Naturräumliche Entwicklungen und frühe Besiedlung
Das Duvenseer Moor und seine Umgebung sind eng mit dem ehemaligen Duvensee verbunden, einem See, der dem heutigen Dorf Duvensee seinen Namen gab. Dieser See entstand am Ende der letzten Eiszeit als Stausee hinter einem Endmoränenwall und sammelte Schmelz- und Regenwasser. Schon vor rund 11.000 Jahren siedelten Menschen an seinen Ufern. Bedeutende archäologische Funde, darunter das zeitweise als ältestes bekanntes hölzernes Paddel der Welt und die älteste bekannte menschliche Bestattung in Norddeutschland, belegen, dass hier steinzeitliche Jäger- und Sammlergruppen ansässig waren. Über einen Zeitraum von etwa 6.000 Jahren verlandete der See allmählich und entwickelte sich zu einem Moorgebiet. An den ehemaligen Ufern, Halbinseln und Inseln des Duvensees haben sich die Spuren dieser frühen Gemeinschaften sowie der damaligen Flora und Fauna hervorragend erhalten. Dies macht das Duvenseer Moor zu einem der am besten erhaltenen frühmesolithischen Fundkomplexe in der nordeuropäischen Tiefebene. Daher wird es seit 1923 bis heute kontinuierlich archäologisch erforscht (Bokelmann 2012; Groß et al. 2018).
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Archäologisches Erbe durch die JahrtausendeNeben den äußerst bedeutenden frühmesolithischen Fundstellen sind der archäologischen Landesaufnahme im Duvenseer Moor und den Anrainergemeinden auch weitere Siedlungsfundstellen aus dem Neolithikum, Grabhügel und Bronzeartefakte der Bronzezeit, Siedlungsfunde und Brandgräberfelder der vorrömischen Eisenzeit, Siedlungsfunde der römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit sowie Burganlagen, Ringwälle und weitere Funde wie Fischreusen aus dem Mittelalter bzw. der Slawenzeit bekannt. Insgesamt handelt es sich dabei um 89 denkmalpflegerisch relevante Objekte in der archäologischen Landesaufnahme. Besonders hervorzuheben ist darüber hinaus die Rolle des Duvenseer Moors als Teil des Limes Saxoniae. Dieser Grenzraum zwischen dem sächsischen und slawischen Siedlungsgebiet war ab dem 9. Jahrhundert von großer strategischer und kultureller Bedeutung (vgl. Funck 1963, 16).
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Mittelalterliche Entwicklung Im Mittelalter wurde das Dorf Duvensee erstmals 1230 als deutsche Siedlung erwähnt, wobei Funde auf eine noch ältere slawische Besiedlung hindeuten. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte der Besitz des Dorfes und des Sees mehrfach zwischen Adelsfamilien, dem Kloster Marienwold, dem Rat der Stadt Lübeck und den Herzögen von Sachsen-Lauenburg. Die Besitzverhältnisse waren häufig durch Verpfändungen und Verkäufe geprägt, was zu einer komplizierten Gemengelage führte, bei der das Dorf Duvensee und der See zeitweise in zwei Hälften geteilt waren. Vor allem die Fischerei prägte die Nutzung des Sees im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit (Funck 1963, 19-21).
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Neuzeitliche Baudenkmale und kulturlandschaftliche EntwicklungDarüber hinaus sind im Projektgebiet insgesamt 13 eingetragene Baudenkmale verzeichnet. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Objekte, die in Verbindung mit Mühlenbauten, Bauernhöfen, Forstwirtschaften sowie Garten- und Parkanlagen stehen. Diese Objekte stehen in Verbindung mit einem ab der Neuzeit verstärkten Einflusses des Menschen auf die Landschaft, womit auch Moore und Gewässer stark von der kulturlandschaftlichen Entwicklung betroffen waren. So griff im 18. und 19. Jahrhundert der Mensch massiv in die Natur des Duvenseer Moors ein. Im Gegensatz zum Manauer Moor spielte der Torfabbau im Duvenseer Moor aufgrund des ausreichenden Vorkommens von Brennholz bis Anfang des 18. Jahrhunderts eine eher untergeordnete Rolle. Dies änderte sich mit der ökonomischen Verwertung von Torf und dem höheren Brennstoffbedarf Ende des 18. Jahrhunderts. Dadurch wurde der Torfabbau vorangetrieben, was bald zu einem übermäßigen Gebrauch führte. Um dies einzudämmen, wurde ein Torfregulierungsplan entwickelt. (Funck 1963, 59-76).
