In Igel, vor den Toren der Stadt Trier befindet sich zusätzlich zum UNESCO Welterbe Igeler Säule auch eine geologische Besonderheit: die „Igeler Verwerfung“. An einer tektonischen Bruchstelle liegen Felsen aus rotem Sandstein direkt neben dem jüngeren grauen Kalkgestein. Unterhalb der hoch aufragenden Felsen hat sich eine vielfältige, durch den Weinbau geprägte Kulturlandschaft entwickelt, die zahlreichen wärmeliebenden Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum bietet. Von der langen Tradition zeugt das Grutenhäuschen, ein römischer Grabtempel aus dem 3./4. Jahrhundert.
Landschaftliche Besonderheiten/Landschaftsbild
Bevor sich das Moseltal vor der besiedelten Trierer Talweite, dem heutigen Gebiet der Stadt Trier, aufweitet, liegt nordwestlich der Saarmündung die Ortsgemeinde Igel. Insbesondere vom gegenüberliegenden Moselufer ist ein markanter geologischer Einschnitt im Gelände des Igeler Moselhangs zu entdecken: Wie mit einem Strich gezogen wechseln die Felswände vom bis zum Moselufer reichenden roten Sandstein (Buntsandstein) zu einer leicht zurückversetzten Felswand aus grauem Kalkgestein (Muschelkalk). Während auf den Böden auf den Buntsandsteinschichten Waldflächen vorherrschend sind, hat sich an den sonnenexponierten Hängen unterhalb des Kalkgesteins ein Mosaik von Rebflächen, Trockenmauern und Steinriegeln, Brachflächen und Streuobstwiesen entwickelt.
Die besonnten Felswände und die teilweise oberhalb anschließenden Kalkmagerrasen sind nach Bundesnaturschutzgesetz geschützte Biotopflächen.
Entstehung/Geologie
Im Gebiet des Leuchtpunktes befindet sich die geologische Besonderheit, für die das Areal ausgezeichnet wurde: die Igeler Verwerfung
Die Gesteine des Buntsandsteins, wesentlich geprägt durch rote Sedimente, wurden durch Flüsse und den Wind transportiert und bei Wüstenklima in dicken Schichten abgelagert, insgesamt bis 500 Meter dick. Vor ca. 246 Millionen Jahren änderte sich das Bild. Im Zeitalter des Muschelkalks drang das Tethys-Meer auf Grund der Absenkung des Landes zwischen der europäischen und afrikanischen Platte bis in die Eifler Nord-Süd-Zone und das Trierer Becken vor und bildete dort eine seichte Meeresstraße. In diesem flachen Meer lagerten sich marine Sedimentgesteine über der Sedimentschicht des Buntsandsteins ab.
Im Zeitalter des Mittleren Muschelkalks existierte im zentralen Meeresbecken ein stark übersalzenes Flachmeer. Es fand Zugang in das abgelegene Teilbecken des Trierer Beckens. Die Zuflusswege waren sehr flach. Zunächst kam es zu regelmäßiger Verdünnung des Salzwassers durch Flüsse, die gleichzeitig ihre Sedimentfracht im Becken ablagerten. In Lagunen entstanden daraus tonhaltige dolomitische Mergel mit eingelagerten Gipslinsen.
Im Zeitalter des ausgehenden Mittleren Muschelkalk stieg der globale Meeresspiegel an, wodurch es zu allmählicher Überflutung der flachen Becken durch frisches Meerwasser der Tethys kam. Damit war auch ein deutlicher Rückgang der Sedimentation von Ton verbunden. Über den Mergeln des Mittleren Muschelkalks entstanden die Sedimentgesteine aus dem Erdzeitalter des Oberen Muschelkalk, die vor allem durch Dolomit charakterisiert sind, die aus Karbonatschlämmen entstanden.
