Geschichte des Hauses
Rock'n'Roll und Beatmusik
Der Vorgänger, die „Tube“
Umzug und Umbenennung
Internationale Künstler in Alzey
Erinnerungen an Walter Kubatschek
Aktuelle Situation
Weitere Informationen zum Ort
Internet
Geschichte des Hauses
In der Torfahrt des Hauses Nr. 4 findet sich ein barocker Türsturz mit der Jahreszahl 1699. Im Jahr 1747 ist hier das Gasthaus „Zum schwarzen Adler“ erwähnt. Das Wohn- und Geschäftshaus wurde also nach den Kriegszerstörungen durch Truppen Ludwigs XIV. (1638-1715) im Jahr 1689 während des „Pfälzischen Erbfolgekriegs“ erbaut. (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz Kreis Alzey-Worms 20.2. Stadt Alzey, 2014, S. 150) Im großen Saal fand der Gastwirt und Betreiber der Musikbühne „Oberhaus“ Walter Kubatschek (1950-2024) Ende der 1970er Jahre bei der Renovierung ein Emaille-Schild mit der Aufschrift „Pfälzer Wald am Roßmarkt, Inhaber Fritz Schulz, ältestes Parteilokal der NSDAP“. „In den 1950er und 1960er Jahren war das Gasthaus dann unter dem Gastwirt Frey Vereinslokal von Rot-Weiß Olympia Alzey“, dem örtlichen Fußballverein. (Stefanie Widmann, Alzey einst und heute, Band 1, 2023, S. 138) Bevor Kubatschek die Szenekneipe mit Musikbühne im Jahr 1979 eröffnete, befand sich im Haus ein griechisches Speiselokal mit dem Namen „Akropolis“. (Abb./Foto von Walter Steinmetz)
Rock'n'Roll und Beatmusik
Als der Rock'n'Roll Mitte der 1950er Jahre nach Westdeutschland kam, wurde er zum Markenzeichen einer ganzen Jugendkultur. In Alzey wurden 1962 die „Guitar-Men“ gegründet. Das Quintett mit vier E-Gitarren und einem Schlagzeug bestand aus Peter Gardener, Hans Gilbert, Dieter Obst, Günter Klingenschmidt und Helmut Deichmann. Gilbert schreibt in seinen Erinnerungen: „Im Keller des Landwirts Gräser in der Alzeyer Löwengasse, in unserem Übungsraum, war “als schon was los. Für die damalige Zeit hatten wir mit Echolette-Geräten bereits gutes Equipment. Inspiriert vom Rock'n'Roll und den „Tielman Brothers“... machten wir ganz schön Krach... Im Frühjahr 1963 besuchten uns die Tielman Brothers in Alzey in unserem Übungsraum. Die Presse war da und es war ein Riesenauflauf, als die zwei schwarzen 300er Mercedes... in die Löwengasse einbogen.„
Die Tielman Brothers, zwei Brüder mit indonesischen Vorfahren, kamen aus ihrem Wohnort Ludwigshafen-Oggersheim nach Alzey. Ab Frühjahr 1964 spielten die “Guitar Men„ samstags abends vor vollem Haus in der “Alten Post„ am Rossmarkt. Gilbert: “Ich sang die Songs von Chuck Berry, Ray Charles, Jerry Lee Lewis und hämmerte die Akkorde rein... Zum Schluß spielten wir immer „Buona Notte“ von Rocco Granata (1954).„ (Hans Gilbert, Meine Musikauftritte 1956-2006) Ende 1965 war diese Zeit vorbei. Es folgten Beat- und Rockmusik. “Uff de Musick„ an den Samstagabenden spielten Bands wie Pearl, Wheels, Moodies, Preachers, New Gamblers und Family. (Thomas Ehlke, “Der Samstag war uns„, in: Heimatjahrbuch Alzey-Worms 2018, S. 209-212)
Der Vorgänger, die “Tube„
Als Walter Kubatschek 1977 nach Alzey kam, gab es zwar ein Jugendhaus (zunächst in Selbstverwaltung, dann von der Stadt betrieben), aber keine Jugendkneipe. Mit einem Partner eröffnete er in den Räumen des Möbelhauses Klein (heute “Weltladen„) in der St.-Georgen-Straße 41 die “Tube„. Der Name war abgeleitet von “Teestube„, aber es gab dort keineswegs in erster Linie Tee. Die “Tube„ wurde zur ersten Jugendkneipe in Alzey.
