(Schaefer,1997, S,25-39)
Älteste Spuren
Die Lage
Das Bauwerk
Der Innenraum
Die Ausstattung
Das Ende des Baudenkmales
Was blieb erhalten?
Älteste Spuren
Der Überlieferung zufolge sollte der Turm von Alt-St. Suitbert sogar auf den Fundamenten eines heidnischen, also wohl römischen Tempels errichtet worden sein (PAR [Volk], 1987, S148). Für diese These fehlt aber jeglicher Nachweis, so dass derartige Überlegungen eher in den Bereich der Spekulation gehören.
Wahrscheinlicher dürfte sein, dass wir im Turmbereich das frühe Oratorium aus der Zeit des heiligen Suitbert zu suchen haben. Für diese Annahme sprechen einige Fakten:
Da wäre einmal die relativ große Grundfläche von über 37 Quadratmeter, die den Abmessungen der Kirchen in jener frühen Zeit entspräche. Des Weiteren deuten die in ca. 2,5 Meter unter Flur gefundenen Gräber auf diese Zeit hin. Sie waren mit Schieferplatten eingefasst und abgedeckt. Die Grabbeigaben, kurze dolchartige Schwerter, wiesen auf hochgestellte fränkische Persönlichkeiten hin ( PAR s. Anm. 2: Niederschrift von Pfr. H. Volk über Fund des Pulevaldussteines, 1905).
Leider ist dieser Zufallsfund, der beim Abbruch der Kirche 1852 zu Tage kam, nicht genau dokumentiert worden.
Wesentlich konkreter als Beleg kann ein kleiner Jurakalk-Grabstein dienen, der im Bereich des ältesten Chormauerwerkes, das etwa dem 9. oder 10. Jahrhundert zugeordnet wurde, unter einem Rundpfeiler eingemauert war (siehe Abbildung 1). Er ist ca. 32 Zentimeter lang und 20 Zentimeter breit. Da seine Ränder ausgebrochen sind, finden wir auf der Schriftseite, gut lesbar, in römischen Kapitalbuchstaben folgendes Inschriftfragment:
+ HI REQVIESCIT IN PACE PVLE ALDVS C PAREN VICSIT COLO
Prof. Lehner von der Universität Bonn hat die Inschrift dahingehend vervollständigt HIC REQUIESCIT IN PACE PULEVALDUS CARUS PARENTIBUS VICSIT IN SECOLO
Nach Auslegung von Prof. KelleterHIC REQUIESCIT IN PACE PUER LEIFALDUS CARUS- PAR
(s. Anm. 2: Schreiben von Prof. Kelleter vom 8.7.1905)
(s. Anm. 2: Schreiben von Prof. Kelleter vom 8.7.1905)
„Hier ruht in Frieden der teure Pulevaldus, der bei seinen Eltern lebte, in Ewigkeit“
oder nach Kelleter: „- - - - der teure Knabe Leifaldus (Lewaldus) - - - -.“
Der Name Pulevaldus hat sich aber späterhin durchgesetzt.Eine nach Meinung der Fachleute eindeutig christliche Inschrift, die in das 7. Jahrhundert zu datieren sei( PAR s. Anm. 2: Schreiben von Prof. Lehner vom 29.6.1905). Die Rückseite der Platte zeigt einen Kreisabschnitt, der vermutlich mit der späteren Weiterverwendung in dem Rundpfeiler zusammenhängt. Weiterhin wurde ein zweites Grabdenkmal gefunden. Es war eine Platte aus rotem Sandstein, die zwei gerade Kreuz- oder Krückstäbe zeigte. Sie gehörte als Deckstein zu einem verschwundenen Sarkophag. Die Krückstäbe deuten auf eine Persönlichkeit mit bischöflichem oder abtlichem Rang hin. Diese Grabplatte wurde in das 9. oder 10. Jahrhundert datiert. Bei der bestatteten Person könnte es sich um eine Äbtissin von Nivellen oder einen Abt von Kaiserswerth gehandelt haben( Kelleter,1904, S. XXI u. XXVI). Dieses Denkmal ist leider im 2. Weltkrieg verschollen.
