Geschichte und Gestalt des Vorgängerbaus mit Pfarrhaus
Der Neubau 1934-36
Die Kirche in der Nachkriegszeit
Kulturdenkmal
Quelle, Internet
Geschichte und Gestalt des Vorgängerbaus mit Pfarrhaus
Nach der Reformation gab es in Mutterstadt keine Katholiken mehr. Erst um 1700 siedelten sich wieder die ersten katholische Familien an. Im Jahr 1744 wohnten 331 Bürger mit katholischem Glauben in Mutterstadt, was etwa einem Drittel der Einwohner entsprach. Diese forderten eine eigene Schule und eine eigene Kirche. Der Grundstein zur ersten Kirche wurde schon 1731 gelegt, doch verzögerte Geldmangel den Bau. 1754 war die Kirche dann vollendet. Nach dem Neubau der Kirche dauerte es noch über dreißig Jahre, bis es zur Wiedererrichtung einer katholischen Pfarrei in Mutterstadt kam. Die Stiftungsurkunde wurde am Medardus-Tag, dem 8. Juni 1784 vom Speyerer Fürstbischof Damian August Graf von Limburg-Styrum unterzeichnet. Ein „Gutthäter“ stiftete 6.000 Gulden für die Pfarrei und weitere 1.000 Gulden zum Bau eines Pfarrhauses. Der unbekannt bleiben wollende „Gutthäter“ und Stifter war der am 16. Januar 1726 in Mainz geborene und um den 12. Januar 1789 vermutlich in Speyer verstorbene Johann Karl Casimir Anton Graf von Stadion und Tannhausen, Domkapitular in Konstanz, Speyer, Trier und Würzburg, Propst des Stifts St. Maria ad Gradus in Mainz. Vor Mutterstadt hatte er bereits die Pfarreien Haßloch (1779), Iggelheim (1781) und Böbingen (1781) gegründet. Das Pfarrhaus wurde etwa an der Stelle des heutigen errichtet, nur stand es näher an der Speyerer Straße. 1786 wurde der Bau vollendet.
Um 1800 erwarb die katholische Kirche von der Unteren Pfarrkirche St. Sebastian, der ältesten Kirche Mannheims, die hölzernen Seitenaltäre, die sich noch heute in der Kirche befinden. In einer Nische zwischen zwei Säulen stehen jetzt links die Immaculata, rechts der Hl. Sebastian. Es gilt als sicher, dass sie um 1760 in der Mannheimer Schule des Hofbildhauers Paul Egell geschaffen wurden. Vermutlich stammt auch die Kanzel, die um 1730 datiert wird, aus dieser Schule. Die Seitenaltäre wurden 1852 renoviert. Im Jahre 1834 beantragte die Kirchengemeinde die Erweiterung ihrer Kirche, da die Zahl der Katholiken anstieg. Man sah vor, das bisherige Schiff um ein Fenster unter Beibehaltung der alten Dachhöhe zu verlängern, um Platz für 550 Kirchgänger zu gewinnen. Der achteckige Turm war baufällig geworden und drohte beim Läuten der Glocken einzustürzen, weil die vier hölzernen Hauptpfosten und einige Riegel verfault waren. Er sollte ausgebessert werden und ein neues viereckiges Dach bekommen. Um das Missverhältnis zwischen Höhe und Breite zu mildern, sollte eine kleine Vorhalle gebaut werden, wodurch auch der Haupteingang vor der Witterung geschützt werden sollte. Das Landeskommissariat in Speyer billigte die Pläne, machte jedoch die Errichtung eines steinernen anstelle des hölzernen Turmes zur Auflage. Anfang April 1836 wurde mit den Maurerarbeiten begonnen. Während der Bauarbeiten entschloss man sich, die Kirche um 7 Meter statt der vorgesehen 6 zu erweitern. Das machte es nötig, den Turm ganz vor das Kirchengebäude zu stellen. Durch den Turm führte der Eingang zur Kirche. Im Zuge der Baumaßnahmen wurden die Fenster teilweise neu verglast, die Kirche innen und außen neu gestrichen. Der Bau des Turmes, die Friedhofsmauer und der Ab- und Wiederaufbau der Orgel durch den Orgelbauer Georg Geib aus Frankenthal verursachten Mehrkosten in Höhe von 979 Gulden. Die Baukosten beliefen sich auf insgesamt 7.151 Gulden 16 Kreuzer. Die Kirche erhielt 1869 einen neuen Fußbodenbelag aus Platten. Gleichzeitig wurde das Dach ausgebessert. 