Die Ausweitung des Torfabbaus im Gebiet des heutigen Duvenseer Moores war ein entscheidender Faktor für die Bemühungen, den See trockenzulegen. Bereits 1775 gab es erste Versuche, den See zu entwässern, um Flächen für Torfabbau und landwirtschaftliche Nutzung zu gewinnen. Diese Bemühungen waren zunächst nur teilweise erfolgreich. Erst mit der großangelegten Trockenlegung 1850 verschwand der „blanke See“ endgültig von der Landkarte. Die Maßnahmen umfassten den Bau von Kanälen, Gräben und Wegen, um das Wasser abzuleiten und das Gebiet nutzbar zu machen. Auch der benachbarte Manauer See und das Manauer Moor wurden in diese Entwässerungsprojekte einbezogen.
Die Trockenlegung hatte weitreichende Folgen für die Nutzung der Landschaft: Ehemalige Moor- und Bruchflächen wurden in landwirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt, die Fischerei verlor an Bedeutung, und die natürlichen Lebensräume wurden stark verändert. Die Umwandlung der Moorflächen führte zu einer nachhaltigen Veränderung der Flora, Fauna und der Wasserverhältnisse in der Region.
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Bürgerschaftliches Engagement und RenaturierungHeute steht das Duvenseer Moor vor einem historischen Wendepunkt: Nach fast 175 Jahren intensiver landwirtschaftlicher Nutzung seit der großangelegten Trockenlegung werden nun konkrete Schritte zur Wiedervernässung und Renaturierung eingeleitet. Maßgeblich an dieser Entwicklung beteiligt ist der Verein Duvenseer Moor e. V. mit seinem außergewöhnlichen bürgerschaftlichen Engagement. Der Verein mit seinen über 400 Mitgliedern, darunter 23 Gemeinden aus der Region, verkörpert in vorbildlicher Weise eigenverantwortliches, lokales Handeln im Naturschutz. Seine Aktivitäten umfassen nicht nur die praktische Renaturierungsarbeit, sondern auch die entscheidende Überzeugungsarbeit vor Ort, durch die eine nachhaltige Akzeptanz der Schutzmaßnahmen in der Bevölkerung erreicht wird. Diese Pionierarbeit wurde bereits 2019 mit dem renommierten Blunck-Umweltpreis der Stiftung Herzogtum Lauenburg gewürdigt (Verein Duvenseer Moor e.V. 2019).
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Kulturlandschaft im WandelAls vom Menschen geschaffene historische Kulturlandschaft steht es heute somit vor allem für das Zusammenwirken von lokaler Identität und Umweltschutz. Dazu gehört der Ausgleich zwischen Denkmal- und Naturschutz. Grundlage ist das intensive Zusammenwirken von bürgerschaftlichem Engagement, kommunaler und Landesverwaltung sowie Naturschutzbemühungen. In diesem „Feldlabor“ kann der mit dem Natur- und Klimaschutz einhergehende bzw. notwendige Strukturwandel proaktiv gestaltet und die lokale Bevölkerung aktiv eingebunden werden.
Ähnlich der Lüneburger Heide, die als historische Kulturlandschaft der mageren Trockenstandorte Norddeutschlands heute zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands zählt (NLWKN 2024), repräsentiert das Duvenseer Moor eine historische Kulturlandschaft der norddeutschen Niederungsgebiete. Obwohl flächenmäßig deutlich kleiner, beherbergt es eine ebenso schützenswerte Fauna und Flora, die nur durch zielgerichtete Regulierung der Wasserstände und nachhaltige Bewirtschaftung wie die Sommermahd der Seeflächen in ihrer charakteristischen Form erhalten werden kann.