Beide Grabdenkmäler sind zumindest der Beweis dafür, dass zum einen auf dem Kirchenhügel der frühe fränkische Friedhof des 7. Jahrhunderts, vermutlich mit einer Friedhofskirche, zu suchen ist, zum anderen, dass im 9.-10. Jahrhundert eine Pfarrkirche mit dem wichtigen Begräbnisrecht vorhanden war.
Da die frühen Kirchen mehrfach durch kriegerische Ereignisse zerstört wurden, dürfte Alt - St. Suitbert der dritte oder sogar vierte Sakralbau an gleicher Stelle gewesen sein.
Die Lage
Das Gotteshaus stand auf dem Kirchenhügel über dem Dorf, auf dem sich heute noch der Nachfolgebau der Pfarrkirche St. Suitbertus erhebt, inmitten des uralten Friedhofes. Unmittelbar am Turm vorbei lief die Ringmauer des 14. Jahrhunderts, die von dem nordwestlich direkt an den Friedhof angrenzenden Waldtor aus in Richtung Kaltenbach verlief. Der mächtige Kirchhofsmauer schloss, wie heute noch, das Gelände zur Kirchstraße hin ab. Diese damals wichtigste Dorfstraße verlief vom Tor aus fast Schlucht artig bergab, da auf der gegenüberliegenden Seite die hohe Ringmauer verlief. An diese lehnten sich noch zwei kleine Wohnhäuser an, so dass die Straße im oberen Bereich sehr schmal war, bevor das Gelände am Pfarrhof etwas breiter wurde(Schaefer,1997, s. Anm. 1: S. 16 u. 23).
Der Verlauf der Kirchentreppe war ähnlich der heutigen, nur dass die obere Stiege links von der jetzigen Treppe lag. Sie führte durch einen Bogen in dem alten Mauerwerk, der heute noch ganz gut sichtbar ist. Insgesamt waren 30 steile Stufen von der Straße zum Kirchplatz zu überwinden, die besonders im Winter ihre Tücken hatten (siehe Abbildung 2 und 3).
An der südöstlichen Ecke des Zwischenabsatzes war das Nachtwächterhaus der Ortsgemeinde Rheinbrohl in die Mauer hinein gebaut (siehe Abbildung 4). Heute befindet sich auf diesem Grundstück die Lourdes-Grotte. Südwestlich grenzte an den Friedhof, wie heute noch, das kurfürstliche Bedweinhaus, im Volksmund „Prälatenhaus“ genannt. Das Prälatenhaus wurde 1980 als Pfarramt und Wohnung des Pastors ausgebaut.
Das Bauwerk
Die Kirche wurde nach der Zerstörung des Vorgängerbaues im Jahre 1198 Anfang des 13. Jahrhunderts neu erbaut ( PAR s. Anm. 2: Lagerbuch S. 147). Sie stand an der Südwestecke des heutigen Gotteshauses. Ihre Achse war gegenüber dem heutigen Bau etwas nach Südosten versetzt. Die Eingangsfront lag etwa parallel zu der Rückwand des heutigen Pfarrhauses.
Bei der im romanischen Stil erbauten Kirche handelte es sich ursprünglich um eine kleine einschiffige Anlage, der später zwei Seitenschiffe angefügt wurden, mit einem mächtigen Turm im Osten über dem Chor.
Ihre Maße und Abmessungen waren der Hammersteiner Pfarrkirche sehr ähnlich. Diese relativ kleine, querschifflose, dreischiffige Basilika, deren Chor unter dem Turm lag, war innen insgesamt 18,20 Meter lang und hatte eine Gesamtbreite, einschließlich der Seitenschiffe, von 15,70 Meter. Das Chorquadrat hatte ein Innenmaß von 6,12 x 6,12 Meter und war in zwei ungleich lange Joche unterteilt (Weigert&Wagner,1940, S.358).
Der Turm glich äußerlich etwa dem der Leutesdorfer Pfarrkirche, nur war im Gegensatz zu diesem das Dach aufwendiger gestaltet. Während es rechts und links auf einem Dreiecksgiebel ruhte, gab es vorn und hinten jeweils zwei Giebel. Dementsprechend waren die Flächen der Rautendächer eingefaltet (PAR s Anm. 2: Fragebogen von 1847). Er hatte mehrere ungegliederte Geschosse mit engen burgartigen Lichtschlitzen, während das obere Glockengeschoss je zwei Zwillingsfenster mit Säulen unter Rundbogenrahmen an jeder Seite zeigte. Darüber zog sich ein Rundbogenfries rundum, der durch Ecklisenen gegliedert war. An der dorfseitigen oberen Turmwand war seit spätestens 1711 die Turmuhr installiert (Volk, 1922, S. 115).
