Der Transport einer Dampflok auf dem Rhein
Das Unglück geschieht
Ein Augenzeugenbericht
Die Konstruktion der Lok
Bergungsversuche
Eisenbahnbegeisterte versuchen eine erneute Bergung
Ursachenforschung für das Scheitern der Bergung
Internet
Der Transport einer Dampflok auf dem Rhein
1852 konstruierte die Maschinenfabrik Emil Keßler in Karlsruhe, die bereits einige Erfahrung im Bau von Lokomotiven hatte, eine Dampflok für die Düsseldorf-Elberfelder Eisenbahngesellschaft. In der Folge erhielt das Schienenfahrzeug den Namen „Rhein“, der fast schicksalhaft für seine Zukunft war. Das Segelschiff „Stadt Coblenz“ nahm die Lok in Karlsruhe-Maxau an Bord, um sie den Rhein abwärts bis nach Köln-Deutz zu transportieren. Von dort sollte sie auf dem Landweg nach Düsseldorf gebracht werden, um sie bei dem Auftraggeber, der örtlichen Eisenbahngesellschaft, abzuliefern. Das deutsche Schienennetz war zu dieser Zeit noch nicht weit genug ausgebaut, um die Lok auf dem Landweg ins Rheinland zu transportieren. Erst 1859 wurde beispielsweise die Strecke Ludwigshafen - Köln fertiggestellt. Mit der ab 1817 unter dem badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla begonnene Rheinbegradigung hatte man bis 1844 auch den Durchstich der Altrheinschleife bei Mechtersheim verwirklicht. Die Breite des Flussbetts war nun reduziert, das Wasser floss schneller stromabwärts, und von den Schiffbesatzungen war so große Aufmerksamkeit und fachliches Können verlangt.
Das Unglück geschieht
Als der Lastensegler am 14. Februar 1852 flussabwärts fuhr, geriet er in ein Unwetter, in dem sich das Schiff zur Seite neigte und die schwere Fracht von Bord stürzte. Die „Pfälzer Zeitung“ beschrieb die Situation vor Ort: „Unterhalb Germersheim machte früher der Rhein einen ungeheuren Bogen bis an Lingenfeld, welcher vor einigen Jahren durch einen sehr zweckmäßigen Durchstich rektifiziert wurde. Aus diesem strömte nun die künstlich verengte Wassermasse mit voller Gewalt gegen den etwas weiter abwärts liegenden sogenannten Schwarzwald, zu dessen Schutze dann ein großer Faschinendamm quer in den Rhein, fast bis an die Mitte und noch ziemliche Strecke abwärts erbaut wurde; an diesem Damm prallt nun die Wassermasse mit ihrer vollen Kraft ab, und umfließt ihn in einem scharfen Winkel, was tiefe Wirbel und heftige Gegenströmungen erzeugt, die, namentlich bei widrigem Winde, den Schiffen sehr gefährlich werden. Hier, wo der Strom das künstlich verengte Bette bis zu der enormen Tiefe von 50 Fuß [15 Meter] ausgehöhlt hat, gerieth [!] das mit der Lokomotive befrachtete Schiff in die Wirbel, ein Windstoß beugte es zur Seite und die kostbare Maschine im Werthe [!] von 25,000 fl [Gulden] lag in der Tiefe.“
Ein Augenzeugenbericht
In der Presse gab es verschiedene Vermutungen, ob das Schiff nicht mit dem Faschinenbau kollidiert sei. Faschinen sind walzenförmige Reisigbündel von einigen Metern Länge, die der Verhinderung von Erosionserscheinungen am Flussufer genutzt wurden und mancherorts auch heute noch zur Anwendung kommen. Doch entgegen der Vermutungen gibt es einen Augenzeugenbericht, der von der Königlichen Bauinspektion damals dokumentiert wurde (Landesarchiv Speyer - „Exofficio No. 563Q“ - Pfälz. Staatsakte Nr. 1602 VI):
