Naturräumliche Charakteristika
Das Heidmoor zeichnet sich durch eine vielschichtige Moorstruktur aus. Im zentralen Bereich findet sich Hochmoortorf, während die umgebenden Areale von Niedermoortorfen geprägt sind. Die Landschaft weist deutliche Höhenunterschiede auf, bedingt durch Insellagen, Moorrandbereiche und höher gelegene Hochmoorbereiche. Geologische Untersuchungen haben eine vielschichtige Entwicklungsgeschichte offenbart. Im Atlantikum und Subboreal existierte hier ein großer Restsee (Schwabedissen 1958). Der Niederungsbereich wird zudem von der Trave durchflossen. Die Schichtenfolge an einem archäologischen Fundplatz zeigt eine Abfolge von vererdeter Torfschicht, Schilftorf, Bruchwaldtorf, Schwemmtorf, Farntorf und Gewässerablagerungen (Mudden), unterbrochen von Sandlagen (Bokelmann 1994). Diese Strukturen verdeutlicht die dynamische Entwicklung des Moores über Jahrtausende hinweg.
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Archäologische BedeutungDas Heidmoor stellt eine archäologische Fundregion von außerordentlicher wissenschaftlicher Bedeutung dar. Diverse Fundstellen dokumentieren eine kontinuierliche menschliche Besiedlung vom frühen Mesolithikum bis in das späte Neolithikum. Zusammen mit den hervorragenden Erhaltungsbedingungen für organische Materialien und der weitgehenden Unversehrtheit der Siedlungsbefunde stellt es ein einzigartiges Archiv der Vorgeschichte dar.
Besonders hervorzuheben ist ein mehrphasiger Fundplatz am südlichen Rand des Gebiets (Seedorf LA 296). Hier wurden spätmesolithische Steinartefakte sowie ein Aktivitätsareal der Ertebølle/Ellerbek-Kultur mit Brandstellen und reichhaltigem Knochenmaterial entdeckt (6200-4100 v. Chr.). Darunter fanden sich Spuren des frühen Mesolithikums mit Mikrolithen, denen noch Reste von Schäftungspech anhaftete (9600-6200 v. Chr.; Bokelmann 1994).
Darüber hinaus ist eine jungsteinzeitliche Fundstelle im nordöstlichen Randbereich des Moores von besonderer Bedeutung (3000-2350 v. Chr.; Seedorf LA 246). Hier wurde eine mehrphasige Siedlungsstelle von 50 mal 30 Metern Ausdehnung entdeckt. Ausgrabungen brachten Hauspfähle, Herdstellen, Tier- und sogar Menschenknochen sowie allerhand weitere Artefakte der Trichterbecherkultur, des Mittelneolithikums und der Glockenbecherkultur zutage (4100-2350 v. Chr.; Schwabedissen 1958, Clausen 1996, Ewersen 2001).
Die Überlagerung von Funden der Trichterbecher-, Einzelgrab-, Kugelamphoren- und Glockenbecherkultur, ergänzt durch Relikte des Früh- und Spätmesolithikums, eröffnen die einzigartige Möglichkeit, kulturübergreifende Fragestellungen der Steinzeit mittels detaillierter Untersuchungen umfassend zu erforschen. Und das Forschungspotenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. So weisen Hinweise auf weitere steinzeitliche Fundstellen, vor allem am Ost- und Südrand des Moores, auf die Möglichkeit hin, im Heidmoor weitere bedeutende Fundstellen zu entdecken und untersuchen.
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Kulturlandschaftliche Entwicklung und HerausforderungenDie archäologische Bedeutung des Heidmoores wurde in der Vergangenheit durch unzureichend abgestimmte Renaturierungsmaßnahmen gefährdet. Ein besonders gravierender Vorfall ereignete sich 1993, als im Zuge geplanter Wiedervernässungsmaßnahmen Entwässerungsgräben zugeschüttet und ohne vorherige Beteiligung der Bodendenkmalpflege wieder geöffnet wurden. Dabei wurde die bedeutende neolithische Siedlung von Seedorf LA 246 stark beschädigt. Dieser Vorfall unterstreicht die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit dieser wertvollen Kulturlandschaft und die konsequente Einbindung der archäologischen Denkmalpflege in alle Maßnahmen.
Die Herausforderung besteht nun darin, den außerordentlichen archäologischen Reichtum des Heidmoores langfristig zu sichern und gleichzeitig den Zielen des Natur- und Klimaschutzes Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die ab 2024 geplanten Wiedervernässungsmaßnahmen im Heidmoor, die dazu beitragen sollen, die CO2-Emissionen aus dem entwässerten und bisher landwirtschaftlich genutzten Feuchtgebiet zu reduzieren. Eine bessere Abstimmung zwischen Naturschutz-, Landwirtschafts- und Denkmalschutzbehörden ist dabei unerlässlich, um zukünftige Konflikte zu vermeiden und das archäologische Erbe zu bewahren. Nur durch einen integrierten Entwicklungsansatz, der die archäologische Bedeutung des Gebietes berücksichtigt, kann das Heidmoor als einzigartiges Archiv für die zukünftige Forschung erhalten werden.
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(Tobias Reuter, Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein, 2024)Quelle
J. Ewersen, Die Tierknochenfunde aus der neolithischen Siedlung Heidmoor, Kr. Segeberg, unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftshistorischer Aspekte. Dissertation Kiel 2001.
Internet
de.wikipedia.org: Heidmoor (Naturschutzgebiet) (abgerufen 18.11.2024)
schleswig-holstein.nabu.de: NABU-Naturschutzgebiet Heidmoor. Rest des Talmoorkomplexes an der Trave (abgerufen 18.11.2024)
www.naturpark-holsteinische-schweiz.de: Naturpark Holsteinische Schweiz (abgerufen 18.11.2024)