Das Mittelschiff hatte ein relativ steiles Dach, dessen Dachneigung ursprünglich geringer gewesen sein dürfte. Die Seitenschiffe waren mit flachen Pultdächern abgedeckt ( PAR s. Anm. 2: Handskizze der alten Kirche). Auch für diese Kirche traf zu, was zu den meisten alten Sakralbauten gesagt werden kann: Sie waren nie ganz fertig. Solange das Bauwerk von seiner Gemeinde genutzt wurde, unterlag es dem Verschleiß und damit der Erneuerung. Es wurde immer wieder verändert oder verbessert und oftmals dem Zeitgeschmack angepasst.
Dies ließ sich hier bei uns gut an der Fenstergestaltung ablesen. Oben im Glockengeschoss die bereits erwähnten romanischen Zwillingsfenster. Das Mittelschiff wurde durch - ebenfalls romanische - Fächerfenster belichtet. Ein Fenstertyp, der heute noch in Kaiserswerth oder am Bonner Münster zu finden ist. Im Untergeschoss des Turmes hatte man später an jeder Seite ein etwas größeres zweibahniges Spitzbogenfenster mit gotischem Maßwerk eingebaut. Die Giebelwand und die Seitenschiffe zeigten einfache Rundbogenfenster, die wohl im Barock vergrößert worden waren. Die kleinen Rundfenster an der Giebelwand zur Beleuchtung der Seitenschiffe dürften ebenfalls bei der barocken Renovierung eingebaut worden sein.
Es wurde also zu allen Zeiten an dieser Kirche bauliche Veränderungen vorgenommen. So fehlt auch eine plausible Erklärung, warum die nördliche Seitenschiffwand durch Strebepfeiler abgestützt war, die an der Südwand und der Giebelseite fehlen.
Die Eingänge zum Gotteshaus lagen an der westlichen Giebelseite. Diese Frontwand war vertikal gegliedert, indem die Seitenschiffwände etwas vor die Mittelschiffwand hervortraten. Das rundbogige Hauptportal führte ins Mittelschiff. Ein zweites kleineres Rundbogenportal lag links daneben als Zugang zum nördlichen Seitenschiff. Das südliche Seitenschiff zeigt an dieser Stelle ein etwas höher liegendes Rundbogenfenster. Die Frontseite der Kirche wirkte daher etwas asymmetrisch.
Die Sakristei, die in Fortsetzung des nördlichen Seitenschiffes an den Turm angebaut war, scheint nur vom Kircheninneren aus zugänglich gewesen zu sein (siehe Abbildung 5).
Der Innenraum
Der relativ niedrige Kirchenraum dürfte, bedingt durch das Verhältnis von Höhe zur Breite, etwas gedrückt gewirkt haben. Das Mittelschiff war bis zum Scheitel der Gewölbetonne 8,86 Meter hoch bei einer Breite von 6,77 Meter. Die flachrunden Decken der Seitenschiffe erreichten nur die halbe Höhe bei einer Breite von 3,32 bzw. 3,65 Metern. Das nördliche Seitenschiff war demnach etwas schmäler als das Südliche (Weigert&Wagner, 1940, S.359) .
Aus der Lage der Fenster ergab sich ein relativ geringer Tageslichteinfall im Kirchenraum. Das Licht der oberen Fenster konnte zum Beispiel nur durch Stichkappen im Tonnengewölbe in das Innere dringen. Zudem waren die Fenster mit „gebrannten Gläsern“, also mit Glasmalereien, versehen, die zusätzlich das Tageslicht dämpften. Auch die beiden etwas größeren Maßwerkfenster im Chor - das nördliche lag der Sakristei wegen im ersten Chorjoch, das südliche im zweiten Joch - werden wohl nur den Chorraum etwas besser belichtet haben. Wir müssen davon ausgehen, dass in der Kirche jener leicht dämmrige Zustand vorherrschte, den wir heute noch in alten romanischen Kirchen als so angenehm empfinden.