„(…) Das Segelschiff ‚Stadt Coblenz' fuhr mit Schneidwind thalabwärts. Dasselbe hatte Knochen [an] Bord und eine Lokomotive geladen (…). Am Schwarzwald ohngefähr in der Mitte des Stromes zwischen der dortigen Buhne und dem badischen Ufer trieb der Wind das Segel nach der Quere des Schiffes. Das Schiff neigte sich dadurch auf die Seite und es rutschte die Lokomotive, noch ehe die Schiffleute das Segel einzuziehen vermochten, in den Strom. Der Unfall fand mitten im Thalgange statt und es ist das Schiff nicht an den Bau angefahren. Dammwart Bresch war während dem Unfalle mit mehreren Arbeitern an dem Buhnenbau beschäftigt und hat den Hergang der Sache, wie oben angegeben ist, berichtet (…). Ein Anfahren an den Bau hätte nur bei der gröbsten Unachtsamkeit des Steuermanns statt finden und der Eigenthümer des Schiffes in diesem Falle auf Entschädigung für die versichert gewesene Lokomotive keinesfalls Anspruch machen können, da der Bau von Schiffen jeder Art mit Leichtigkeit und voller Sicherheit zu umfahren ist (…)“
Bei dem genannten Dammwart handelte es sich offensichtlich um den Mechtersheimer Jakob Bresch (1820 - 1897) oder um seinen Vater gleichen Namens, der allerdings zum Zeitpunkt des Unglücks bereits 70 Jahre alt gewesen wäre. Beide Mechtersheimer Bürger hatten den Beruf des Dammwarts am Rheinstrom ausgeübt und waren mit ihren Helfern mit dem Bau von Schutzdämmen am Flussufer beschäftigt.
Die Konstruktion der Lok
Sechs Meter lang war sie und etwa 20 Tonnen schwer. Der Kessel der Dampflok hatte einen Durchmesser von einem Meter und war vier Meter lang. Doch wie hat sie genau ausgesehen? Die Baupläne fehlen in den Archiven, nur von den Plänen der wohl baugleichen Lok „Concordia“ hat man auf ihre Konstruktion rückgeschlossen und Modelle und Zeichnungen dazu erstellt.
Bergungsversuche
Im März 1852, kurz nach dem Unglück, zog man von beiden Uferseiten aus mit jeweils 100 Männern, lange Ketten unter die Lok und versuchte das Fahrzeug durch zwei Hubschiffe anzuheben. Angegeben werden für die Schiffe „12.000 Zentner Tragkraft“. Die Anhebung gelang mehrmals, doch rutschte die Lok immer wieder ab. An der neuen Stelle lag sie jetzt nur noch 30 Fuß (9 Meter) tief. Die „Pfälzer Zeitung“ vom 12. März 1852 berichtet über das sensationelle Geschehen:
„Das schöne Wetter lockt täglich viele hundert Zuschauer von nah und fern an den Schauplatz dieser Arbeiten, wo sowohl der Schiffseigner Weidner aus Koblenz als auch die Maschinisten mit zuvorkommender Gefälligkeit den Besuch und die Besichtigung der Schiffe und ihrer Einrichtung gestatten; damit auch nichts fehle, haben Marketender ihre Wirthschaften dort aufgeschlagen, betriebsame Knaben bieten Cigarren und kleine Mädchen Blumensträuße feil, so daß der Rheinstrand an dieser Stelle einem kleinen Jahrmarkt nicht unähnlich sieht.“
Doch die Bergungsversuche misslangen. Zwei Taucher, ein Vater und sein Sohn, aus London wurden extra für die Bergung verpflichtet. Ein Team der „SWR Eisenbahnromatik“ konnte in einem englischen Taucher-Museum sogar die wahrscheinlichen Namen der angeforderten Taucher eruieren. Vermutlich waren es John Gun und einer seiner auch im Tauchen erfahrene Söhne. Sie sollten die beiden schweren Eisenketten um die Lok legen. Doch ihre in der damaligen Zeit sehr schwerfälligen Taucheranzüge und die starke Strömung im Rhein verhinderten auch diese Bemühungen. Die Bergung wurde eingestellt.