Umzug und Umbenennung
Anfang 1979 zog er dann um in die Gaststätte “Pfälzer Wald„ in der Spießgasse 4, die bald nach dem Namen des neuen Wirts “Kubba„ genannt wurde. Und so heißt sie bis heute. Die Jugendkultur lebte seit den 1960er Jahren vor allem durch die Musik, die mit den Beatles und den Rolling Stones ein neues Format erhalten hatte. So war es nur folgerichtig, im alten Saal der Gaststätte eine Musikbühne aufzubauen. Der Name “Oberhaus„ war eine Ableitung von der Mainzer Kleinkunstbühne “unterhaus„. Man bezeichnete sich dann auch als Kleinkunstbühne, obwohl der Schwerpunkt des Programms nicht auf Kabarett lag, sondern auf Rockmusik. In der Region wurde das “Oberhaus„ anfangs zu einem Geheimtipp für Blues und Bluesrock. Da spielten Bands wie “Das dritte Ohr„ (1961 in Hildesheim gegründet), die “Pee Wee Bluesgang„ (1955 in Iserlohn gegründet) (Eintrittskarte Drittes Ohr als Abb.) oder die 1976 in Frankfurt gegründete “Frankfurt City Blues Band„ (1976 in Frankfurt gegründet), letztere 1983 sogar zusammen mit dem britischen Bluesmusiker Alexis Korner (Eintrittskarte Kauff). Großen Zuspruch fand der hessische Deutschrock der “Crackers„. (Abb. Backstagepass und Livemitschnitt Pornokino) Die 1979 gegründete Band gehörte in den 1980ern neben den “Rodgau Monotones„, “Flatsch„ und “Hob Goblin„ zur links und rechts des Rheins beliebten “Hessen Power„. Einer überregionalen Erfolgt hatten sie 1982 mit dem Titel “Pornokino„, mit dem sie im selben Jahr auch im Oberhaus zu Gast waren. Zum 30-jährigen Bandjubiläum erschien im Mai 2009 eine Doppler-CD mit Live-Aufnahmen. Auch damit gastierten sie in Alzey. Im Jahr 1985 wurde in Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule Donnersbergkreis in der Aula des Nordpfalzgymnasiums (Kirchheimbolanden) ein Konzert mit der amerikanischen Rockmusikerin Chi Coltrane veranstaltet (Eintrittskarte Abb.)
Internationale Künstler in Alzey
Walter Kubatschek war auch Mitbegründer des Alzeyer Sommerfestivals “Da Capo„. Im Jahr 1997 sorgte er dafür, dass die amerikanische Blueslegende B.B.King auf dem Rossmarkt vor großer Publikumskulisse auftrat. Im Programmrückblick finden sich auch Folkgruppen wie “Wild Silk„ und “Garden of Delight„, Comedians wie Rob Spence und Django Asül, Liedermacher wie Götz Widmann und Latinabende von Tango bis Flamenco. Auch dem Blues blieb das Oberhaus mit Stan Webb und der “Sunnyland Bluesband„ treu. Auch so unterschiedliche Musiker wie Purple Schulz, Chris Thompson (Sänger von “Manfred Mann's Earth Band„), Embryo und Inga Rumpf waren in Alzey zu Gast. Aber den Hauptteil des Programms übernahmen mit der Zeit immer mehr Coverbands mit Titeln von “Black Sabbath„ und “Frank Zappa„ bis “Pink Floyd„ und “Queen„. Dazu kamen Themenpartys und Discoabende. Ab 2006 finden sich auch Metalbands auf der Musikbühne.
