Anekdoten zu Johann Raab
Nach Johann Raab
Erinnerungen an den Laden
Weitere Informationen zum Ort
Anekdoten zu Johann Raab
Johann Raab (1881-1963) betrieb in Alzey eine Musikschule, bevor er im November 1913 die Musikalienhandlung in der Antoniterstraße eröffnete. Gabriele Raab, Enkelin von Johann Raab erinnert sich: „Mein Opa war Musiklehrer, er hat im linken Teil Musikinstrumente verkauft, meine Oma, Elise Raab [1881-1965], war Modistin und hatte den rechten Teil des Hauses für ihr Hutgeschäft,“, so Gabriele Raab (1956-2024), die Enkelin des Geschäftsinhabers (Widmann 2024, S. 56). In einem Programmheft zu einem Schülerkonzert aus dem Jahr 1907 heißt es: „Erteile gründlich: praktischen und theoretischen Einzelunterricht in Violine, Klavier, Zither, sowie den gebräuchlichsten Orchesterinstrumenten bei mäßigem Preis.“ Raab betätigte sich auch als Kompositeur. So schuf er den „Deutschen Luftschiffermarsch“, der im Frankfurter Musikverlag seines Bruders Philipp veröffentlicht wurde. Da die private deutsche Luftschifffahrt ihren Höhepunkt unter Ferdinand Graf Zeppelin (1838-1917) vor dem Ersten Weltkrieg hatte, stammt die Komposition wohl auch aus dieser Zeit. Der Text des Marsches lautet: „Wir fliegen durch die Luft, daß's nur so rauscht und pufft und halten Tag und Nacht hoch in den Lüften Wacht. Kein Ziel ist uns zu weit, wir fliegen allezeit für Deutschlands Ruhm und Ehr hin über Land und Meer. Zu fördern die Kultur erforschen die Natur, sei unsre höchste Pflicht, den Krieg, den woll'n wir nicht. Doch wenn der Kriegsruf tönt, dann fahr'n wir wie gewöhnt für Deutschlands Ruhm und Ehr hin übers feindlich Meer.“
Johann Raab verkaufte in seiner Musikalienhandlung nicht nur Instrumente und Noten, sondern auch Grammophone und Schellackplatten. Beides hatte der aus Hannover stammende Erfinder Emil Berliner (1851-1929) 1887 in den USA erfunden. Raab schrieb auch den Klaviersatz des 1937 bei einer Kappensitzung der ACG erstmals präsentierten „Alzeyer Liedes“ von Wilhelm Diehl (1905-1946).
Nach Johann Raab
Hans Adolf Raab (1914-1991) übernahm das Geschäft nach 1945 von seinem Vater. Der Radio- und Fernsehtechniker baute den Bereich Unterhaltungselektronik aus. Seine Frau Hilde geb. Kapps erweiterte das Angebot des Musikhauses um einen Fachhandel mit Hörhilfen. In Anzeigen um 1970 wird neben dem Sortiment von Musikinstrumenten, Fernsehen, Rundfunk, Schallplatten und Noten eine eigene Reparaturwerkstatt erwähnt.
Gabriele Raab, die Enkeltochter des Firmengründers, machte eine Ausbildung als Radio- und Fernsehmechanikern und legte 1986 die Meisterprüfung ab. Schon drei Jahre zuvor wurde in der Ostdeutschen Straße 15 ein zweiter Standort mit einem Elektronik-Center eröffnet. Die hauseigene Werkstatt betrieb Ehemann Hermann Umek-Raab. Der Stammsitz in der Antoniterstraße wurde 2004 geschlossen und der Laden vom benachbarten Juwelier Klaes übernommen. In der Ostdeutschen Straße kehrte man zu den Ursprüngen zurück und verkaufte Instrumente und Noten. Mittlerweile ist auch der Laden in der Ostdeutschen Straße geschlossen.
Erinnerungen an den Laden
In den hinteren Räumen fanden sich an der Wand in Regalen und in Tischkästen nach Interpreten geordnet LP's und Singles. An einer Hörbar mit Hockern, die mit rotem Leder bezogen waren, konnte man sich über in die Tischplatte eingelassene Hörer Platten anhören. 1966 gastierten die „Lords“ in der Alzeyer Stadthalle. Die Band wurde als die deutschen Beatles vermarktet. In Alzey gab es viel Aufregung um das Konzert. Über 800 Jugendliche seien da gewesen, berichtete die AZ und sprach von einem „Hexenkessel“ und dem Wunder, dass in der Stadthalle alles ganz geblieben sei. Auf dem Zeitungsfoto von damals sieht man heute ein anderes Bild. Da sitzen junge Damen und Herren brav nebeneinander an Tischen und hören zu.
Volker Gallé erinnert sich:
„Das Ereignis hatte mein Interesse geweckt und etwas später besaß ich mit 'Over in the Gloryland' von den Lords meine erste Single. Ich weiß nicht mehr, ob ich die selbst gekauft habe oder von meinen Eltern geschenkt bekam. Aber ich erinnere mich noch gut an die Schallplattenabteilung des Musikhauses Raab in der Antoniterstraße. Man ging zwischen den beiden Schaufenstern ein paar Stufen hoch ins Geschäft, durch die Instrumenten- und Elektronikabteilung hindurch, wieder wenige Stufen hoch und fand dann linker Hand einen Tisch mit Hörern, die man aus Öffnungen ziehen konnte, um sich Platten anzuhören. Die Plattenhülle von 'Gloryland' zeigte die Band in Fantasieuniformen mit goldenen Epauletten auf den Schultern. Heute erinnert mich die Aufmachung an die spätere Beatles-LP 'Sgt. Pepper's Lonley Hearts Club Band'. Ich kaufte weiter einige Singles, 'Words' und 'World' von den Bee Gees, 'Lady Madonna' von den Beatles und 'The legend of Xanadu' von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mich & Tich. Aber am meisten hat mich damals 'Fire' von 'The crazy world of Arthur Brown' beeindruckt. Ein gelbes Cover mit dem Bild eines Mannes mit Maske, ein bisschen Horror und ein bisschen Voodoo, die Musik sehr expressiv, eben ein ausbrechendes Feuer.“
Weitere Informationen zum Ort
Die Antoniterstraße verläuft vom Rossmakt aus in nördlicher Richtung bis zur Weinrufstraße. Sie verdankt ihren seit 1428 bekannten Namen dem 1807 niederglegten Antoniustor. Das befand sich in Höhe von Haus Nr. 37 vor der heutigen Hospitalstraße. Den Namen hatte es von der 1281 erstmals erwähnten Antoniterpräzeptorei. Als Präzeptor wurde der örtliche Vorsteher von Einrichtungen des Antoniterordens bezeichnet. Dieser widmet sich vor allem der Krankenpflege. „Die nahezu lückenlose Zeilenbebauung umfasst vorwiegend zwei- bis dreigeschossige Traufenhäuer des 18./19. Jh. mit modernen Ladendurchbrüchen.“ (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz Kreis Alzey-Worms 20.2. Stadt Alzey, 2014, S. 80)
(Volker Gallé, Alzey, 2025 / freundliche Hinweise von Herrn Hermann Umek-Raab, Frau Stefanie Widmann, Frau Doris Seibel-Tauscher und Herrn Walter Steinmetz)