Die Lokomotive war mit 36.000 Gulden versichert, ihr Kaufwert wird in der Literatur unterschiedlich zwischen 22.000 und 40.000 Gulden angegeben, was heute etwa 160.000 bis 290.000 Euro entsprechen würde. Belegt ist, dass die Rheinschifffahrts-Assekuranzgesellschaft aus Mainz letztlich 26.000 Gulden als Versicherungssumme bezahlt hat, wovon allerdings auch die Bergungsversuche bezahlt werden mussten. Bekannt ist, dass im Jahr 1925 eine erneute Bergung anlässlich einer Industrieausstellung in München geplant war, welche jedoch aus Kostengründen scheiterte.
Eisenbahnbegeisterte versuchen eine erneute Bergung
Bereits 1962 verfolgte der damals 12-jährige, heute pensionierte Cochemer Lokomotivführer Horst Müller das Geschehen um die versunkene Lokomotive. Der Gedanke nach ihr zu suchen ließ ihn nicht mehr los, und er sammelte über viele Jahre alle Informationen, die er über das Ereignis finden konnte. Von der Idee Feuer gefangen hatte 1993 auch Volker Jenderny vom Eisenbahnmuseum Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein. Sie taten sich zusammen mit dem inzwischen emeritierten Professor der Geophysik Bernhard Forkmann der TU Freiberg. Jahrelang wurde recherchiert, zu Wasser und zu Land fanden vor Ort 15 Suchexpeditionen statt. Dabei wurde mittels Akten des ehemaligen Straßen- und Flussbauamtes im Landesarchiv Speyer der mögliche Lageort trotz der über die Jahre entstandenen Veränderungen des Rheinbetts eingegrenzt. Es ist der Bereich bei der Rheinbuhne 527 am Ausgang des Lingenfelder Altrheinarms. 2012 wies man dort in sieben Meter Tiefe elektromagnetische Resonanzen nach, die von der Größe her auf die verschwundene Lok hinwiesen. Mehrere Kontrollmessungen bestätigten den Befund. Fundierte Planungen sollten die Bergung der Lok ermöglichen. Mittels einer Crowdfunding-Aktion und durch die Unterstützung von Sponsoren wollte man die Finanzierung des Projekts realisieren. Es wurden mit rund 500.000 € Kosten für die Bergung gerechnet. Rechtlich gesehen gehört die Dampflok dem Land Rheinland-Pfalz. Die Generaldirektion Kulturelles Erbe Abteilung Landesarchäologie vereinbarte mit dem Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein eine 25-jährige Dauerleihgabe des Objekts. Das Museum verpflichtete sich zur Restaurierung und Ausstellung des Objekts. Und so konnte das Projekt starten.
Im September 2018 begann der Bergungsversuch. Am vermuteten Lageort wurde im Rhein eine u-förmige Spundwand errichtet. In der darin geschützten Zone schaffte ein Bagger der OHF Hafen- und Flussbau GmbH aus Au am Rhein Kies und Steine aus dem Untergrund, um auf die Lok vorzustoßen. Nach und nach wurde eine Fläche von 450 Quadratmetern bis in neun Meter Tiefe ausgebaggert, viel mehr als ursprünglich vorgesehen war. Doch eine Lokomotive wurde nicht gefunden. Am 2. Oktober 2018 musste das Heben der Lok mit großer Enttäuschung abgesagt werden. „Heute ist unser Lebenstraum geplatzt. Wir haben teilweise 30, teilweise 25 Jahre nach der Lok ‚Rhein' gesucht und waren uns so sicher, sie gefunden zu haben. Dieses Gefühl, dass die Schatzsuche gescheitert ist, lässt sich noch nicht in Worte fassen. Wir müssen diese Information erst noch verarbeiten“, so die Reaktion der Projektverantwortlichen.
