Wo lag Arenbach?
Die Schwierigkeiten beginnen mit der Frage, wo Arenbach eigentlich lag. Die Auffassung, dass die Wüstung im näheren Umkreis des Forsthauses Buchenau zu suchen sei (Pauly, S. 247), erscheint vor allem deshalb unwahrscheinlich, weil die Bewohner des Forsthauses fortwährend mit Schwierigkeiten bei der Wasserversorgung zu kämpfen hatten, diese Stelle für eine Besiedlung also denkbar ungünstig lag. Zeitweise vermutete man die abgegangene Siedlung im Bereich des Baugebiets Schäffersweyer. Bei der Planierung dieses Geländes hat sich aber gezeigt, daß alles nur festgewachsener Boden war, und daß dort eine Spur von früherer Ansiedlung nicht zu entdecken gewesen ist. Der Autor dieses Zeitungsartikels empfahl, die Möglichkeit zu untersuchen, ob der Flurname „Frankenmauer“, der etwas weiter oberhalb zu finden ist, mit dieser Ansiedlung in Verbindung gestanden hat (Rund um Boppard Nr. 34, 20.8.1960, S. 6). Dieser Flurname ist für das 18. Jahrhundert in den chronikalischen Aufzeichnungen der Marienberger Kellner (Klosterverwalter) belegt und dürfte demnach oberhalb des Klosters Marienberg in der Nähe der Orgelbornquelle zu suchen sein (Heyen, S. 34, 66).
Zur Lage Arenbachs ist die sogenannte Mercator-Person-Karte die wichtigste kartographische Quelle. Sie bietet die erste einigermaßen naturgetreue vermessungstechnische Darstellung Boppards und seiner Umgebung. Arnold Mercator, Sohn des berühmten Duisburger Kartographen Gerhard Mercator, zeichnete die Vorlage - eine Darstellung des Niedererzstifts Trier mit dem Mittelpunkt Koblenz - vermutlich schon Ende des 16. Jahrhunderts. Die Ausgabe des Mainzer Druckers Nikolaus Person von 1689 benutzte die Kupferstichplatten, die Mercator auf der Grundlage seiner handgezeichneten Vorlage wahrscheinlich 1602 anfertigte. Nimmt man die Karte beim Wort, so lagen die Arenbach ruinae, die Ruinen von Arenbach, am Zusammenfluss zweier Bäche in der Gegend des heutigen Buchenau, nämlich des Mittelbachs mit dem Bruder-Michels-Bach. Man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass sich die Siedlung ungefähr zwischen der Abzweigung der Kreisstraße 118 von der Landesstraße 210 (Simmerner Straße) und dem Buchenauer Schwimmbad-Parkplatz befand. Ein wichtiges Argument für die Richtigkeit dieser Überlegungen ist die Tatsache, dass die Wasserversorgung Arenbachs durch die nahe gelegene Orgelbornquelle das ganze Jahr über gesichert war.
Was die schriftlichen Quellen angeht, so wird Arenbach erstmals im 13. Jahrhundert fassbar. Schon vor über hundert Jahren veröffentlichte Johann Nick (1832-1903), gebürtiger Bopparder und von 1868 bis zu seinem Tod Pfarrer in Salzig, den zwischen 1290 und 1300 entstandenen Liber Donationum Ecclesiae s. Severi Bopardiae. Hierbei handelt es sich um ein Verzeichnis der Gedenk- und Messtage für jene Personen, die dem Bopparder Severusstift Güter oder Geldzahlungen vermachten in der Absicht, durch die Fürbitten und Gebete der Klerikergemeinschaft das ewige Seelenheil zu erlangen. Neben den Namen der Stifter verzeichnet der Liber Donationum auch die übereigneten Geldbeträge und Immobilien. Solche Angaben sind es, die diese Quelle für die lokalgeschichtliche Forschung so wertvoll machen. Auf diesem Wege ist eine Fülle von Informationen über geographische Gegebenheiten, Grundstücks- und Besitzverhältnisse aus Boppard und der näheren Umgebung überliefert.
