Prolog
Schon lange bevor reiche Kölner Bürger das Land um Mehlem für ihre Residenzen und Villen erschlossen, als noch von allen Seiten Weinberge den kleinen Winzerort umgaben, entstand eine Legende, die bis in die heutige Zeit hineinreicht.
Sage von Heinrich und Kunigunde
„Im Jahre 1520, so berichtet die Sage, begleitete Heinrich seine Braut Kunigunde ein Stück durch den Wald, der sich hier weit ins Land hinein zog. Kunigunde wollte Verwandte besuchen. Nach dem Abschied im Walde kehrte Heinrich zurück. Kunigunde aber blieb spurlos verschwunden. Da beschuldigte man Heinrich des feigen Mordes, verurteilte ihn zum Tode und führte ihn zur Richtstätte auf dem Roddersberg (dem “Heinrichs-Blick„).
Heinrich aber war unschuldig angeklagt und verurteilt worden, denn seine Braut Kunigunde war im Wald von Räubern überfallen und festgehalten worden. Nach einigen Tagen konnte sie fliehen und traf am Gerichtstag in Mehlem ein. Sofort jagte ein Reiter zur Gerichts- und Richtstätte, um Heinrich zu retten. Obwohl er sein Pferd zu Schaden ritt, konnte er die Vollstreckung des Urteils nicht mehr verhindern. Er kam zu spät.
Kunigunde ging ins Kloster. Voller Trauer bestimmte sie, dass der jeweilige Besitzer des Weinberges an der Mainzer Straße (eben dem Grundstück auf dem die Villa Schnitzler steht (und der sie umgebende Drachensteinpark)) jedes Jahr am Fastnachtsdienstag - an dem Tag an dem Heinrich hingerichtet worden war - das Läuten der Glocken in Mehlem, die die Unschuld Heinrichs verkünden, bezahlen müsse.“
(Bonner Rundschau vom 23.05.1959)
Heute läuten die Glocken in Mehlem immer noch am Karnevalsdienstag, allerdings haben die Mehlemer Bürger diesen Dienst schon um 1938 freiwillig übernommen. Die Urkunden, die diese Pflicht dem Eigentümer des Weinberges auferlegten, verschwanden beim Verkauf des Grundstücks an einen reichen Kölner Bürger.
Die Entstehungsgeschichte
Wann genau der heutige Park entstanden ist, wird wohl im Nebel der Zeit verborgen bleiben, etwas genauer weiß man aber über die Villa am Kopf des Parks Bescheid.
Die Villa Schnitzler - auch „Haus Drachenstein“ genannt - ging 1840 kurz nach ihrer Erbauung in den Besitz der Familie Schnitzler über.
Die damals noch im Schweizer Landhausstil gehaltene Sommerresidenz hatte noch keinen Park, sondern einen Garten. Karten aus der Zeit beschreiben eine stark parzellierte Landschaft. Was nach dem Verkauf des Grundstücks genau geschah, scheint nicht mehr bekannt zu sein.
1869, nach dem Tod der Bewohnerin, verkaufte die Familie das Grundstück und die Villa. Viktor Schnitzler (1862-1934), der wohl wichtigste und langjährigste Besitzer der Villa, erinnerte sich noch an einen Besuch bei seiner Großmutter und äußerte sich bedauernd über den zeitweiligen Verkauf der Villa. Die Nachbesitzer - die Familie André - investierten in das Gebäude und gestalteten es zu seinem heutigen Erscheinungsbild um, daher wird in manchen Quellen die Fertigstellung dieses generalüberholten Baus in 1880 als Entstehungsdatum genannt. Als 1893 das Grundstück dann erneut in die Hände der Schnitzlerschen Familie fiel, bezeugen Karten, dass aus dem Garten ein weitläufiges Parkgelände geworden war. Unter der Einwirkung Viktor Schnitzlers blieb dieser malerische Ort über 30 Jahre lang erhalten und eine Anlage, die in der Gemeinde Mehlem Ihresgleichen suchte.