Nur der etwa 2 Meter niedrigere Chor hatte gemauerte Kreuzgratgewölbe, während die Tonne des Mittelschiffes und die Flachrunddecken der Seitenschiffe aus Holzkonstruktionen bestanden. Das Mittelschiff könnte ursprünglich eine Flachdecke gehabt haben, was für den Lichteinfall wesentlich günstiger gewesen sein dürfte.
Die Verbindung vom Mittelschiff zu den Seitenschiffen bildeten je zwei Arkadenbögen, die am Chor und der Westwand auf dreiseitig vorstehenden Pilastern, in der Mitte jeweils auf einer achteckigen Säule mit schmucklosen Kapitälen ruhten.
Die Wände im Chor waren etwas reicher gestaltet. Die spitzbogigen Gewölbe ruhten auf sechs den Wänden vorgelagerten Säulen, die abwechselnd im korinthischen und ionischen Stil gestaltet waren. Im Westteil des Langhauses befand sich eine Holzempore, auf der spätestens seit 1721 eine Orgel stand. Die Empore war über eine Treppe aus dem südlichen Seitenschiff, dem sogenannten Mannhaus, erreichbar.
Eine im älteren Schrifttum erwähnte Inschrift im Turm bezüglich einer Zerstörung im Jahre 1243 traf nicht auf Rheinbrohl zu, sondern bezog sich auf die St. Suitbertus-Stiftskirche in Kaiserswerth. Der genannte Inschriftstein ist dort heute noch teilweise erhalten. Genauso verhält es sich mit der Nachricht, dass unsere Kirche im Jahre 1702 abgebrannt sei. Es betraf ebenfalls ein Ereignis in Kaiserswerth. Die Verwechslung kam dadurch zustande, dass diese Fakten im Rheinbrohler Pfarrarchiv dokumentiert waren und sich auf eine nicht näher bezeichnete Suitbertuskirche bezogen. Richtig ist, dass in den Jahren 1706 bis 1711 umfangreiche Bau- und Restaurierungsarbeiten in unserer Kirche durchgeführt wurden, welche der kostenpflichtigen Zivilgemeinde gar nicht so angenehm waren (Volk, 1922, s. Anm. 11: S. 113).
Die Ausstattung
Die mittelalterliche Ausstattung des Gotteshauses war durch den Bildersturm während der Reformationszeit fast ganz verloren gegangen. In unserer Kirche wurde von 1561 bis 1613 evangelischer Gottesdienst gehalten. 1573 hatten die Teilnehmer der damals für Rheinbrohl zuständigen Synode von Sayn-Hachenburg beschlossen:
„Zu gedenken, dass nach der Reformation die (Heiligen) Bilder allmählich in den Kirchen eingezogen werden.“ (Hennes, 1991, S.85)
In Rheinbrohl scheint man diese Anordnung nicht so genau genommen zu haben, denn am 6. August 1582 beklagt sich der hiesige evangelische Pfarrer Johannes Thonberg vor dem Konsistorium in Altenkirchen:
„Zeigt an, dass er etliche Bilder in der Kirche habe beiseitesetzen lassen, und sind etliche (d.h. Gemeindemitglieder), die sie wider herfür ziehen, und sonderlich den Götzen “Schwibertum„, und Abgötterei damit treiben.“
Das Konsistorium beschließt daraufhin:
„-- dass Schwibertus und andere Götzen mehr, in allen Kirchen, durch Versehung (d.h. unter Aufsicht) der Pastoren sollen entweder zerhauen oder mit Feuer verbrannt werden.“ (Hennes, 1991, s. Anm. 18: S. 93-94 a.a.O.)
Da die immer noch andauernde Verehrung des hl. Suitbertus in Rheinbrohl Anlass für diese harte Auflage war, muss hier von einer besonders gründlichen und genau kontrollierten Durchführung dieser Anordnung ausgegangen werden. Tatsächlich haben nur drei Bildnisse die Aktion von 1582 überstanden.
