Geschichte
Bauwerk
Innenraum
Glockenturm
Ausbau der Pfarrgemeinde
Kulturdenkmal
Internet, Literatur
Geschichte
Die erste Stätte zur Abhaltung christlicher Gottesdienste auf Mutterstadter Gemarkung war die Kapelle St. Medard, am Nordrand des Dorfes Hillensheim gelegen. Um 900 schließlich ist erstmals eine Kirche in Mutterstadt im Besitzverzeichnis des Klosters Weißenburg erwähnt. Es kann also davon ausgegangen werden, dass von dort aus der Bau der ersten Kirche in Mutterstadt betrieben worden ist. Eine mittelalterliche Kirche ist für Mutterstadt spätestens seit dem Jahr 1237 gesichert. Ortspatron der Mutterstadter Kirche war das St. Magdalena-Kloster in Speyer. Aber erst 1237 wurde eine eigene Pfarrei Mutterstadt erwähnt, für die das Kloster das Patronatsrecht mit allen Rechten erhielt. Bischof Heinrich von Speyer bestätigte 1252 diese Vereinbarungen, die schließlich zu einem Vertrag führten, der die Baupflicht an den kirchlichen Gebäuden regelt. Demnach haben die Nonnen von St. Magdalena in Speyer den Chor und den Pfarrhof instand zu halten, die Lehensherren aus Wachenheim das Kirchenschiff und die Gemeinde Mutterstadt hat den Kirchturm, das Mauerwerk mit Dach und die Glocken und Seile zu unterhalten. Um ihrer Verpflichtung gegenüber diesen kirchlichen Anweisungen nachzukommen, begann die Gemeinde am 8. Juni 1517, dem St. Medardstag, mit dem Bau eines neuen Kirchturmes. In einem „Hungerjahr“, verursacht durch starke Ernteausfälle, ging man an diese große Herausforderung. Sie wird uns besonders bewusst, wenn wir die Inschrift im Turm entziffern, die Preise von Wein und Korn belegt. Derartige Inschriften sind sehr unüblich und deuten auf die Besonderheit des Jahres 1517 hin. Gemäß seiner Bauweise sollte der Kirchturm gleichzeitig als Wehrturm dienen, was die Bedeutung dieses Bauwerkes noch verstärkt. Demnach könnte die Einwohnerzahl Mutterstadts 1517 unter 500 betragen haben. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde an den Kirchturm eine spätgotische Pfarrkirche gebaut. Sie war der Gottesmutter, Unserer Lieben Frau’ geweiht. Interessanterweise wurde der Bau des Kirchturmes im gleichen Jahr begonnen, da auch die Reformation ihren Anfang nahm: 1517! Im Dreißigjährigen Krieg, als das Dorf weitgehend verlassen war, wurde die Kirche zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte 1655, aber es blieb eine Notkirche. Eine Inschrift im Turm besagt, dass die Kirche 1707 offiziell den Reformierten übergeben worden ist, deren Pfarrer Philipp Jakob Salathé war.
1731 zählte Mutterstadt 1.001 Einwohner, davon 714 Protestanten, 280 Katholiken und 7 Juden. Die Katholiken, die seit der Reformation kein eigenes Gotteshaus hatten, legten den Grundstein für eine eigene Kirche. Die Reformierten, deren Zahl durch die Zuwanderungen stark angewachsen war, hatten Probleme mit ihrer Notkirche. Nachdem man zunächst die vorhandene reparieren wollte, „stellten am 5. April 1753 das kurpfälzische Oberamt und die Zehntherren an Ort und Stelle fest, dass die Kirche nicht mehr zu reparieren sei. Von sämtlichen Anwesenden wurde ein neuer Kirchenbau beschlossen. Der kurpfälzische Baumeister Franz Wilhelm Rabaliatti wurde mit der Aufgabe betraut, eine neue Kirche zu entwerfen.“ Vom mittelalterlichen Gotteshaus blieb nur der 1517-18 erbaute Turm erhalten. Doch nun entbrannte ein heftiger Streit über die Notwendigkeit eines Chores beim Kirchbau. Der Verzicht auf einen Chorraum basierte auf einer Aussage von Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz, der geäußert hatte, „weil die reformierte Gemeinde keines Chores bedürfe“. Dagegen wehrte sich die katholische Seite. Eine Kirche müsse auch einen Chorraum haben, um bei einer möglichen Vereinigung der Religionen allen dienen zu können, war deren Begründung.
