Geschichte
1804 berichtete die Mairie (= Bürgermeisterei) Mutterstadt, dass die untere Pforte einzustürzen drohe. Um eine kostspielige Reparatur zu vermeiden, versteigert man 1807 das Gebäude auf Abriss an den Nikolaus Kuchenmeister. Die Türflügel gingen an den Bürger Adam Raparlie über. Und weil nun doch das Dorf offen stand, versteigerte man auch gleich die Türflügel der oberen Pforte; der Wirt Daniel Hené erwarb sie. Am 7. September 1810 wurde dann auch das Oberpfortengebäude an Georg Adam Wentz und Michael Weher auf Abbruch versteigert. Aus den von der Gemeinde in beiden Fällen vereinnahmten Summen ergibt sich, dass der Erlös der untere Pforte kaum den vierten Teil dessen war, was die obere Pforte einbrachte und somit deutlich weniger ausgedehnt war als die obere Pforte.
Der Wall um dass alte Unterdorf war längst verschwunden. In der französischen Zeit verfielen die Torhäuser der Ober- und Unterpforte. An der Unterpforte erstanden dann zwei kleinere Wohnhäuser, die die Durchfahrt allzu sehr beengten. Im Jahre 1864 erwarb die Gemeinde ein Häuschen und einen Hausplatz an der Unterpforte um 928 fl (Florentiner Gulden), wozu der Staat 312 fl zuschoss, riss das Häuschen ab und verbreiterte die Durchfahrt. Ursprünglich hatte das Unterdorf nur zwei Ausgänge. Da ersetzte man 1822 den Steg über den Dorfgraben am Ende der Hartmannstraße durch eine feste Brücke.
Letzte historische Hinweise
Ein Anwesen, direkt neben dem früheren „Unteren Tor“, gehörte erst dem Bauer Jakob Kissel und dann der Familie Raparlie, die das Haus den Spengler Christoph Becker für den Betrieb einer Wein- und Bierwirtschaft verpachtet hatte. 1886 übernahm dann der Kohlen- und Baustoffhändler Jakob Raparlie (1862-1907) den Wirtschaftsbetrieb. Wirtsnachfolger wurde dann dessen Sohn Philipp Raparlie (1888-1958), der um 1930 das prägnante Wirtshausschild „Zum Unteren Tor“ auf der Hausfassade aufmalen ließ: in roter Schrift auf ockerfarbenem Grund, eingerahmt von dunkelblauen Weintrauben. Verwandte der Familie Raparlie, Hans Weinacht und seine Frau Luise übernahmen dann 1958 die Bier- und Weinwirtschaft sowie daneben einen kleinen „Tante-Emma-Laden“. 1966 wurde die Wirtschaft geschlossen, einige Jahre später auch der Laden. Im Herbst 2018 wurde eines der letzten erhaltenen Fachwerkhäuser im Unterdorf abgerissen für einen Um- und Erweiterungsbau. Mit der Hausfassade an der Ecke Luitpoldstraße / Oggersheimer Straße verschwand auch das aufgemalte Wirtshausschild „Zum Unteren Tor“, das an die Mutterstadter Ortsgeschichte erinnerte.
(Robert Liebhart, Historischer Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, 2024)
Quellen
- ECHO Mutterstadter Nachrichten Nr. 7/Jahrgang 3
Internet
www.wochenblatt-reporter.de: Ein Wirtshausschild mit ortsgeschichtlichem Hintergrund - Historisches Wirtshaus „Zum Unteren Tor“ abgerissen (Beitrag vom 28. November 2018, abgerufen 29.10.2024)