1857/58 wurde die Orgel, die noch aus der alten Kirche stammte, für 1.365 Gulden, die aus Spenden aufgebracht wurden, durch den Orgelbauer Schlimmbach in Stand gesetzt und erweitert. Der neue Turm sollte 1839 eine neue Uhr bekommen, da die Reparatur der alten sich nicht mehr lohnte. Erst 1846 wurde eine neue Turmuhr bestellt. 1901 entschloss man sich, einen neuen Hochaltar anzuschaffen. Der Altarbauer Standenmayer aus Sussen in Württemberg schuf den Altaraufbau. 3.300 Mark waren dafür gespendet worden. Der Altar in seiner heutigen Fassung wurde im Zuge des Kirchenneubaus 1934 bis 1936 geschaffen. Der Altaraufbau von 1901 blieb erhalten. Der reich verzierte Tabernakel wurde durch einen schlichten ersetzt. Die früheren Heiligenstatuen wurden gegen die der Hll. Ignatius und Franz Xaver, die bisher auf dem Dachboden des Pfarrhauses gelagert waren, ausgetauscht. Vermutlich stammen auch sie aus der Unteren Pfarrkirche in Mannheim.
Die kleine Glocke war beim Trauergeläut für König Ludwig II. († 13.6.1886) unbrauchbar geworden, die größere im Bereich des Schlagrings zu stark abgenutzt, das heißt, es mussten neue Glocken angeschafft werden: Am 22.7.1886 unterschrieben Pfarrer Schrimpf und der Fabrikrath den Vertrag mit der Glockengießerei Hamm in Frankenthal für die Lieferung von drei Glocken. Sie wurden am 22. August gegossen und kosteten 3.436,80 Mark. Die Gemeinde bezahlte einen neuen eisernen Glockenstuhl. Ende September wurden die Glocken geliefert und feierlich vom Dekan aus Dudenhofen geweiht. Im August hatte auch die protestantische Kirchengemeinde drei neue Glocken vom gleichen Glockengießer erhalten. Als im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs das Metall für Kriegszwecke knapp wurde, wurden die Glocken – wie im ganzen Land – auch von den Mutterstadter Kirchtürmen herabgeholt. Am 20. Juli 1917 mussten die beiden leichteren der drei 1886 angeschafften Glocken abgeliefert werden, um Waffen daraus herzustellen. Die größere Glocke blieb erhalten. Nach dem Krieg wollte die Kirchengemeinde Ersatz für die im Krieg eingeschmolzenen Glocken. Die von der beauftragten Glockengießerei Hamm Ende 1921 gelieferten Glocken erwiesen sich als falsch gestimmt, eine davon wurde auch zu groß geliefert, so dass sie nicht in den Glockenstuhl gepasst hätte. In einem neuen Vertrag verpflichtete sich der Glockengießer, bei einem erneuten Fehlguss innerhalb von acht Wochen die Glocken umzugießen. Das Material hatte die Kirchengemeinde zu stellen. Es zu beschaffen, wurde zu einem Problem. Die BASF war bereit, 467 kg Rotguss (eine Kupferlegierung) und 70 kg Zinn zu einem Preis von 162.950.000 Reichsmark zu liefern. Weil dieses Material noch nicht ausreichte, wurde von der Gemeinde Dudenhofen im Juli 1923 eine Bronzeglocke hinzugekauft. Am Tage des Gusses im November wurde das Material geliefert. Am 9. Dezember 1923 weihte Bischof Sebastian das Geläut. Die evangelische Kirche hatte bereits 1922 ihre neuen Glocken erhalten. Die beiden Geläute waren klanglich aufeinander abgestimmt.