Schließlich wurde der Neubau der Kirche mit Langhaus und Chor am 22. Januar 1754 vergeben und Baumeister Rabaliatti stellte drei Monate später die Pläne vor. Franz Wilhelm Rabaliatti, der aus Italien stammte, arbeitete in der Kurpfalz vorwiegend für die Jesuiten; er war auch am Bau der Mannheimer Jesuitenkirche beteiligt.
In die Kirche von 1755 wurde die Orgel der Notkirche eingebaut. Aber obwohl sie zuvor umgebaut und erweitert worden war, genügte sie auf Dauer nicht den Ansprüchen. 1785 konnte beim Orgelbauer Johann Michael Stumm II. in Rhaunen-Sulzbach eine neue Orgel in Auftrag gegeben werden. Am Kerwesonntag, dem 27. August 1786, wurde sie eingeweiht. Nachdem sie in der Zwischenzeit wenige Male restauriert worden ist, gilt sie noch heute als Schmuckstück und wird von anerkannten Orgelvirtuosen gern bespielt. Als nach dem Einfluss Frankreichs durch die Expansionspolitik Napoleons die Pfalz zu Bayern kam, setzten sich auch in unserem Gebiet die Zusammenschlüsse von konfessionellen Gemeinschaften (Unionen) durch. So wurde 1817 die Union von Reformierten und Lutheranern vollzogen. „Im August 1818 tagte die Synode in Kaiserslautern und legte das Fundament einer Unionskirche, die sich protestantisch-evangelisch-christliche Kirche nannte.“
Bauwerk
Städtebaulich hebt sich der massige, mittelalterliche, spätgotische Turm mit spitzer Bekrönung deutlich im Ortsbild hervor. Die Kirche ist ein Zeugnis künstlerischen Schaffens und handwerklichen Wirkens der Vergangenheit. Insbesondere der mittelalterliche Turm ist ein kennzeichnendes Merkmal im Ortsbild der Gemeinde Mutterstadt. An der Erhaltung und Pflege besteht aus wissenschaftlichen, künstlerischen und städtebaulichen Gründen sowie zur Förderung des geschichtlichen Bewusstseins ein öffentliches Interesse. Die wissenschaftlichen und künstlerischen Gründe ergeben sich insbesondere aus der geschichtlichen Vergangenheit und den Ausstattungsstücken der Kirche. Der Kirchturm und die 1754/55 erbaute Kirche bilden die Einheit, die 1985 unter Denkmalschutz gestellt worden ist. Es ist erstaunlich, dass der Turm der protestantischen Kirche, 1517 errichtet, nun über 500 Jahre alt und damit ältestes Bauwerk von Mutterstadt ist. An den Turm als ältesten Bauteil der Kirche schließt sich der spätbarocke Saalbau von drei Fensterachsen Länge mit einem Chor im Fünfachtelschluß an. Der Bau wird von einem kräftigen Satteldach abgedeckt. Die Fenster sind rundbogig mit betontem Kämpfer und Scheitelsteinen.
Das Portal befindet sich auf der Westseite in der Mittelachse als Zugang von der Turmvorhalle her. Seitenportale befinden sich auf beiden Längsseiten, jeweils in der Mitte des entsprechenden Fassadenabschnittes. Sie bestehen aus verkröpften Pilastern mit Korbbogenabschluß. Auf der Nordseite befindet sich im Scheitelstein die Jahreszahl 1754. Inschriften am Turm der Kirche. Die eine, in eine graue Sandsteinplatte über dem Spitzbogentor eingemeißelt, besagt, dass der Turmbau am Sankt Medardstag des Jahres 1517 begonnen worden ist. Auf der zweiten Inschrift, im Inneren des Turmes, ist zu lesen: Anno 1707, den 30. Mai, ist die Kirche den Reformierten zuteilgeworden.
