Geschichte
Obere Pforte
Ortskernsanierung
Das Gemeindezentrum „Neue Pforte“
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Geschichte
Um das Werden unseres Dorfes zu verstehen; müssen wir seinen ältesten Kern, das alte Unterdorf, näher betrachten. Rathaus und Kirche samt Kirchengut und die zwischen beiden sich ausbreitende länglich runde Fläche, der alte Dorfanger, werden von zwei weit ausholenden Dorfstraßen, der Oggersheimer Straße und der Luitpoldstraße, im Bogen umfasst. An der Außenseite dieser Straßen reihten sich seit alters die Bauernhöfe. Das frühe Unterdorf war mit einer Umwallung umgeben, in der sich zwei Torhäuser befanden. Das obere Torhaus (Oberpforte) am Eingang Oggersheimer Straße und das untere Torhaus (Unterpforte) an der Kreuzung Luitpoldstraße Oggersheimer Straße. Obwohl das Dorf im Laufe der Zeit weit über die alte Umwallung hinausgewachsen war, behielt man diese und insbesondere die beiden Torhäuser doch bei.
Obere Pforte
Ein gütiger Zufall hat uns eine Darstellung der oberen Pforte nach ihrem Zustand um das Jahr 1750 erhalten (siehe Abbildung in der Mediengalerie). Der Beschauer nimmt seinen Standpunkt auf dem alten Speyerer Weg. Da sieht er vor sich das mächtige Torhaus, trutzig flankiert von zwei Türmen; zur Rechten von einem bescheidenen viereckigen, dessen Spitze den Dachfirst des Torhauses nicht überragt; zur Linken von einem größeren, der auf der Höhe des Daches des Torhauses zur achteckigen Form übergeht und von einem zwiebelförmigen Helm bekrönt wird. Zur Rechten schließt sich an den kleineren Turm eine längere Mauer mit Schießscharten an, über die einige Häuser lugen; ebenso gucken zur Linken des größeren Turms zwei Häuser hervor. Über die Mitte des Torhauses herüber grüßt uns der Kirchturm. Das Torhaus selbst umschließt das Tor. Zur Linken des Tores, wo der Unterbau des flankierenden Turms mit dem Torhaus einen zusammenhängenden Trakt darstellt, sieht man sechs fensterartige Öffnungen im Mauerwerk, drei kleinere im Erdgeschoss und drei breitere im Obergeschoss; zur Rechten des Tores nur je eine im Erd- und Obergeschoss, da sich hier das Türmchen mit seinen beiden länglichen Maueröffnungen in Höhe des Obergeschosses schärfer abhebt.
Die ursprünglich zum Aufenthalt der Wächter bestimmten Räume im Obergeschoss wurden schon 1766 als Wohnung um jährlich 5 fl vermietet. Der Turm auf der Westseite dürfte in alter Zeit ein »Schauinsland« gewesen sein. Der auf der Ostseite war wohl Strafturm. Laut mündlicher Überlieferung stand an der Oberpforte der Pranger. Es war dies ein hoher Pfosten, an dem in Meterhöhe ein Standplatz war. Darauf wurde der vom Dorfgericht hierzu Verurteilte gestellt, ihm um Hände, Hals und Füße runde Eisen gelegt und der so Gefesselte dem Spotte und der Verunehrung der Vorübergehenden ausgesetzt. Im Erdgeschosse des Turms befand sich wohl die „Betzenkammer“, das Gefängnis. Ihrer bediente sich das Dorfgericht besonders bei Felddiebstählen; dabei wurde eine Handvoll der Früchte, die der Frevler entwendet hatte, an die Tür gehängt. Die „Betzenkammer“ erfreute sich regen Zuspruchs. In den Revolutionskriegen wurde die obere Pforte erneut als Wachlokal benützt; seit 1794 diente sie also wieder ihrem ursprünglichen Zwecke. Doch die Zeit solcher Anlagen war vorüber. 1804 berichtete die Mairie (= Bürgermeisterei) Mutterstadt, dass die untere Pforte einzustürzen drohe. So riss man sie, denn im Frühjahr 1807 ab und versteigerte die Materialien und mit den Türflügeln der unteren Pforte auch gleich die sinnlos gewordenen der oberen. Am 7. September 1810 wurde dann auch das Oberpfortengebäude an Georg Adam Wentz und Michael Weher auf Abbruch versteigert. Aus den von der Gemeinde in beiden Fällen vereinnahmten Summen ergibt sich, dass die untere Pforte weniger ausgedehnt war als die obere. Der Zugang zum alten Unterdorfe erfolgte jedoch nach wie vor über die Dorfgrabenbrücken an den zwei ehemaligen Pforten.
Ortskernsanierung
Mit Kaufvertrag vom 16. September 1959 erwarb die Gemeinde das Bahnhofsgebäude der Lokalbahn. Nach Instandsetzung und Renovierung wurde am 9. Januar 1961 im ehemaligen Wartesaal die Volksbücherei eröffnet, die bis 1970 das Bahnhofsgebäude nutzte. Im Jahre 1971 startete die Ortskernsanierung mit dem Abriss der Bauernhöfe und Geschäftsanwesen samt ehemaligem Landratsamt in der Oggersheimer Straße und Ludwigshafener Straße und schon 1972 entstand dort ein neues Geschäfts- und Ladenzentrum. 1974 erfolgte der Abriss des Lokalbahnhofes, an dessen Stelle 1977 das Gemeindezentrum „Neue Pforte“ entstand.