Der Neubau 1934-36
Ab 1923 war Alfons Schäfer Seelsorger in der Gemeinde. Er war außerordentlich beliebt. Ein großes Anliegen des neuen Pfarrers war die Innere Mission. In seinem Antrittsjahr wurden der katholische Arbeiterverein und die Marianische Jungfrauenkongregation gegründet. Auf Wunsch der Pfarrangehörigen wurde an Allerheiligen dieses Jahres die Friedhofprozession eingeführt. Das Pfarrgedenkbuch vermerkte bereits im Juni 1919, dass das Ordinariat auf Grund der gewachsenen Zahl der Gläubigen für Mutterstadt eine Frühmesse an allen Sonn- und Feiertagen genehmigte. Bei einem Besuch 1925 hatte sich der Bischof Ludwig Sebastian davon überzeugt, dass das Kirchengebäude trotz dieser zweien Messen am Sonntag für die auf fast 2.300 Seelen angewachsene Pfarrei nicht mehr ausreichte. Er regte an, eine neue Kirche zu bauen. Die Pfarrgemeinde nahm den Vorschlag mit Begeisterung auf. Der Neubau wurde zur größten Herausforderung der Katholiken in diesen Jahren. Im Dezember wurde ein Kirchenbauverein gegründet, der Gelder für den Neubau sammelte. Das Ordinariat stellte einen erheblichen Zuschuss in Aussicht, sobald die Kirchengemeinde den entsprechenden Platz besitze. Die Kirchenverwaltung stellte am 4. Februar 1928 einen Antrag an die Gemeindeverwaltung, das Gelände um die Kirche der Kultusgemeinde unentgeltlich oder wenigstens zu einem „mäßigen Preis“ zu überlassen. Das Gelände des früheren Friedhofs war 1856 nach langem Streit der politischen Gemeinde zugesprochen worden. Der Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung am 28. Mai 1828, das Gelände für 50 Pfennige pro m2 der Pfarrgemeinde zu verkaufen. Am 19. Januar 1930 wurde die Eigentumsübertragung notariell beurkundet und am 26. Februar vom Ordinariat genehmigt. Der Kaufpreis für die 0,115 ha belief sich auf 586,50 Reichsmark. Die Planung wurde nur zunächst zögerlich betrieben, weil Pfarrer Schäfer während der Weltwirtschaftskrise das Risiko scheute. Wieder war es der Bischof, der den entscheidenden Anstoß gab. Während eines Firmbesuches 1934 drängte er erneut auf die Verwirklichung des Kirchenbaus. Die von den Architekten Prof. Albert Boßlet, Karl Lochner (Ludwigshafen) und Emil Dietrich (Mutterstadt) angefertigten Pläne wurden sowohl von kirchlichen als auch staatlichen Behörden ohne große Veränderungen genehmigt. Die Kosten wurden auf 102.000 RM geschätzt. Der Auftrag wurde an die Mutterstadter Unternehmer A. Rief & Söhne sowie Ludwig Unold vergeben. Am 16. Dezember, dem dritten Adventssonntag, legte der Bischof in Anwesenheit zahlreicher Gäste aus Regierung und Kirche, des Bürgermeisters, des gesamten Gemeinderates, des evangelischen Pfarrers und zahlreicher Gläubiger den Grundstein. Da kein Geld mehr für Turm und Glocken vorhanden war, wurde auf den Giebel des hinteren Daches ein Zwiebeltürmchen mit einer kleinen Glocke aufgesetzt. Am 20. August 1935 wurde Richtfest gefeiert. Die Kirche maß nun 44 m in der Länge und 22 m in der Breite und bot Platz für 800 Besucher. Am 23. Februar 1936 wurde die Kirche von Bischof Sebastian geweiht.