Wir machen jetzt einen großen Zeitsprung bis in die Gegenwart und legen das Augenmerk auf die massiven Igeler Felsen, die vom Moselufer aus gut sichtbar sind: bunte Sandsteinfelsen aus der Zeit des Buntsandsteins am Ortsausgang Richtung Luxemburg unter Wald, sowie die bunten Mergel und die grau-weißen Dolomitfelsen aus der Zeit des Muschelkalks in den Weinbergen. Dass diese verschiedenen Gesteinstypen in Felsformationen nebeneinander vorkommen, die eigentlich übereinander abgelagert wurden, ist eine markante geologische Besonderheit im Ort Igel. Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen, dass hier aufgrund tektonischer Bewegungen in der Erdkruste ein fast senkrechter Versatz der unterschiedlich alten Sedimentschichten entstanden ist: die Gesteine aus dem jüngeren Zeitalter des Muschelkalks und die Gesteine des älteren Zeitalters des Buntsandsteins liegen nebeneinander auf einer Höhe: das ist die Igeler Verwerfung, umgangssprachlich auch Igeler Sprung genannt. Diese Verwerfung verläuft als Linie von Nordosten nach Südwesten. Das Gesteinspaket nordwestlich der Verwerfung, liegt geologisch tiefer als die rötlich-bunte Sandstein-Schicht (Buntsandstein) südöstlich der Verwerfung. Deshalb sind dort die Schichten sowohl des Oberen als auch des Mittleren Muschelkalks erhalten geblieben, während sie auf der höher liegenden südöstlichen Scholle bereits abgetragen wurden.
In Igel findet man zwischen den dolomitischen Mergeln des mittleren Muschelkalks zahlreiche GipslagenJedoch war 1943 der Gipsabbau bereits stillgelegt und nach dem Ende des II. Weltkrieges wurde dieser in Igel nicht wieder aufgenommen.
Klima
Der Moselhang im Leuchtpunktgebiet ist nach Südwesten ausgerichtet, sodass sich die Felswände erwärmen und diese Wärme auf die unterhalB liegenden Weinberge auch nach Sonnenuntergang noch abstrahlen können. Die so geländeklimatisch begünstigte Lage ist bei durchschnittlich 600-700 mm Niederschlag im Jahr nicht nur für den Weinbau förderlich. Auch wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten finden hier ihre besonderen Lebensraumbedingungen häufig am nördlichen Rand ihres Verbreitungsgebietes.
Flora
Insbesondere in den verbliebenen Kalkhalbtrockenrasen sind besonders schützenwerte Pflanzenarten zu finden. Orchideen, wie die Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum) oder das Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea), und das Gewöhnliche Sonnenröschen (Helianthemum nummularium) wachsen auf noch nicht verbuschten Flächen. Der distelartige Feld-Mannstreu (Eryngium campestre) steht in manchen Säumen. Auf den mageren Grünlandflächen und Blühstreifen sorgen Kartäusernelke (Dianthus carthusianorum), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella), Hornklee (Lotus corniculatus), Gemeiner Natternkopf (Echium vulgare), Echter Dost (Origanum vulgare) oder der Kleine Wiesenknopf (Sanguisorba minor) für botanische Vielfalt. Im Halbschatten entlang von Gehölzen wächst die Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus). Auf Ruderalflächen ist die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) anzutreffen. Auf den Mauer- und Steinstrukturen ist der Weiße Mauerpfeffer (Sedum alba) als Charakterart häufig, ebenso tritt auch vereinzelt der scharfe Mauerpfeffer (Sedum acre) in Erscheinung. In der Weinbergslage Igeler Dullgärten sind, neben heimischem Obstgehölz, vereinzelt auch mediterrane Obstbäume wie Quitte oder Walnuss angebaut.
Fauna
Die Leitarten in den hiesigen Weinbergen, die Mauereidechse (Podarcis muralis) und die Schlingnatter (Coronella austriaca), halten sich in den zahlreichen natürlichen Felsspalten, den Weinbergsmauern und Steinriegeln auf.