Da ist einmal das Triumphkreuz aus dem 14. Jahrhundert, das zwischen Chor und Schiff hoch oben über dem Triumphbogen hing (siehe Abbildung 6). Es wurde als „großes Crucifix in Mannsgröße“ (PAR s. Anm. 2: Kirchen - Effekten vom 29.11 1829) geschildert. Das entsprach aber nicht ganz den Tatsachen. Das Corpus, das sich bis heute erhalten hat, misst in der Höhe 1,40 Meter und in der Breite 1,30 Meter, also nicht ganz „Mannsgröße“. Wir können aber dem Chronisten gerne verzeihen, denn das Kreuz hing ja immerhin in 8 Meter Höhe. Diese schlechte Zugänglichkeit könnte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass es nicht zerstört wurde. Es ist aber auch denkbar, dass den damaligen evangelischen Verantwortlichen eine gewisse Ehrfurcht vor dem Bildnis des Gekreuzigten geblieben war und es deshalb erhalten blieb.
Ebenfalls aus vorreformatorischer Zeit könnte die sogenannte „Mater Dolorosa“ stammen, eine etwas ungewöhnliche Darstellung der schmerzhaften Mutter (siehe Abbildung 7). Die Gottesmutter sitzt mit ihrem toten Sohn auf dem Schoß vor dem Kreuz, an dem Geißel und Rutenbündel als Sinnbild der Marterwerkzeuge hängen, dahinter eine aufsteigende Wolke vor einem angedeuteten Horizont. Das fest eingemauerte Relief könnte ursprünglich Bestandteil eines Grabdenkmals gewesen sein, das fast nie angetastet wurde.
Als drittes Bildnis konnte das von unseren Vorfahren hochverehrte Gnadenbild des Marienaltares, das sogar Reliquien enthielt, gerettet werden (siehe Abbildung 8). Die Madonnenstatue, die seit etwa 1300 in unserer Kirche stand (Weigert&Wagner, 1991,S.361), wurde wahrscheinlich unter dramatischen Umständen in Sicherheit gebracht. Sie muss praktisch in letzter Minute aus den zur Zerstörung vorgesehenen Gegenständen ausgesondert und beiseitegeschafft worden sein. Man sah sich wohl gezwungen sie so zu verändern, dass ihre Herkunft im Falle einer Entdeckung nicht sofort feststellbar war. Sicher schweren Herzens fügten dann die Beteiligten ganz bewusst der Figur jene Schäden zu, die wir heutzutage so sehr bedauern. Man arbeitete, fast unbeholfen, die Faltenstege des Gewandes ab und trennte das Kind von der Mutter. Das scheint alles sehr schnell gegangen zu sein, weil man sogar den Verlust des linken Unterarmes in Kauf nahm. Letztlich kam sie in ein verschwiegenes Vers teck.
Erst mehr als 30 Jahre später, nach Beendigung der Reformation in Rheinbrohl, wurde die Madonna wieder hervorgeholt, um ihren Platz auf einem erneuerten Marienaltar wieder einzunehmen. Um die Schäden zu verdecken wurden Maria und das Kind nun bekleidet. Für diesen Zweck standen mehrere Gewänder zur Verfügung, in Damast mit Gold- und Silberstickerei, ein violett changierendes mit silbernen Borden und eine einfache Kattunausstattung, dazu diverse Schleier, Manschetten und Halszierden. Auf dem Kopf trug sie eine vergoldete Krone und in der Hand ein silbernes Zepter. Das Jesuskind hatte eine silberne Krone und in der Hand eine Weltkugel (PAR s. Anm. 20: Kircheneffekten 1829).
Dieser Marienaltar stand an der Ostwand des nördlichen Seitenschiffes. Er war im Zopfstil gearbeitet, einer Stilrichtung zwischen Rokoko und Klassizismus, mit gewundenen Säulen. Über der alten Marienstatue war im oberen Gesims ein Brustbild des heiligen Josef angebracht, flankiert von zwei Engeln. Auf dem Altar standen ein eigenes Messbuchpult mit den drei Kanontafeln sowie ein Standkreuz mit einem Christus aus Holz.
In der Mitte des Chors stand der Hochaltar, teils im Renaissance- und teils im Rokokostil gehalten. Er war dem Andenken des Leidens und Sterbens des Herrn geweiht. Den Tabernakel krönte ein hölzernes Kruzifix, flankiert von zwei kleinen Engeln. Darüber befand sich eine Statue der unbefleckten Jungfrau, links davon der heilige Nikolaus und rechts der heilige Suitbertus. Hoch oben grüßten von dem Gesims drei große Engel. Dieser Zentralpunkt der Ausstattung stammte aus dem 17. Jahrhundert.