Die Spitze des Turmes der protestantischen Kirche ziert ein Hahn, der etliche Stürme erlebt hat! Ein solcher, ein gewaltiger Sturm fegte in der Nacht vom 22. auf den 23. November 1930 über Mutterstadt hinweg. Er war von solcher Heftigkeit, dass er den Hahn vom Turm riss und diesen erheblich beschädigte. Es war unumgänglich: Ein neuer Hahn musste her! Das Werk war schließlich so meisterlich vollendet, dass dem Hahn auf der Kirchturmspitze auch jegliche Drehung nach dem Wind gelingen sollte. Nachdem der Hahn auf seinen hohen Standort befördert worden war, wurde er allseits bewundert. Und da nun an der Arbeit nichts auszusetzen war, breiteten die Neider das Gerücht aus, der Hahn drehe sich nicht. Tatsache war, dass der Hahn schon längere Zeit nach einer Richtung sah. Jedoch nur so lange, als der Wind aus dieser Richtung wehte. Dann aber drehte der Wind und kam aus einer anderen Richtung. Und siehe da: Der Hahn drehte sich auch und die Bewunderer dieser meisterlichen Arbeit blickten stolz nach oben.
Für Mutterstadt hat Pfarrer Fuchs dadurch besondere Bedeutung erlangt, als unter seiner Leitung 1927/28 das protestantische Gemeindehaus – heutiges Jakob-Fuchs-Haus – errichtet wurde. Neben Wohnungen für Gemeindeschwestern und den Hausmeister im Obergeschoss befanden sich im Erdgeschoss Säle für den Kindergarten. Der sich anschließende „große Saal“, der im Sommer 1928 seiner Bestimmung übergeben worden ist, blieb 70 Jahre lang Mutterstadts einziger Saal für größere kulturelle Veranstaltungen.
Innenraum
Der flachgedeckte Innenraum besitzt eine umziehende Hohlkehle und eine ausgeprägte Empore auf einfachen Stützen mit geschwungenen Brüstungen. Die Decke selbst ist von Stuckrahmen mit nach innen abgerundeten Ecken gegliedert. Im Mittelfeld befindet sich ein Deckengemälde mit dem letzten Abendmahl von 1755, ausgeführt von Johann Daniel Seitz. Instandsetzungen von 1830/31 und 1908 haben große Teile der Originalsubstanz angegriffen. Wichtigstes Ausstattungsstück ist die Kanzel von 1755, ebenfalls von Johann Daniel Seitz, bestehend aus einem achtseitigen Korb mit geschnitzten Rokokoornamenten. Das Orgelgehäuse von 1786 stammt von der Orgelbauerfamilie Stumm. Als weitere Ausstattungsstücke seien noch erwähnt an der inneren Südwand des Langhauses der Grabstein für den Pfarrer Johann Engel von 1688 sowie Abendmahlskelche von 1662 und 1752, ebenso ein Almosenteller von 1816. 1819 lebten in Mutterstadt 2.351 Einwohner, davon 656 Katholiken, 1.620 Protestanten (durch die Union vereinte Reformierte und Lutheraner) sowie 75 Juden.
