Der Rheingau ist mit seinen knapp 3.000 Hektar bestockter Rebfläche eher eines der kleineren deutschen Weinbaugebiete, aber mit seiner Leitrebe Riesling und einer großen Zahl renommierter Einzellagen eines der bei Weinfreunden überaus geschätzten. Genau erstreckt sich das Weinbaugebiet über 36 km Länge von Flörsheim bis Lorchhausen und umfasst - mit Ausnahme der schon zum Oberen Mittelrheintal gehörenden Lagen nördlich von Rüdesheim - vor allem die Südlagen am Taunusabhang.
Im Rheingau schneiden sich bemerkenswerterweise der 50. Breiten- und der 8. Längenkreis. Die Rebkultur hat in diesem Gebiet eine lange Tradition. Spätestens in karolingischer Zeit und ausgehend von der Kaiserpfalz im linksrheinischen Ingelheim widmete sich vor allem die regionale Obrigkeit dem Weinbau. Mit den Klostergründungen in der Region, allen voran die berühmte 1136 gegründete Zisterzienser-Abtei Eberbach mit ihrer unterdessen über 850-jährigen ununterbrochenen Weinkultur, wuchs die Zahl der urkundlich dokumentierten Weinberge geradezu exponentiell an. Weinkulturell hervorhebenswert ist, dass der Begriff „Kabinett“ im Kloster Eberbach geprägt wurde und dass die Mönche im unweit davon gelegenen (ehemaligen) Kloster Johannisberg im Jahre 1775 dem Geheimnis der Edelfäule auf die Spur kamen. In Geisenheim ist die staatliche Lehr- und Forschungsanstalt für Wein, Obst- und Gartenbau angesiedelt. In der Fachwelt ist sie unter anderem deswegen ein Begriff, weil hier im Jahre 1882 durch gezielte Kreuzung die heute weltweit verbreitete Rebsorte Müller-Thurgau entstand.
Rebfluren, zumal solche in Hang- bzw. Steillagen, nehmen die Standorte der ungemein artenreichen Xerothermvegetation ein. Darunter versteht man verschiedene Vegetationskomplexe, deren Mitglieder sich allesamt durch eine besondere Angepasstheit an Trockenheit und Wärme auszeichnen. Vielfach gedeihen die beteiligten Arten im Rheinland an der Nord(west)grenze ihrer natürlichen Verbreitung in Europa und sind daher auch von biogeographischem Interesse. Da der Weinbau heute nach den Maßstäben der Intensivproduktion betrieben wird und Rebfluren maschinengerecht durchgestylte Flächen darstellen, haben Xerotherm-Biotope mit ihrer geradezu unglaublichen Artenfülle eher Relikt- bzw. Ausnahmecharakter. Auch der Rheingau mit seinen weltweit renommierten Spitzenlagen kollidiert insofern heftig mit dem ökologischen Potential seiner Standorte. Ein Bildvergleich der modernen bereinigten mit der traditionell unbereinigten Rebflur stimmt daher mehr als nachdenklich.
(Bruno P. Kremer, 2011)
Literatur
Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V. (Hrsg.) (2011)
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