An der Ostwand des Mannhauses stand der Nikolausaltar, 1844 Josefsaltar genannt. Er zeigte ein Bild der Heiligen Familie und darüber ein Gemälde der Dreieinigkeit, wohl ein sogenannter Gnadenstuhl. Auch diesen Altar schmückte ein Holzkruzifix und für die Messfeier war ebenfalls ein separates Buchpult mit den Kanontafeln vorhanden. Die beiden Seitenaltäre waren erst Anfang des 18. Jahrhunderts neugestaltet und 1713 erneut konsekriert worden.
Zwischen den Pfeilern im Chor hingen zwei weitere Gemälde, einerseits den hl. Suitbertus, andererseits die hl. Gertrud darstellend (siehe Abbildung 9). Verteilt im Gotteshaus gab es noch folgende vollplastische Figuren: Die schmerzhafte Mutter, die hl. Anna, Barbara, Antonius, Augustinus, Canisius, Josef, Nepomuk und Rochus.
Zur Erinnerung an die Wiederweihe im Jahre 1613 war eine hölzerne Tafel aufgehängt mit dem Wappen von Erzbischof Lothar von Metternich. Dieses enthielt zwei rote, einander gegenüberstehende Kreuze und drei schwarze Seemuscheln, in der Mitte ein Lamm mit Fähnlein. Auf der Helmspitze zur Rechten ragte ein rotes Kreuz hervor, dem drei Muscheln eingereiht waren, mit verschiedenem Zierrat geschmückt. Auf dem Helm zur Linken ruhte eine Krone, aus welcher ein Schwan mit gebogenem Hals und schwarzem Schnabel hervorstieg. Unter dem Wappen stand folgende Inschrift:
„S. SWIBERTVS PATRONVS
NOSTER Ao. DOM. 1613
26. Aprilis.“
NOSTER Ao. DOM. 1613
26. Aprilis.“
LOTHAR durch Gottes Gnade Erzbischof von Trier, hat diese Kirche, welche seit 52 Jahren vom wahren und richtigen Glauben abgeirrt war, zur Ehre Gottes und des hl. Suitbertus rekonziliiren und herstellen lassen (Volk,1897, S.64). Bei dieser Gelegenheit wurde das Kirchweihfest auf den Sonntag Cantate, welcher der vierte nach Ostern ist, festgelegt.
Ferner befand sich in der Kirche, ohne Nennung des Standortes, eine hölzerne Kanzel von 1713 und der Taufstein von 1714 sowie am Übergang vom Chor zum Schiff die Kommunionbank (siehe Abbildung 10). Davor lagen, in den Boden eingelassen, mehrere Grabplatten von Rheinbrohler Adeligen. Sie waren zumeist derart abgetreten, dass nur noch bei wenigen die Wappen und Inschriften erkennbar waren, so die eines Heinrich Niclaus von Stein-Callenfels, einer Jungfer Anna Maria Zweifel 1621 den 9. Febr. mit zwei Wappen, einer Magdalena Hasdenteufel Anno 1622 mit einem Wappen und eines Lutwich Schmit.... (vermutlich Schmittburg). Vor dem Hochaltar war Pastor Matthias Rodt beigesetzt, der vermutlich vor 1620 verstorben ist (PAR s. Anm. 2: Pfarr-Repertorium v. Pfr. Miklin 1819). Er war der erste katholische Pfarrer nach der Reformation, der 1613 sein Amt angetreten hatte. Sein Sterbedatum ist nicht genau bekannt, aber sein Nachfolger Nikolaus Vielesser trat 1620 sein Amt an.
Die Kirche war ganz bestuhlt mit einem Mittelgang vom Hauptportal zum Chor und zwei Seitengängen unmittelbar entlang der Nord- und Südwand. Mehrere Kirchenfenster waren Stiftungen hochgestellter Gönner, deren Namen dort auch zu lesen waren. So stiftete der Ehrwürdige Pater Godefridus Paffrath, Prior eines Konventes der Kölner Kirche, ein Fenster an der rechten Kirchenseite. Auf der gegenüberliegenden linken Seite gab es gleich zwei gestiftete Fenster, eines vom Trierer Erzbischof Joannes Hugo (von Orsberg) und vom Abt der Abtei Marienstatt, Benedictus Bach. Beide trugen die Jahreszahl 1710. Auch das Fenster rechts vom Hochaltar mit dem Bildnis der heiligen Gertrud enthielt eine Stifterinschrift mit Wappen und dem zusätzlichen Vermerk: „St. Gertrudis hujus parochialis Eclesiae Compatrona 1710“ (St. Gertrud, Mitpatronin der hiesigen Pfarrkirche) (PAR s. Anm. 24: Pfarr-Repertorium 1819).