Ursachenforschung für das Scheitern der Bergung
Nun ging es auf die Suche, warum die geomagnetischen Messungen eine Anomalie angezeigt haben, die auf die Lage der Lok hingewiesen hätte. Ein Nachuntersuchungsbericht der Bahnwelt Darmstadt-Kranichstein vom 14. Dezember 2018 stellt fest: „Es muß als ein Glücksfall gewertet werden, daß mit Hilfe unseres Sponsors, der Firma analytec Dr. Steinhau (Chemnitz), am 8./9.10.2018 einige Dutzend magnetisch sehr auffälliger Gesteinsbrocken nachgewiesen wurden, die oben auf den Schüttbergen bzw. abgerollt an deren Flanken anzutreffen waren und die sich auch ihrem äußeren Habitus nach deutlich von dem üblichen Buhnenmaterial (Quarzit) abhoben. Ein Küchen- oder Büro-Magnet haftet daran selbst an senkrecht verlaufenden Flächen.“
Anfang 2019 präsentierte Bernhard Forkmann der Presse das Gesteinsmaterial, das magnetische Eigenschaften hat und die die Fehlmessungen verursacht haben könnten. In einer „Ergänzung der Ursachenforschung“ aus Darmstadt-Kranichstein vom 12. Mai 2019 wird der Verdacht geäußert, dass die Fehlmessungen durch „ca. 8 m lange, knapp 1 m dicke mit schweren Steinen gefüllte Faschinen mit Draht umschnürt … als Ursache für die gemessene geomagnetische Anomalie am Buhnenkopf der Buhne 527 mit stark magnetisch wirksamer Gabbro-Füllung“ ausgelöst gewesen sein könnten, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts üblicherweise in die Uferbefestigung des Rhein eingebaut wurden. Unsicher ist für alle Beteiligten, in welchem Zustand die Dampflok heute sein könnte. Durch die beiden Abstürze, beim eigentlichen Unfall und beim ersten Bergungsversuch 1852, wurde sie sicher stark beschädigt. Fraglich ist zudem, wie stark der Rost das Material befallen hat oder ob tatsächlich, man erhofft, der Schlamm in der Tiefe des Rheins die Bauteile erhalten hat. Zum Zeitpunkt der Herstellung gab es noch keinen rostfreien Stahl. Die Maschine bestand vermutlich aus Schmiedeeisen. Wenn es gelungen wäre, die „Rhein“ zu bergen, wäre es die älteste noch erhaltene Dampflok Deutschlands und damit ein wichtiges Kulturgut.
(Hartwig Humbert, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege in Römerberg e. V., 2024)
Internet
www.kulturelleserbe-rlp.de: Lost Places in Römerberg - Versunkene Dampflok „Der Rhein“ im Rhein östlich von Römerberg-Mechtersheim (abgerufen 19.02.2025)
www.swr.de: Als „Der Rhein“ in den Rhein fiel. Folge 928: Jäger der versunkenen Lok (abgerufen 29.01.2025)
www.swr.de: 25 Jahre Schatzsuche. Folge 932: Jäger der versunkenen Lok (abgerufen 29.01.2025)
www.swr.de: Eisenbahnpioniere im Südwesten. Folge 936: Jäger der versunkenen Lok (abgerufen 29.01.2025)
www.swr.de: Jetzt oder nie! Folge 937: Jäger der versunkenen Lok (abgerufen 29.01.2025)
www.youtube.com: SWR Eisenbahn-Romantik: Jäger der versunkenen Lok - Als „Der Rhein“ in den Rhein fiel (abgerufen 21.01.2025)
de.wikipedia.org: Der Rhein (Lokomotive) (abgerufen 21.01.2025)
bahnwelt.de: Lok Rhein: Ursachenforschung zum gescheiterten Bergungsversuch abgeschlossen (abgerufen 21.01.2025)
www.swr.de: SWR-Archiv zur versunkenen Lok im Rhein (abgerufen 21.01.2025)