Am 30. Januar 1933 war Hitler Reichskanzler geworden. Schon vor der Machtergreifung hatte Pfarrer Schäfer den Nationalsozialismus in scharfen Worten kritisiert. Nach dem Ermächtigungsgesetz begann die Gleichschaltung staatlicher Institutionen, Organisationen, Verbänden und Gewerkschaften. In die Gottesdienste beider Kirchen Mutterstadts marschierten SA und Jungvolk geschlossen. Doch bald begannen die Schikanen. Pfarrer Schäfer wurde bespitzelt und Repressalien ausgesetzt. 1937 wehrte sich Pfarrer Schäfer vehement gegen die Einführung der Simultanschule. Doch die Elternschaft war so bearbeitet und eingeschüchtert, dass sie für die Aufhebung der doch im Konkordat garantierten Konfessionsschule stimmte. Im März 1937 wurden die beiden Bekenntnisschulen zur „Deutschen Gemeinschaftsschule“ vereinigt. Die jüdische Bekenntnisschule war bereits 1925 wegen zu geringer Schülerzahl aufgelöst worden. Auch Pfarrer Johannes Huber, der dem im September 1937 verstorbenen Pfarrer Schäfer nachfolgte, sah sich ständigen Repressalien ausgesetzt, wie bereits in Böhl, wo er zuvor Pfarrer war. Ab März 1941 wurden im Pfarrhaus Räume für die Wehrmacht, später für ausgebombte Familien beschlagnahmt. Am 5. März 1942 wurden auch die Kirchenglocken beschlagnahmt. Nur die 1936 für den Dachreiter der Kirche angeschaffte kleine Glocke blieb erhalten.
Die Kirche in der Nachkriegszeit
Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg waren auch in Mutterstadt vom Wiederaufbau der zerstörten Gebäude geprägt. Die Neuschaffung von Wohnraum war eine große Aufgabe für Bürgermeister Heinrich Hartmann (von 1946-49 im Amt). Vertriebene und Flüchtlinge, darunter über 200 Katholiken, mussten von der Gemeinde aufgenommen werden. Das Kirchengebäude hatte im Zweiten Weltkrieg stark gelitten. Bei jedem Regenguss stand das Wasser in der Kirche. Bis 1948 wurden die wichtigsten Schäden an Dach und Fenstern der Kirche ausgebessert. Die Blechziegel wurden im Winter 1948/49 durch Tonziegel ersetzt. 1951/52 wurde das Innere der Kirche renoviert, 1954 erhielt sie endlich einen Außenputz. Den bis jetzt noch fehlenden Turm planten die Mutterstadter Architekten Emil Dietrich und Rudolf Neumann in Betonbauweise. Er wurde von der Firma Adam & Roland Rief an der Südwestecke der Kirche - einige Meter von dieser und etwas zur Straße hin abgerückt - errichtet. 1958 wurde die Einweihung gefeiert. Die sechs Glocken von der Gießerei Bachert GmbH in Karlsruhe wurden im Jahr 1962 geliefert und sind bis heute in Benutzung. In diesem Jahr wurde auch eine von der politischen Gemeinde gestiftete Turmuhr mit Westminsterschlagwerk angebracht. 1973 erhielt der Orgelbauer Paul Zimnol den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel mit nun 25 Registern, die an Pfingsten 1976 zum ersten Mal erklang.
Kulturdenkmal
Die Kirche Sankt Medardus in Mutterstadt wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Rhein-Pfalz-Kreis geführt (Stand 2024). Der Eintrag lautet:
„Kath. Pfarrkirche St. Medardus Obere Kirchstraße 14, Saalbau mit Dachreiter, nach Osten dreischiffige Halle, 1935, Arch. Albert Boßlet, Würzburg, und Karl Lochner, Ludwigshafen; freistehender Glockenturm, 1958, Arch. Emil Dietrich und Rudolf Neumann; Ausstattung des barocken Vorgängers; auf der Umfassungsmauer Sandsteinstatue Hl. Nepomuk, 2. Hälfte 18. Jh.“
(Leo Sebastian, Historischer Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, 2024)
Quelle
Interessantes von und mit Volker Schläfer: 22. März 1945: In Mutterstadt ist der Krieg zu Ende - Mutterstadt (wochenblatt-reporter.de).
Internet
vr-easy.com: Virtuelle 360-Grad-Tour durch Kirche Sankt Medardus Mutterstadt (abgerufen 23.10.2024)
www.hl-sebastian.de: St. Medardus, Mutterstadt (abgerufen 23.10.2024)
de.wikipedia.org: St. Medardus (Mutterstadt) (abgerufen 23.10.2024)