Im Turm der Kirche hingen drei Glocken. Es soll zeitweise sogar vier gegeben haben, worüber aber nichts Näheres bekannt ist. 1394 wurde die größte, eine 16 Zentner schwere Glocke mit einem Durchmesser von 114,5 cm und dem Schlagton fis', wohl von wandernden Glockengießern vor Ort gegossen. Sie trug die Inschrift:
„ANNO D(OMI)NI MCCCXCIIII. X D(IE) M(ENSIS) OCTOB(RIS) VOS ISTUD OSANA PER QUA(?) SONU(M) EST.“ (Schaefer, 1995, S.5)
Die deutsche Übersetzung lautet sinngemäß: „Am 10. Tag des Oktober im Jahre des Herrn 1394 ertönt (erstmals) für Euch dieses Hosanna.“
Sie erhielt 1444 eine kleinere Schwester von rund 14 Zentnern Gewicht mit einem Durchmesser von 104 cm und dem Schlagton gis'. Ihre Inschrift in gotischen Kleinbuchstaben lautete:
„joannes, matheus, lucas, marcus anno domini
MCCCCXXXXIIII“.
MCCCCXXXXIIII“.
Der Schriftring war mit Stäben eingefasst, der Schlagring abgesetzt und der Bügel ein wenig überhöht (Heimatkalender für den Kreis Neuwied , Neuwied 1958, S. 24).
Im Laufe der Zeit sollen noch zwei weitere Glocken hinzugekommen sein. Wir erfahren erst 1820 etwas davon, als das Material dieser Glocken für den Umguss zu einer neuen Glocke verwendet worden sein soll. Diese Glocke wurde knapp 9 Zentner schwer mit dem Schlagton a'. Sie war mit dem Bildnis der Gottesmutter und des hl. Petrus geschmückt, darunter die Namen St. Suitbertus, St. Maria, St. Gertrudis und dem Schriftzug:
„Aus dem Feuer kam ich geflossen, wurde von den Gebrüdern Bernhard von Tiefenbach aus dem Kreise Braunsfeld vor die Gemeinde Rheinbrohl in Kettig wieder neu umgegossen. Im Jahr 1820.“
Dieser Glocke war kein langes Leben beschieden.
Bereits 1833 goss sie der Neuwieder Glockengießer Heinrich Schippang zu einer b'-Glocke von 678 Pfund um. Sie trug die Inschrift:
„MORTVOS PLANGO ET FIDELES CONVOCO VT VENIANT VENERARI SVPEROS
J. HAAS BUERGER-MEISTER
P. BERGMANN PFARRER
P. WILSCHEID ORTSSCHOEFFE
GEGOSSEN VON H. SCHIPPANG IN NEUWIED“ (PAR s. Anm. 2: Lagerbuch S.148)
J. HAAS BUERGER-MEISTER
P. BERGMANN PFARRER
P. WILSCHEID ORTSSCHOEFFE
GEGOSSEN VON H. SCHIPPANG IN NEUWIED“ (PAR s. Anm. 2: Lagerbuch S.148)
Die deutsche Übersetzung lautet:
„Ich trauere um die Toten und rufe die Gläubigen zusammen, damit sie kommen, um die Himmlischen zu verehren.“
Das Chronogramm ergab die Jahreszahl 1833. Der obere Kranz zeigte ein Traubengewinde.Als größter Schatz der beweglichen Ausstattung wurde die 147 mm große Reliquie des heiligen Suitbertus angesehen (siehe Abbildung 11). Sie war 1779 in ein neues Reliquar in Monstranzform mit Blattwerkrahmen und krönender Rocaille gefasst worden (Volk, 1932, S. 419). Alles in allem eine recht stattliche Ausstattung des kleinen Gotteshauses, die aber, bedingt durch die geschichtlichen Ereignisse, zumeist im 17. und 18. Jahrhundert erneuert worden war.