Glockenturm
Nachdem auch im Zweiten Weltkrieg zwecks Umwandlung zu Kriegsmaterial die Glocken, bis auf die kleinste, vom Staat eingezogen worden waren, konnte dank zahlreicher Spenden 1952 ein neues Geläute in Auftrag gegeben werden. Drei größere Gussstahlglocken und zwei kleinere Bronzeglocken, alle fünf von Friedrich-Wilhelm Schilling, Heidelberg, gegossen, hängen seitdem auf dem Kirchturm, dem alten Wehrturm von 1517, und ergeben „ein klangschönes und musikalisch-interessantes Fünfglockengeläute. Nach Korrekturen im Jahr 1975 … ist jede Glocke gut hörbar… Neben den Einzelglocken und dem Plenum aller Glocken, ertönen auch Teilmotive in Dur und Moll … je nach dem Anlaß, zu welchem geläutet wird.“
Die fünf Glocken tragen jeweils einen Namen und eine Inschrift:
1. Glocke: „Gnade“ – „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade.“
2. Glocke: „Friede“ – „Christus ist unser Friede.“
3. Glocke: „Glaube“ – „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“
4. Glocke: „Liebe“ – „Alle eure Dinge lasset in der Liebe geschehen.“
5. Glocke: „Hoffnung“ – „Die auf den Herrn hoffen, werden nicht fallen, sondern ewig bleiben.“
Ausbau der Pfarrgemeinde
Angesichts der Prognose, dass in Mutterstadt einmal mit 8.000 Protestanten zu rechnen sei, hielten die Teilnehmer an dieser Besprechung die Schaffung eines protestantischen Gemeindezentrums im Neubaugebiet für erforderlich. Dies beinhaltete den Bau eines Kindergartens mit vier Gruppen, eines Pfarrhauses bzw. einer Pfarrwohnung für die zweite Pfarrstelle, eines Gemeindesaales, der gleichzeitig als Gottesdienstraum für 130 bis 150 Personen nutzbar sein sollte. Der Bau einer zweiten Kirche war zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegeben worden, allerdings wollte man zunächst die allgemeine Entwicklung abwarten. In dieser Zeit konnte am 19. August 1974 nach knapp einjähriger Bauzeit der Kindergarten als protestantischer Kindergarten 2 bezogen werden. Fünf Jahre vorher, nämlich 1969, war der protestantische Kindergarten 1 in der Unteren Kirchstraße eröffnet worden. Pfarrer Moll war es auch, der die Renovierung der Orgel in den Jahren 1970/71 vorantrieb und schließlich 1978 bis 1980 die durchgreifende Kirchenrestaurierung nach Maßgabe größter Originalität der Kirche von 1755 auf den Weg brachte. Ab 1973, also mitten in Herbert Molls Amtszeit, verfügten die Protestanten nun über zwei Pfarrbezirke, folglich auch über zwei Pfarrer. Die Arbeit wurde dadurch geteilt, aber sicher nicht einfacher. Im Jubiläumsjahr 2017 heißen die beiden protestantischen Pfarrer Knut Trautwein (seit 2005 für den Pfarrbezirk 2) und Heiko Schipper (seit 2008 für den Pfarrbezirk 1). Das gemeinsame Pfarrbüro liegt beim Wohnsitz von Heiko Schipper in der Luitpoldstraße, wo die Geschäftsführung Knut Trautwein innehat. Mit zahlreichen Chören, Arbeitsgruppen sowie Gesprächsgruppen und vielem mehr ist die Protestantische Kirchengemeinde gut aufgestellt. „Die Stimme“, die viermal pro Jahr erscheinende Informationsschrift, legt Zeugnis ab von einer lebendigen Gemeinde. Für diese Lebendigkeit sorgen nicht nur die Hauptamtlichen, sondern ebenso die vielen ehrenamtlich tätigen Gemeindeglieder. Auch beim Feiern übertreffen sich die Mutterstadter immer wieder. So auch beim Gemeindefest „Unter der Linde“. Mit dem Symbol der Linde lädt die protestantische Kirchengemeinde ein, und im Schutz und Schatten des 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg gepflanzten Baumes, der „Friedenslinde“, versammeln sich nicht nur Protestanten, nicht nur Christen zum gemeinsamen Feiern. Laut Einwohnerstatistik vom 31. Dezember 2016 zählt Mutterstadt 4.066 Protestanten, das entspricht 30,89% der Bevölkerung.
Kulturdenkmal
Die protestantische Kirche in Mutterstadt wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Rhein-Pfalz-Kreis geführt (Stand 2024). Der Eintrag lautet:
„Prot. Pfarrkirche Untere Kirchstraße
spätbarocker Saalbau, 1754/55, Arch. Franz Wilhelm Rabaliatti; drei Untergeschosse des spätgotischen Wehrturms bez. 1517 und 1518; Ausstattung; Orgel, 1785/86 von Johann Michael Stumm II., Rhaunen-Sulzbach“.
(Zusammengestellt von Michael Ceranski, Historischer Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, 2024)
Internet
www.prot-kirchengemeinde-mutterstadt.de: Willkommen auf der Homepage der prot. Kirchengemeinde Mutterstadt! (abgerufen 20.01.2025)
de.wikipedia.org: Evangelische Kirche (Mutterstadt) (abgerufen 20.01.2025)