschaft Wehen zwischen 1593 und 1655 als Witwensitz der Gräfinnen Anna von Nassau-Weilburg und Elisabeth von Nassau-Idstein eine Aufwertung. Das verfallene Schloss wurde zum Zwecke einer bescheidenen Hofhaltung umgebaut; danach diente es nur noch als Jagdschloss.

Gräfin Anna gründete 1599 die erste Schule des Wehener Grundes, die im damaligen Rathaus untergebracht war. Im Pestjahr 1606 wurden 48 Familien gezählt; es gab 94 Tote. Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Flecken mehrfach zerstört, danach waren die Mauern langsamem Verfall preisgegeben. 1648 war Wehen mit noch fünf Einwohnern nahezu ausgestorben, jedoch wuchs die Bevölkerung rasch wieder an. 1706 werden als herrschaftliche Höfe der Alte Hof und der Schafhof genannt, hinzu kamen Güter des Bleidenstädter Hofes. 1748 erhielt Wehen eine Poststation, die im fürstlichen Brauhaus eingerichtet wurde. Auf den Ruinen des Schlosses entstand nach 1750 das neue Amtshaus. 1768 folgte der Neubau des Pfarrhauses. Das Schulhaus von 1764 (abgebrochen 1904) erhielt 1813 einen Dachreiter mit Glocke, eine neue Schule folgte 1853. 1810 wurde die neue Pfarrkirche südlich des Ortes am Standort des ehemaligen fürstlichen Jagdzeughauses, das nach dem Bau des Jagdschlosses Platte funktionslos geworden war, unter Verwendung von Steinmaterial des Obertorturmes und der Stadtbefestigung erbaut. Auch im Herzogtum Nassau war Wehen Verwaltungszentrum und Sitz des Landoberschultheißen mit Amtsgefängnis, Gericht, Amtsarzt und Amtsapotheke. Carl von Ibell, 1780 als Sohn des hiesigen Amtmannes geboren, hatte sich für die Neubelebung seines Heimatortes durch Bildung des Amtsbezirkes Wehen eingesetzt. 1800 wurden über 500 Einwohner, 1950 mehr als 2.000 Einwohner registriert; 1992 war Wehen nach Bleidenstadt und Hahn drittgrößte Einzelgemeinde mit rund 6.800 Einwohnern.

Das historische Wehen, wie es sich auf der Karte vom Anfang des 19. Jahrhunderts darstellt, zeichnet sich im heutigen Plan nur noch als Umriss von Flurstücksgrenzen ab. Die Umwehrung soll Berichten zufolge als dreifache Mauer, verstärkt durch Gräben und Gebück, ausgeführt gewesen sein, diese Annahme ist nicht eindeutig belegt. Möglicherweise wurde nur die innere Stadtmauer instandgehalten. Eindeutig ablesbar hingegen ist die Form des länglichen Fünfeckes, durch das sich der jüngere Straßendurchbruch der Aarstraße in Ost-West-Richtung zieht. Ursprünglich verlief die Durchgangsstraße nur in Nord-Süd-Richtung und ist als Wilhelmstraße und Mainzer Allee erhalten. Die Ausgänge waren durch je einen Torturm gesichert (der untere stürzte 1702, der obere 1755 teilweise ein).

Die Südostecke nahm das Schloss mit Nebengebäuden und Hof ein. In der Südwestecke befand sich der erste Kirchhof mit gotischer Kapelle, der später für den Pfarrhof mit Garten genutzt wurde. Der Friedhof wurde anlässlich einer Pestepidemie 1597 vor die Stadtmauer verlagert (im Plan von 1820 südlich des Fleckens). Die Gerichtsstraße stellte die Verbindung zwischen Schloss und erster Kirche dar; sie soll erst nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise zugebaut worden sein.
Flur- und Straßenbezeichnungen wie Schloßgraben, Weiherstraße, Gebück und Pfortenweiher weisen auf die Lage dieser Wehren um den Ortskern hin. Alter Weiher, Dammweiher, Schloßweiher, oberer und unterer Pfortenweiher umgaben den Flecken, seit 1776 wurden die Weiher trockengelegt, um 1820 ist davon noch der Alte Weiher erhalten.

An die am Dammweiher nahe des nördlichen Ortsausganges im 14. Jahrhundert gegründete und um 1700 neu errichtete Damm-Mühle erinnert die Mühlstraße. Zuvor bestand schon aarabwärts, nahe Hahn, die Aarmühle, jüngere Gründungen dagegen waren die Neumühle westlich und die Heckemühle östlich des Ortes.
1746 bestand die Bebauung aus 53 Häusern, die sich zum Teil schon außerhalb der Befestigungsgrenzen befanden, seit 1602 durfte außerhalb der Mauern gebaut werden. Um 1820 sind außerhalb des Berings nur die Kirche, der Friedhof und die Erweiterung nach Norden (heute Im Hängel) zu erkennen. Die Steine der abgebrochenen Stadtmauer wurden im 19. Jahrhundert für den Bau von Häusern und Straßen verwendet.

Das heutige diffuse Ortsbild, im Kern wie auch im umgebenden Erweiterungsbereich gekennzeichnet durch uneinheitliche Neubauten ohne städtebaulichen Bezug, beruht auf Negierung und Auflösung historischer Vorgaben. Vereinzelte geschichtliche Zeugnisse stehen isoliert, die Entwicklung der einstigen Stadt ist optisch kaum nachvollziehbar.

Reste historischer Bausubstanz: Amtstraße 3, Scheune mit altem Tor, Torsturzbalken mit Schnitzprofil und Datum 1789. Aarstraße 234, Fachwerkwohnhaus des 18. Jahrhunderts, Ecke zur Mainzer Allee im Erdgeschoss abgeschnitten, Gebäude entstellt. Aarstraße 262, Scheune an der Ecke Bergstraße, Erbauungsdatum im Torsturzbalken 1723. Nach Entfernung des klassizistischen Rathauses an der Ecke Aarstraße/Wilhelmstraße blieb auch hier eine ungefasste, jetzt als Parkplatz für das heutige Rathaus genutzte Restfläche in der Ortsmitte. An der Ecke Aarstraße/Weiherstraße bildete die 1978 abgebrochene ehemalige Posthalterei den nordöstlichen Eckpunkt des historischen Fünfeckes.

(Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2003)

Literatur

Söder, Dagmar / Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Hrsg.) (2003)
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Hessen: Rheingau-Taunus-Kreis II. Altkreis Untertaunus. Wiesbaden.

Stadtteil Wehen (Taunusstein)

Schlagwörter
Ort
Taunusstein - Wehen
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Archäologie, Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn vor 1227

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt ist urheberrechtlich geschützt. Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Stadtteil Wehen (Taunusstein)”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/P-FR-20091109-0010 (Abgerufen: 20. April 2024)
Seitenanfang