Erinnerungen an Walter Kubatschek
Im Jahr 2024 starb Walter Kubatschek. Auf einer Trauerseite unter www.alzeyeroberhaus.de erinnern sich Gäste: “Walter war eine wichtige Person in unserem Leben, die uns den Weg in das Erwachsenenalter erheblich erleichtert hat. Er hat den räum für Gemeinschaft geschaffen und uns damit das erste Wohnzimmer außerhalb unseres Elternhauses geschenkt. Ohne Walter wären wir in Alzey weniger zu Hause.„ Und: “Mit Walter's „Teestube“ TUBE begann für mich als 17jährige und viele meiner Generation die Freiheit. Ich habe viele schöne Erinnerungen an Mittwoch- und Samstagabende dort; an Fastnachtspartys; Shuffleboardspielen und immer die neueste Musik. Es war eine schöne Zeit. Und auch im Kubba und Oberhaus haben wir dank Walter über Jahre hinweg einen Happy-Place gefunden, sind zusammen alt geworden, aber im Herzen jung geblieben.„
Aktuelle Situation
Bei einem Interview mit der “Allgemeinen Zeitung„ vom 6. Juli 2018 äußert Thomas Kubatschek, der in die Fußstapfen seines Vaters trat, es sei immer schwieriger, die “Hütte voll zu bekommen„. Gerne würde er mehr experimentieren. So habe er gemeinsam mit Buchhändler Wolfgang Arnold im vergangenen Jahr eine Lesung mit Texten von Hermann Hesse angeboten. Aber da seien nur 40 Leute gekommen. Andererseits seien für Alzey neue Angebote manchmal auch erfolgreich, so die französische Progressive-Rock-Band “Lazuli„, die ein Publikum aus 200 Kilometer Umkreis ins Oberhaus gelockt habe. Mit Blick auf das Jahresprogramm für 2026 spricht Thomas Kubatschek gegenüber der “Allgemeinen Zeitung„ vom 21.10.2025 erneut von einer immer schwieriger werdenden Lage für die Musikbühne: “Es geht längst auch um das Gesamtkonstrukt Oberhaus.„ Ein Konzert koste zwischen 2.500 und 5.000 Euro. Das müsste über Eintritt und Getränkeverkauf refinanziert werden. “Die Zeiten, in denen mit allwöchentlichen proppenvollen Discoveranstaltungen andere Events finanziert werden konnten, sind vorüber. Was vor Jahrzehnten freitäglicher oder samstäglicher Standard war, trifft heute vielleicht noch einmal im Monat zu.„ Daher sucht Kubatschek mittlerweile verstärkt Kulturpaten für einzelne Veranstaltungen. Im Jahr 2026 gehts weiter mit Tributebands wie Lones United (Neil Young) und Iron Maidnem (Iron Maiden), Dede Priest & Jonny Clark's Outlaws (Crossover), Frank Carducci und Lazuli (Progressive Rock) und Zed Mitchell (Bluesrock).
Weitere Informationen zum Ort
Die Spießgasse führt vom Rossmarkt in westlicher Richtung bis zum Eisenbahnviadukt. Ihr seit 1574 genannter Name rührt von einem Stadttor (1341 “spizzis porte„). Das Spießtor befand sich etwa auf der Höhe von Haus Nr. 71 und wurde nach 1800 niedergelegt. In den zwei- bis dreigeschossigen Häusern befanden sich Läden, Handwerksbetriebe und Gasthöfe.
(Volker Gallé, Alzey, 2025 / freundliche Hinweise von Herrn Thomas Kubatschek, Herrn Wolfgang Arnold, Herrn Klaus Kauff und Herrn Walter Steinmetz)
Internet
www.alzeyeroberhaus.de: Das Oberhaus Alzey Kleinkunstbühne (abgerufen 10.12.2025)