Arenbach und der Orgelborn
Das gilt auch für Arenbach und seine Bewohner. Der Ortsname taucht als Overinbach, Ovirbach, Oyrinbach, Overenbach, Ovenbach, Ovinbach, Obrinbach und Arinbach auf. Es handelt sich um eine Zusammensetzung des mittelhochdeutschen over(en) (oben, oberhalb) mit dem Grundwort Bach, so dass der Name als „Wohnplatz am oberen Bachlauf“ zu deuten wäre. Dass der Orgelborn mit Arenbach in Zusammenhang steht, ist unzweifelhaft. Fraglich ist jedoch, ob es sprachgeschichtlich gesehen eine Verbindung zwischen der Bezeichnung Orgelborn und dem Namen unserer Siedlung gibt. Nick behauptet dies, indem er schreibt: Der Born des Dörfchens hiess der Orienborn, woraus im Volksmund Orgelborn sich bildete (Nick, S. 39 Anm.1). Diese Deutung wird von Halfer kommentarlos übernommen (Halfer, S. 123 Anm. 22). Eine ältere Untersuchung hingegen führt den Namen der Orgelbornquelle auf die Wurzel arg (zu lateinisch arguere, argutus, argentum) in der Bedeutung „hell, glänzend“ zurück. In dem Bestimmungwort Orgel liegt also der Begriff der Reinheit und Klarheit und gibt somit eine Eigenschaft an, die das Wässerchen zur Ansiedlung geeignet erscheinen ließ (Kessels, S. 166). Welche Interpretation die richtige ist, mag offen bleiben. Wichtig ist hier jedoch die Feststellung, dass eine sichere Wasserversorgung Grundvoraussetzung für eine dauerhafte Ansiedlung ist, was in beiden Erklärungsvarianten zum Ausdruck kommt. Der Flurname ahm Orgelborn (Halfer, S. 123) taucht in der schriftlichen Überlieferung erst spät auf, nämlich im Grund- und Extraktenbuch von 1719, einer Art Katasterverzeichnis, das erstmals eine genaue Übersicht über die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden im Kurfürstentum Trier ermöglichte. Der Liber Donationum bietet darüber hinaus weitere Informationen über die wirtschaftliche Betätigung der Bewohner Arenbachs sowie auswärtiger Grundeigentümer oder Pächter, die dort landwirtschaftliche Parzellen bestellten. Mehrmals werden vineae, also Weinberge oder Weingärten, erwähnt. Einmal ist von einem pomerium, also von einer Obstwiese oder einem Baumgarten, die Rede. Aus anderen Quellen wissen wir, dass im Jahr 1377 in Arenbach eine Steinkuhle, also ein Steinbruch, betrieben wurde. Für 1496 ist eine Lohmühle belegt, die die für die Lederherstellung benötigte Eichenlohe verarbeitete (Volk, S. 371 Anm. 23, S. 412).
Die Bewohner
Auch die Namen etlicher Einwohner Arenbachs sind überliefert. Der Liber Donationum nennt folgende Personen: Gobelinus, Theodericus de Overinbach, Hartlivus, Walterius carpentarius (Walter der Zimmermann), Johannes, Sohn des Hellevicus, Heymo de Ovenbach, Conradus de Ovinbach und schließlich Conradus, Herbordus und Lucardis de Overinbach sowie deren Kinder. Der früheste definitiv nachweisbare Bewohner ist für das Jahr 1270 in einer Urkunde des Klosters Eberbach überliefert: Waltherius, carpentarius in overenbach (Halfer, S. 34), der mit dem oben genannten Zimmermann Walter aus dem Liber Donationum identisch sein dürfte. Für das Jahr 1438 erscheint in einer Urkunde Heyntz der welcker zu Bopart, der in Arenbach wohnte (Volk, S. 408 Anm. 253). Er dürfte ein Handwerker gewesen sein, der in der Bopparder Walkmühle im Königstal, also am Ausgang des Mühltals, arbeitete und in der Tuchherstellung beschäftigt war. Ein Peter Leynert aus Arenbach taucht im Jahr 1604 als Pate im Taufbuch der Pfarrei St. Severus auf (Pesch, S. 175 Anm. 34). Außerdem vermerkt der Liber Donationum die Namen Auswärtiger, die in Arenbach Grundeigentum (meistenteils Wingerte) besaßen, zu Lehen hielten oder gepachtet hatten: Henricus miles bauwarus, ein Ritter, der sicherlich zur Familie der Beyer von Boppard gehörte, Henricus, Sohn des Klerikers Franco, und seine Schwester Jutta, die domina (Frau oder Herrin) Leticia de Seynheim (Senheim an der Mosel?), Conradus dictus Scotus (Konrad genannt der Schotte), Henricus heydene und seine Ehefrau Margareta, eine domina Lucardis, Frau eines Reinemann, sowie Odilia und Symon, vermutlich Eheleute.