Hervorzuheben ist die Vielzahl besonderer und geschützter Vogelarten. Der Uhu (Bubo bubo) brütet in Nischen der Felswände. Der Orpheusspötter (Hippolais polyglotta) ist ein Neuankömmling in unserem Gebiet. Er bevorzugt als Lebensraum u.a. Weinberge und halboffene Weinbergsbrachen. Der Neuntöter (Lanius collurio) findet in den zahlreich vorkommenden Schlehenhecken an den Felskanten einen geeigneten Lebensraum. Auf den offengehalten steinigen Weinbergswegen und Magerrasen fühlt sich die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda caerulescens) sehr wohl. Farblich kann sie sich an den jeweiligen Untergrund anpassen und fällt nur auf, wenn sie während eines Sprungs die leuchtend blauen Flügel ausbreitet.
Durch die Vielfalt der Blühpflanzen sind auch viele Schmetterlingsarten wie Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria), Admiral (Vanessa atalanta), Tagpfauenauge (Aglais io) oder Schachbrett (Melanargia galathea) regelmäßig anzutreffen.
Weinkultur / Historische Bauten
Die Fruchtbarkeit des mineralischen Kalkbodens an dieser Stelle spiegelt sich auch heute noch in der traditionellen weinbaulichen Nutzung wider. Zahlreiche, teils Jahrhundert alte, Trockenmauern, gebaut aus dem natürlich vorkommenden Gestein, durchziehen diese Steillage. Hier wachsen besonders die sehr alte Rebsorte Elbling und sowie verschiedene der alten Burgundersorten. Das Terroir dieser Weinlage, die „In den Dullgärten“ genannt wird, ist geprägt von dem tiefgründigen Boden des Muschelkalks, der sich in einem charaktervollen Geschmack der Weine wiederfindet. Der Name der Weinlage Igeler Dullgärten ist lateinischen Ursprungs: dulce / dulcis steht für süß. „Süßer Garten“ - diese Bezeichnung ist passend für die sonnenexponierte Hanglage mit besten Voraussetzungen für eine hochwertige Reife der Trauben.
Dem Struckturwandel im Weinanbau geschuldet, wurden auch im Areal dieses Leuchtpunktes in den vergangenen Jahren einige Flächen gerodet. Um jedoch diese historische Kulturlandschaft, als Lebensraum für eine große Artenvielfalt zu erhalten, sind diese stillgelegten Weinbergsflächen offen zu halten. Bereits im Jahr 2006 wurde ein Konzept realisiert, um mit der Unterstützung von Galloway-Rindern, Ziegen und Soayschafen die Verbuschung der Brachen zu minimieren. Es wäre wünschenswert diese Beweidungswirtschaft auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
Der teilrekonstruierte zweigeschossige römische Grabtempel, weithin erkennbar am roten Ziegeldach, ist das sogenannte Grutenhäuschen. Es kann ganzjährig besichtigt werden. Vermutlich wurde es in der zweiten Hälfte des 3. oder im 4. Jahrhundert erbaut, zu einer Zeit als die Körperbestattung die Verbrennung von Toten ablöste. Der untere Bereich des Gebäudes besteht aus einem tonnengewölbten Raum, der zur Aufstellung von Sarkophagen bestimmt war. Über der Grabkammer erhebt sich ein annähernd quadratischer Raum, dem eine Säulenhalle vorgelagert ist. 1962 wurde die Ruine des Grutenhäuschens auf den Resten der ursprünglichen Grabkammer vom Rheinischen Landesmuseum Trier restauriert. Im Jahr 2001 folgte die Rekonstruktion der oberen und vorderen Teile des ursprünglichen Tempels.
Am besten lässt sich das Areal des Leuchtpunktes Igeler Verwerfung mit einer fachkundigen Führung von zertifizierten Naturerlebnisbegleiter/innen erkunden: Kontakt über die Deutsch-Luxemburgische Tourist-Information.
Die ausgewiesenen Rundwanderwege Nr. 1 oder Nr. 3 führen teilweise durch das Areal. Die Wanderwege beginnen und enden in der Ortslage Igel am UNESCO Welterbe Igeler Säule.
(Anne Hilker und Marie-Luise Geißler, Igel, 2023)