Schnitzlers Erbe
Als sich das Leben des Herrn Viktor Schnitzler seinem Ende zuneigte, bewies dieser, dass er nicht umsonst Geheimer Justizrat der Stadt Köln geworden war. Er überließ seinen Park nicht einfach irgendeinem Erben, sondern verkaufte ihn noch zu Lebzeiten der Gemeinde Mehlem unter zwei Bedingungen: 1. dürfe keiner der Bäume gefällt werden und 2. müsse immer eine Schneise von der Villa hinunter zum Rheinufer frei bleiben.
Als er acht Jahre nach dem Verkauf in Haus Drachenstein verstarb, waren die Bauarbeiten bereits in vollem Gange. Über die Hälfte des unteren Parks wurde als Bauland deklariert. Und auch der obere Teil rund um das Haus, der vorerst als Garten der Villa im Besitz von Schnitzlers Ehefrau geblieben war, musste nach ihrem Tod 1958 weitestgehend neuen Wohnungen weichen.
Wenn auch um einen Großteil seiner Fläche beraubt, so wurde der Park dennoch den Auflagen Schnitzlers entsprechend erhalten. Die Grundstücksbesitzer, die auf den Flächen des ehemaligen Parkgeländes bauen wollten, durften den alten Baumbestand nicht gefährden und so findet man auch in deren Gärten noch den ein oder anderen Baumveteranen, der geschützt durch Schnitzlers Auflagen die landschaftliche Umgestaltung überdauerte.
Schnitzlers Erbe in Mehlem zeigt sich zudem an der nach ihm benannten Viktor-Schnitzler-Straße, die von der Mainzer Straße Richtung Rheinufer auf ehemaligem Parkgelände verläuft und die neuen Wohnhäuser ans Straßennetz anbinden sollte.
Das Gestern und das Heute
Obwohl die Mehlemer Bürger das übrige Parkgelände immer noch mit Stolz und Bewunderung betrachteten, vernachlässigte die Gemeinde Mehlem und nach der Eingemeindung die Stadt Godesberg den Park Jahrzehnte lang stark. Der Baumkundler Schwarzer, der 1950 den Park besuchte, beklagte den verwahrlosten Zustand, in dem sich das Gelände befinde und auch Anfang der 60er Jahre schreibt eine Zeitung über den Missstand, ein solches Grundstück als Weide zu benutzen.
Scheinbar wurde die Bitte um Nutzbarkeit erhört, denn heutzutage machen einfach gehaltene Wege über ordentlich gemähte Wiesen eine Durchquerung des Parks und eine nähere Betrachtung der wirklich eindrucksvollen Bäume möglich.
Viel mehr als ein besserer Stadtpark ist der Drachensteinpark heutzutage zugegebenermaßen nicht. Es gibt einen kleinen Spielplatz und ein paar Bänke. Kinder bis einschließlich 14 Jahren dürfen auf der Wiese spielen, Hunde müssen angeleint bleiben.
„Wie viele der Spaziergänger wohl noch etwas über die Geschichte des Parks wissen?“ fragt man sich vielleicht, während man am Rheinufer steht und zur Villa hinaufblickt. Der Drachensteinpark, die Villa Schnitzler und natürlich die wundervollen alten Bäume sind ein Stück Geschichte, das nicht so bald in Vergessenheit geraten sollte.
(Natascha Smollen, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2013)
Quellen
Stadtarchiv Bonn: Zeitungsausschnittsammlung
- „Nachruf für Dr. Schnitzler“ (Godesberger Volkszeitung vom 02.08.1934)
- „Viktor-Schnitzler-Straße“ (Beschluss des Gemeinderates Mehlem vom 28.11.1930)
- „Villa Schnitzler steht auf altem Sagengrund“ (Bonner Rundschau vom 23.05.1959)
Internet
www.godesberger-markt.de: Bilderrundgang Bad Godesberg (Abgerufen 19.12.2013)