Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Archäologie
Gemeinde(n): Gießen
Kreis(e): Gießen
Bundesland: Hessen
Koordinate WGS84 50° 37′ 50,58″ N: 8° 43′ 20,16″ O 50,63072°N: 8,72227°O
Koordinate UTM 32.480.357,22 m: 5.608.797,44 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.480.423,87 m: 5.610.601,73 m
  • Wallkante am nördlichen Spornrand der Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck (1995).

    Wallkante am nördlichen Spornrand der Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck (1995).

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  • Die potentielle Toranlage im Westen der Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck (1995).

    Die potentielle Toranlage im Westen der Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck (1995).

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  • Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck: Plan der Befestigungsanlagen (1994).

    Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck: Plan der Befestigungsanlagen (1994).

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Lage
Am Nordrand des Gießener Beckens schieben sich die auf dem Sockel tertiärer Sande lagernden Basaltdecken des Vorderen Vogelsberges von Osten her in die Flussniederung vor. Einer der letzten Ausläufer ist der west-östlich verlaufende Rücken des Hangelsteins. Von seiner höchsten Kuppe zieht sich eine etwas niedrigere Rippe nach Westen, an ihrer Nordflanke begleitet von einer breiten, tiefer gelegenen Terrasse, die nach Norden hin als Felswand abbricht. Der Berg ist aus basaltischen Gesteinen aufgebaut. Der Westsporn endet in einem aufgelassenen Steinbruch, in dem sich noch sehr schön die säuligen Erstarrungsformen des Basalts in unterschiedlicher Lage beobachten lassen.
Die Geologie des Hangelsteins fördert die Erhaltung des naturnahen Waldes. Die nährstoffreichen Basaltböden tragen überwiegend Buchen- und daneben kleinere Eichenbestände. Auf dem Gipfelplateau finden wir den in Hessen seltenen Elsbeeren-Winterlinden-Wald. Bemerkenswert ist am Hangelstein die üppige und vielfältige Bodenvegetation, die den Berg zu einer Fundstelle von floristisch und vegetationskundlich hohem Rang macht.

Befestigungsanlagen
Der markanteste Teil der Befestigung ist das etwa 50 Meter lange Steinversturz-Querband, das den westwärts vorspringenden Sporn unterhalb der Bergkuppe abriegelt und von Hangkante zu Hangkante reicht. Verstärkt wird es durch eine in etwa 40 Meter Abstand vorgelagerte Grabenkonstruktion, die den Sporn auf seiner gesamten Breite abtrennt. Beide Riegel bilden offenbar eine Einheit und unterscheiden sich in ihrer Struktur von den übrigen Teilen des Befestigungswerkes. Den Sporn begleitet an seiner Nord- wie an seiner Südflanke je eine deutliche Hangkante, die rechtwinklig knapp hinter dem Quergraben einsetzt und auf der Südseite sogar leicht nach innen einzieht, ohne dass ein fester Anschluss erkennbar würde. In diesen Hangkanten darf man wohl Wall- bzw. alte Mauerreste vermuten. Die nördliche Kante läuft nach etwa 80 Metern im allmählich flacher werdenden Hang aus, während ihr südlicher Gegenpart sich über eine Distanz von 210 Meter verfolgen lässt und nach anfänglicher Westrichtung südwestlich umbiegt, bis er den Rand eines kleinen, heute aufgelassenen Steinbruchs erreicht. Der weitere Wallverlauf wird erst wieder 60 Meter westlich unterhalb des modernen Fahrwegs nahe dem Steinbruchwestrand als leichte Kante sichtbar, bis er nach 40 Metern an der Grenze des großen Steinbruchs endet.
Die Wallrichtung wechselte im heute zerstörten Teil offenbar von Südwesten nach Nordwesten. Die anschließende Strecke ist dem modernen Steinbruchbetrieb zum Opfer gefallen. Erst nach 100 Metern können wir, nun in nördlicher bis nordwestlicher Richtung, wieder ein kurzes Wallstück als Kante fassen. Unweit davon zieht heute ein Fußpfad von der Wiesecker Heide kommend hangaufwärts nach Nordwesten auf die große Nordterrasse des Hangelsteins. Alles deutet darauf hin, dass dort ein altes Tor lag. Von Nordosten her trifft hier nämlich ein über 100 Meter langer, teilweise sogar noch als echter Wall erkennbarer Befestigungsteil mit leicht einschwingendem Ende auf die natürliche Geländeeinsattlung. Über die Torkonstruktion lässt sich nichts Sicheres sagen. Es könnte sich um ein Tangentialtor gehandelt haben. Im Nordwestteil der Nordterrasse setzt der Wall über 125 Meter völlig aus. Er muss hier im Bereich der Steilkante verlaufen sein, könnte aber teilweise auch dem mittelalterlichen Basaltabbau zum Opfer gefallen sein. Erst unmittelbar vor der Nordecke wird er erneut deutlich fassbar und führt von dort als markante Hangkante 100 Meter lang in wechselnder Höhenlage südöstlich bis in die Nähe des Fahrwegs, wo er durch eine moderne Schürfung unterbrochen wird. Südlich des Fahrweges erscheint er nochmals auf 20 Meter Länge als deutliches, südlich gerichtetes Steinversturzband.