Das Gemeindezentrum „Neue Pforte“
Bei der Neuen Pforte handelte es sich um einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu der schon seit Beginn der 1960er Jahre für notwendig erachteten Umgestaltung und Modernisierung des Mutterstadter Ortskerns, der sich – nach Ansicht des Gemeinderats – „in einem schlechten Bauzustand“ befand und daher saniert werden musste. Die zu diesem Zweck zu ergreifenden Maßnahmen sollten „eine Klammer zwischen den alten Ortsteilen und den neuen Wohnbaugebieten Richtung Neustadt a. d. Weinstraße schaffen und dabei das Ortszentrum an der Straßenkreuzung der B9/B38 belassen“. Der Mutterstadter Architekt Detlef Brozach, dem der Gemeinderat Ende November 1973 den Auftrag zum Bau des neuen Gemeindezentrums erteilt hatte, erklärte anlässlich der Eröffnung der Neuen Pforte 1977, dass er mit dem von ihm gestalteten Komplex den Wünschen der Kommune habe entsprechen können. Auf dem von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Areal zwischen der Oggersheimer und der Ludwigshafener Straße sei ein neuer Ortsmittelpunkt entstanden, der Anschluss finde „an den mittelalterlichen Ortskern rund um die Prot. Kirche“, sich also am historischen Vorbild orientiere. Auf Historisierung sei jedoch verzichtet worden. Man habe demzufolge nicht versucht, historische Bauformen nachzubilden, sondern sich stattdessen auf die Gestaltungsmittel besonnen, die in vergangenen Jahrhunderten üblich gewesen seien. Dazu gehöre „räumliche Platzbildung, Lebendigkeit der Bauformen, Plastizität der Details, Maßstäblichkeit des Bauvolumens, Bewegung der Dachlinien“. Realisiert habe man diese historischen Vorstellungen dann aber nicht mit traditionellen, sondern mit modernen Materialien wie Glas für das pyramidenförmige Dach, Aluminium, Beton und Stahl. Fortan stehe den Mutterstadtern ein „dreiseitig umschlossenes Forum“ inklusive einer „lebendig gestaltete[n] Fußgängerpassage mit Treppen, Behindertenrampen, Wasserspielen, Gartenbänken und Pflanzenelementen“ zur Verfügung, das an die mittelalterliche Randbebauung anknüpfe, sich also gut ins Ortsbild einfüge.
Die Grundsteinlegung für den 4,6 Millionen DM teuren Bau erfolgte am 9. Mai 1976 in Gegenwart von 100 geladenen Gästen und interessierten Mutterstadter Bürgern. Die Einwohner Mutterstadts waren im Übrigen auch an der Namensgebung ihres neuen Gemeindezentrums beteiligt. Wer wollte, konnte seinen Vorschlag der Gemeindeverwaltung zukommen lassen. Dort wurden die Anregungen gesammelt, über die der Gemeinderat am 29. März 1977 schließlich entschied. Die Idee, die die meisten Stimmen auf sich vereinigte, erhielt einen Preis von 300 DM. Der zweitplatzierte Vorschlag bekam 200 und der dritte 100 DM. Insgesamt gingen etwas über 100 Ideen ein. Am Ende siegte der Vorschlag Neue Pforte. Diese Idee ging auf ein Stück Mutterstadter Geschichte des 13. Jahrhunderts zurück. Aus „An der Pforte“ von 1259 wurde 1977 die „Neue Pforte“.
In unmittelbarer Verbindung zur Neuen Pforte stand das bereits 1972 errichtete Geschäfts- und Ladenzentrum. Architekt Brozach hatte, da das neue Gemeindezentrum unmittelbar an das Einkaufscenter anschloss, die Aufgabe, nicht nur die historisch gewachsenen Bauwerke in der Umgebung des Bauplatzes in seine Planungen miteinzubeziehen, sondern auch die Architektur des Ladenzentrums zu berücksichtigen. Das am 28. September 1972 offiziell eröffnete Center beherbergte unter anderem den Coop-Supermarkt Kurpfalz sowie die Drogerie Laub, deren ursprüngliches Geschäftshaus, zusammen mit anderen Anwesen, darunter dem früheren Landratsamt, der Reinigung Schulz, dem Milchgeschäft Keck sowie landwirtschaftlichen Gebäuden, abgerissen worden war, um Platz für das neue Geschäftszentrum zu machen. Ebenfalls weichen musste in der Folgezeit der ehemalige Bahnhof der bereits in den 1950er Jahren stillgelegten Lokalbahn. Dieses Vorgehen, das die Verantwortlichen Mutterstadts im Herbst 1970 noch als fortschrittlich empfanden, wurde im Nachhinein von manchem als Fehler gewertet. Es zeigte sich nämlich, dass das Einkaufszentrum auf die Dauer nicht den gewünschten geschäftlichen Erfolg nach sich zog und im Laufe der Zeit auch nicht mehr als architektonisch ansprechend angesehen wurde. Heute beherbergt die neue Pforte einen Veranstaltungsraum, eine Gemeindebibliothek und eine Jugendpforte.
(Robert Liebhart, Historischer Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, 2024)
Internet
www.mutterstadt.de: Gemeindezentrum „Neue Pforte“ (abgerufen 27.11.2024)
www.gemeindebibliothek-mutterstadt.de: Gemeindebibliothek Mutterstadt (abgerufen 27.11.2024)
www.jugendpforte-mutterstadt.de: Jugendpforte Mutterstadt (abgerufen 27.11.2024)