Das Ende des Baudenkmales
Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde über den baulichen Zustand der Kirche geklagt, zudem sei sie auch für die gewachsene Gemeinde zu klein (PAR s. Anm. 2: Lagerbuch S. 148). Die Verantwortlichen dachten daran, sie nach Westen hin um ein Joch zu verlängern, was aber wegen der Annäherung an die Kirchhofsmauer als zu kritisch angesehen wurde. Nachdem Anfang des 19. Jahrhunderts die Ringmauer nicht mehr notwendig war, konnte eine bergseitige Vergrößerung ins Auge gefasst werden. Hier bereitete die vorgesehene Erhaltung und Integrierung des uralten Chorturmes Schwierigkeiten, so dass ein völliger Neubau an der Hauptstraße gegenüber der 1835 neu erbauten Schule in Erwägung gezogen wurde (PAR s. Anm. 2: Schreiben von Pfr. Bergmann vom 27.8.1840). Da für diese Planung noch zusätzliche Grundstückskosten angefallen wären, beschlossen die Gremien letztlich den Neubau des Gotteshauses an alter Stelle auf dem Kirchenhügel. Nach dem Bau einer hölzernen Notkirche auf dem Markt erfolgte zwischen dem 28. Juni bis 24. Juli 1852 (Liessem, 2005, S. 118) der Abbruch der alten St. Suitbertus-Pfarrkirche, um Platz für die neue zu schaffen. Vorher hatte man die Glocken abgehangen. Das angefallene Steinmaterial wurde am Rhein zur Befestigung der Ufermauer verwandt.
Was erhalten blieb
Aus dem Lageplan zur neuen Kirche ist ersichtlich, dass bei der Fundamentierung des Neubaus sogar die alten Grundmauern größtenteils weichen mussten (siehe Abbildung 12). So kam es, dass kaum ein Architekturteil erhalten blieb. In der Kirchstraße steht, einige Häuser unterhalb der Kirche neben der dortigen Mariensäule, eine achteckige Basaltsäule als mächtiger Torpfosten. Wie man an der Aufstellung sehen kann, war sie offensichtlich ursprünglich nicht für diesen Zweck vorgesehen. Von ihren Abmessungen her könnte es sich hierbei durchaus um eine der Säulen aus der alten Kirche handeln, zumal in diesem Haus einstmals der Gemeindevorsteher wohnte.
Eine stark abgetretene große Grabplatte mit kaum leserlicher Umschrift und unkenntlichem Wappen ist als Zwischenpodest in der Treppe eingebaut, die von der Rückseite des Pfarrhauses zur Kirche führt.
Der PULEVALDUS-Stein befindet sich heute im Rheinischen Landesmuseum in Bonn, eine Kopie im Rheinbrohler Rathaus Gertrudenhof.
An Kunstwerken blieben andernorts erhalten: Das Steinrelief „Mater dolorosa“, heute am Rest der alten Ringmauer im Garten des St. Suitbertus - Altenheims angebracht, die Gnadenmadonna in der Maria-Hilf-Kapelle, das Gertrudengemälde als Leihgabe im Sitzungssaal des Rathauses „Gertrudenhof“ und die Josefsfigur als Leihgabe im Kreismuseum Neuwied.
In die neue Kirche wurden übernommen: Das Triumphkreuz, der Taufstein, die Figuren der folgenden Heiligen: Antonius, Canisius (heute als Ignatius bezeichnet), Nepomuk, Nikolaus, Rochus, Suitbertus und die Pieta. Diese kann man alle heute noch bei einem Rundgang durch die Kirche wiederfinden. Natürlich wird auch bis zur Stunde noch die Reliquie des hl. Suitbertus in der Pfarrei in Ehren gehalten.
Die Glocken von 1394, 1444 und 1833 waren in das neue Gotteshaus mit übernommen worden. Von ihnen ist aber leider keine mehr original erhalten. Die kleinste wurde im 1. Weltkrieg konfisziert und eingeschmolzen, die älteste im 2. Weltkrieg durchschossen, die mittlere sprang später, so dass die beiden älteren Glocken heute nur noch in umgegossener Form im Turm hängen.
(Hansfried Schaefer, Rheinbrohl, 1997)