Über den weiteren Verlauf am nördlichen Steilhang des Spornes sind wir auf Vermutungen angewiesen. Steinversturz auf der Böschung könnte von Mauerresten stammen, doch muss die genaue Mauerführung einstweilen völlig offenbleiben. Die Gesamtanlage mit einer Fläche von 6 Hektar präsentiert sich offenbar als eine Art von Oberburg im Bereich des Spornkammes, der nach Norden zu eine befestigte tiefere Siedlungsterrasse vorgelagert ist, die auch über Wasservorkommen verfügt. Sichere Bebauungsspuren im Inneren fehlen. Insgesamt deuten die Befunde auf eine mindestens zweiperiodige Befestigung hin, deren größerer Teil mit den stark nivellierten und zu Hangkanten verschliffenen Wällen einen prähistorischen Eindruck macht, während der kurze steinerne Querriegel mit vorgelagertem Graben, der den Sporn nach Osten hin abtrennt, jüngerer Zeitstellung zu sein scheint.

Weiter östlich wurde 1971 eine weitere Befestigung entdeckt. Sie zieht sich als leichtes, 0,5 Hektar großes Oval von 80 x 88 Meter Ausdehnung im fast völlig ebenen Gelände um die höchste Kuppe des Hangelsteins. Fast im gesamten Verlauf ist sie als schwacher Wall mit Steinversturz erkennbar. Hinter der kurzen Unterbrechung an der Südseite könnte sich ein Tor verbergen.

Besiedlungsgeschichte
Da bisher im Bereich des Hangelsteins keine Grabungen stattgefunden haben, können wir uns nur auf die Oberflächenfunde stützen, die seit der Entdeckung der Anlage immer wieder von verschiedener Seite im gesamten Areal aufgelesen wurden. Gut vertreten ist darunter die neolithische Michelsberger Kultur (um 4.000 v. Chr.). Daneben gibt es Funde der späten Urnenfelderkultur (8. Jahrhundert v. Chr.) und der entwickelten Eisenzeit (4./3. Jahrhundert v. Chr.). Schließlich liegt noch eine Reihe von frühmittelalterlichen Keramikfragmenten des 9./10. Jahrhunderts n. Chr. vor.

Solange Grabungen fehlen, bleibt die Verbindung zwischen den Funden und den Befestigungsresten unsicher. Ein Teil der sichtbaren Befestigungsreste ist vermutlich in der späten Urnenfelder- oder in der älteren Eisenzeit entstanden. In das Frühmittelalter wird man wohl den steinernen Querriegel mit vorgelagertem Graben weisen müssen, doch bleibt völlig offen, ob auch noch andere Befestigungsteile in diese Zeit gehören könnten. Viele Fragen wirft auch der ovale Steinring auf der eigentlichen Bergkuppe auf. Die Lesefunde deuten in die Vorgeschichte, doch bleibt seine zeitliche Einordnung ebenso unklar wie seine Funktion und sein Verhältnis zu der großen Anlage weiter westlich.

(Eckehart Schubert (†), Überarbeitung Michael Gottwald, hessenARCHÄOLOGIE, 2015)

Internet
www.hangelstein.de: Internetauftritt der Vogelschutzgruppe Hangelstein (abgerufen 01.04.2015; Inhalt nicht mehr verfügbar 06.04.2020)

Literatur

Schubert, Eckehardt (1995)
Der Hangelstein. Führungsblatt zu den Wallanlagen bei Gießen-Wieseck, Kreis Gießen. (Archäologische Denkmäler in Hessen, 126.) Wiesbaden.

Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck

Schlagwörter
Ort
Gießen - Wieseck
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kulturdenkmal gem. § 2 DSchG Hessen
Fachsicht(en)
Archäologie
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Geländebegehung/-kartierung, Fernerkundung, Archäologische Prospektion
Historischer Zeitraum
Beginn -4000 bis 900

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„Ringwallanlage Hangelstein bei Gießen-Wieseck”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-120324-20150401-2 (Abgerufen: 20. April 2024)
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