Arenbach und Marienberg
Zum Benediktinerinnenkloster Marienberg stand Arenbach in einer besonderen Beziehung. Unter Umständen ist die Siedlung sogar im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters (ca. 1120/25) entstanden. Im Jahr 1420 erwarb die Äbtissin Mechthild Kolb von Boppard von den Bewohnern Arenbachs das Recht zur Nutzung des Orgelborns, was sich die Äbtissin Isingard von Greiffenclau 1456 bestätigen ließ. Weil die Kanäle aber über die Äcker und Wiesen der Arenbacher geführt werden mussten, erließ die Äbtissin den Einwohnern des Dörfchens als Gegenleistung bestimmte Abgaben (Nick, S. 39 Anm. 1). Dass es im 17. Jahrhundert zu Streitigkeiten über das Wasser des Orgelborns zwischen den Bopparder Bürgern und dem Kloster Marienberg kam, sei hier nur am Rande erwähnt. 1688 erbrachen die Bopparder gewaltsam das Wasserreservoir des Klosters, um mit Erlaubnis des kurfürstlichen Landesherrn das Wasser auf den Marktplatz zu leiten. Auf Proteste der Äbtissin hin, die auf die alte Vereinbarung mit den Arenbachern von 1420 pochte, vermittelte der Kurfürst einen Kompromiss, wonach die Bopparder wenigstens das überschüssige, von den Nonnen nicht benötigte Wasser nutzen durften. Doch schon wenig später erstritt das Kloster, dass auch diese Regelung rückgängig gemacht wurde (Rupp, S. 42 mit Anm. 3).
Das Ende Arenbachs
Über die Frage, wann Arenbach von seinen Bewohnern aufgegeben und zur Wüstung wurde, lassen sich nur Vermutungen anstellen. So findet sich die Behauptung, der Weiler sei der Belagerung der Stadt im „Bopparder Krieg“ im Jahr 1497 zum Opfer gefallen (Rund um Boppard Nr. 34, 20.8.1960, S. 6). Die oben erwähnte Mercator-Person-Karte, die den topographischen Zustand um 1600 festhält, bezeichnet Arenbach schon als verlassen und verfallen. Für das Jahr 1604 taucht mit Peter Leynert zum letzten Mal ein Arenbacher in den Bopparder Kirchenbüchern auf (Pesch, S. 175 Anm. 34). Nach anderen Angaben war Arenbach noch im dreißigjährigen Kriege bewohnt (Klein, S. 226), während an anderer Stelle berichtet wird, dass die Siedlung durch die kriegerischen Ereignisse eben jener Zeit zugrunde gegangen sei (Kreuzberg, S. 94). In den Marienberger Kellnerberichten, die für die Jahre 1724 bis 1782 vorliegen, wird Arenbach nicht mehr genannt (Heyen, S. 103-110, Index der Ortsnamen). Der Zeitpunkt des Untergangs Arenbachs wird also in einem Zeitraum von rund 150 Jahren zu suchen sein - alles Weitere wäre Spekulation. Sicher ist jedoch, dass der Bopparder Ortsbezirksteil Buchenau auf eine ältere Vergangenheit zurückblicken kann, als man landläufig annimmt.
(Geschichtsverein für Mittelrhein und Vorderhunsrück, 2023)
Quelle
Rund um Boppard (20.08.1960): Nr. 34, S. 6: Wo stand das Dorf Orienbach?