Gründung und frühe Nutzung
Architektur und künstlerische Elemente
Historische Bedeutung
Säkularisation und spätere Nutzung
Restaurierung und heutige Nutzung
Kulturelle Bedeutung
Gründung und frühe Nutzung
Die Kapelle wurde um 1220 unter Abt Hermann errichtet, zeitgleich mit dem Bau eines monumentalen zweistöckigen Weinkellers, der die wirtschaftliche Basis des Marienstätter Hofes stärkte. Die Kapelle wurde wahrscheinlich als Sakralraum für die Bewohner und Besucher des Hofes genutzt und trug wesentlich zur spirituellen Infrastruktur der Abtei bei. Sie wird erstmals 1215 in einer Urkunde erwähnt, die den Hof „Hirzberg“ als Eigentum der Abtei bestätigt.
Architektur und künstlerische Elemente
Die Kapelle vereint Elemente der Romanik und der Gotik, was sie zu einem seltenen Beispiel für den architektonischen Übergang zwischen diesen Stilen macht. Der Innenraum wird von zwei massiven gotischen Holzsäulen geprägt, die die Decke stützen und den Eindruck einer dreischiffigen Halle vermitteln. Diese Säulen, deren Holz dendrochronologisch auf das Jahr 1298 datiert wurde, sind handwerklich präzise gearbeitet und ein Zeugnis mittelalterlicher Bautechniken.
Bemerkenswert sind die Wandmalereien, die während der Restaurierung in den 1970er Jahren entdeckt wurden. Rote und ockerfarbene Rauten- und Quadratmuster, abgesetzt mit Punktlinien, deuten auf eine Entstehung in der späten Romanik hin. Weitere Entdeckungen, wie eine Nische für ein Lavabo (Handwaschbecken) und gotische Fensterrahmen, geben Einblick in die ursprüngliche Nutzung und Gestaltung des Raumes. In der nachfolgenden Tabelle sind die wichtigsten Elemente aufgeführt:
Abbildung in der Mediengalerie | Element | Beschreibung | Entstehung |
Abbildung 3a, b | Gotische Holzsäulen | Zwei massive Holzsäulen, die die Decke stützen und eine dreischiffige Halle bilden. | Um 1298 |
Abbildung 4 | Wandmalereien | Rauten- und Quadratmuster in Rot und Ocker, abgesetzt mit Punktenlinien. | Späte Romanik (13. Jh.) |
Abbildung 5 | Gotische Fensternichen | Spitzbogige Oberteile von Fensternischen, mit ähnlicher Bemalung wie die Chorbögen. | Übergang Romanik-Gotik (13. Jh.) |
Abbildung 6 | Triumphbogen zum Chor | Mit altertümlicher Bemalung, möglicherweise ursprünglicher Bestandteil der romanischen Kapelle. | 13. Jahrhundert |
Abbildung 7 | Lavabo | Wandnische im Chor mit zwei eingelassenen Becken für die Handwaschung. | Spätmittelalter (13.–14. Jh.) |
Abbildung 8 | Spitzbogige Wandnische | Große Nische in der Ostwand, möglicherweise zur Aufbewahrung von Altargeräten. | Um 1300 |
Abbildung 9 | Kaminnische | Große Nische in der Südwand, möglicherweise für Heizzwecke, was außergewöhnlich ist. | Spätmittelalter (ca. 14. Jh.) |
Abbildung 10 | Fensterbänke | Gemauerte Sitzflächen unter den Fenstern in der West- und Nordwand. | Mittelalterlich, genaues Datum unbekannt |
Abbildung 11 | Gotischer Flügelaltar | Spätgotischer Altar mit plastischen Figuren, heute in der St.-Annen-Kapelle in Breitscheid. | 1487–1500 |
Abbildung 12a, b, c | Buntglasfenster | Moderne Fenster mit figürlichen Darstellungen, darunter „Zöllner und Pharisäer“ und „Lazarus“. | 1973–75 (nach Entwürfen von Heinz Hindorf) |
Abbildung 13 | Orgelpositiv | Moderne Orgel mit drei Registern und einem Manual.. | Nach 1983 |
Abbildung 14 | Bronzeglocke | Glocke mit der Inschrift „Ich werde Euch tragen bis ins Alter“ (Jesaja 46:4). | 1985 |
Historische Bedeutung
Die Kapelle spielte eine zentrale Rolle in der Geschichte der Abtei Marienstatt. Während der Pest von 1490 diente sie als Zufluchtsort für die Mönche, die dort eine Abtswahl abhielten. Ihre Ausstattung umfasste ein Chorgestühl, eine Abtstele und einen Altar, dessen Teile heute in verschiedenen Kirchen der Region zu finden sind. Der spätgotische Flügelaltar, geschaffen vom Kölner Bildhauer Tilman van der Burch, ist ein herausragendes Kunstwerk, dessen Hauptteil sich in der St.-Annen-Kapelle in Breitscheid befindet.
Säkularisation und spätere Nutzung
Mit der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlor die Kapelle ihre religiöse Funktion und wurde profaniert. Sie diente unterschiedlichen Zwecken, darunter als Jagdzimmer, Kunstgalerie, Heulager und Speisesaal eines Kurhotels. Diese vielfältige Nutzung führte zu baulichen Veränderungen, ohne jedoch den Kern des Bauwerks zu zerstören.
Restaurierung und heutige Nutzung
In den Jahren 1973 bis 1975 wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten unter der Leitung des Architekten Erich Thomas durchgeführt. Diese Arbeiten brachten nicht nur die ursprünglichen Malereien und architektonischen Details zum Vorschein, sondern bestätigten auch das hohe Alter der Kapelle. Die Restaurierung umfasste die Wiederherstellung des ursprünglichen Raumcharakters und die Ergänzung moderner Elemente wie eines Traubenfrieses und Buntglasfenstern.
Heute dient die Kapelle als Gottesdienstraum des Altenheims „Johanniterhaus Rheinwaldheim“ und wird regelmäßig für ökumenische Gottesdienste genutzt. Ihre Lage abseits der Rheinschiene hat sie vor Zerstörungen bewahrt, und sie ist eines der ältesten erhaltenen Sakralgebäude in Rheinbrohl.
Kulturelle Bedeutung
Die Zisterzienser-Kapelle ist nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch ein Zeugnis für die architektonische und kulturelle Kontinuität in der Region. Ihre Restaurierung und Nutzung unterstreichen die Bedeutung des Denkmalschutzes und machen sie zu einem wichtigen Bestandteil des regionalen kulturellen Erbes.
Kulturdenkmal
Die Marienstätter-Kapelle ist unter Denkmalschutz gestellt. Sie wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Kreis Neuwied (Stand 09.02.2023, dort S. 59) geführt. Der Eintrag lautet:
„(in) Arienheller 16, im Ostflügel des ev. Altenheims ehem. Zisterzienserkapelle, Reste eines Massivbaus mit Kreuzstockfenstern, 16. Jh., neugotischer Erker, kleiner Kapellenchor.“
(Urs Exner, Rheinbrohl, 2025)