Inhaltlich vereint das Thema Duvenseer Moor die Aspekte Kultur-, Natur- und Klimageschichte. Dies alles wird getragen von einem starken bürgerschaftlichen Engagement. Nicht zuletzt das Gemeindewappen und der Duvenseer Moorverein stehen für das Zusammenwirken von Bürgerforschung und konkret gelebtem Umwelt-, Natur- und Denkmalschutz. Darüber hinaus ist das Duvenseer Moor neben der konkreten Arbeit des Archäologischen Landesamtes Schleswig-Holstein (ALSH) Ziel international ausgerichteter archäologischer Forschung, die derzeit vom Leibniz-Zentrum für Archäologie, Mainz (LEIZA) getragen wird. Die Grabungsergebnisse erregen immer wieder nationale und internationale Aufmerksamkeit. Daraus ergeben sich die beiden Themen Forschung und Bildung.
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Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Die Region sieht sich jedoch mit typischen Herausforderungen ländlicher Gebiete konfrontiert. Der demographische Wandel führt zu Abwanderungstendenzen (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2017; Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung), während gleichzeitig ein schleichender Verlust regionaler Identität und lokalen Wissens zu beobachten ist (vgl. BSSR 2024). Bisher fehlte zudem eine übergreifende Entwicklungsstrategie, die alle Anrainergemeinden einbezieht. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Suche nach innovativen Konzepten, die die lokale Identität stärken und neue Perspektiven für die Region eröffnen, an Bedeutung. Ein Ansatzpunkt ist die nachhaltige Nutzung bestehender Ressourcen, wie etwa historischer Gebäude. Sie können als Ankerpunkte für Entwicklung und Vermittlung dienen.
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Die Hameister-Villa als zentrales VermittlungszentrumDie geplante Nutzung der Hameister-Villa in Duvensee ist ein wichtiger Baustein für die nachhaltige Entwicklung der Region. Die Gemeinde Duvensee arbeitet seit einiger Zeit intensiv an einem Nutzungskonzept für dieses historische Gebäude, das nach entsprechender Renovierung eine zentrale Rolle in der Vermittlung und Erschließung der Kulturlandschaft übernehmen soll. Im Fokus steht die Idee, das Gebäude als Grabungshaus für archäologische Feldprojekte zu nutzen und gleichzeitig als Informations- und Bildungszentrum für die mit dem Duvenseer Moor und dem Duvenseer Moorverein verbundenen Inhalte zu etablieren.
Die Hameister-Villa soll dabei als zentraler Anlaufpunkt fungieren, über den die historische Kulturlandschaft im Sinne eines nachhaltigen Tages- und Fachtourismus sowie einer dezentralen Nutzung erschlossen werden kann. Diese Vision fügt sich nahtlos in das Gesamtkonzept des eigenverantwortlichen, lokalen Handelns ein, das der Duvenseer Moorverein so erfolgreich verkörpert. Die geplante Doppelfunktion als wissenschaftliche Basis für archäologische Forschung und als Vermittlungszentrum für die breite Öffentlichkeit unterstreicht den integrativen Ansatz, der die gesamte Region prägt und Forschung, Bildung und nachhaltigen Tourismus miteinander verbindet.
(Tobias Reuter, Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, 2025)
Quellen
- Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung (o.J.): Die demografische Lage der Nation - Wie zukunftsfähig sind Deutschlands Regionen? (Online www.berlin-institut.org, Zugriff: 03.06.2025)
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) (2024): Kultur in ländlichen Räumen - Herausforderungen und Potenziale. (Online www.bbsr.bund.de, Zugriff: 03.06.2025)
- Bundeszentrale für politische Bildung (2017): Demografischer Wandel in Deutschland. (Online www.bpb.de, Zugriff: 03.06.2025)
- Verein Duvenseer Moor (2019): Verleihung des Blunck-Umweltpreises an den Verein Duvenseer Moor e.V. am 28.9.2019. (Online verein-duvenseer-moor.de, Zugriff: 11.06.2025)
Hinweis
Die archäologischen Datierungen wurden den Listen in Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein übernommen.
Internet
www.nlwkn.niedersachsen.de: NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) (2024): Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“ (Zugriff: 11.06.2025)