Vom Kastell zum Mittelalter
Nach dem Rückzug der römischen Truppen Mitte des 5. Jahrhunderts n.Chr. nutzten die verbliebene romanische Bevölkerung sowie die sukzessiv zuziehenden Franken unter anderem das Römerkastell als Siedlungsort. Bis heute bildet das Kastell die Kernstadt von Boppard. Bereits im 12. Jahrhundert sind erste Renovierungen bzw. eine Aufstockung der Mauern und Türme des Kastells inschriftlich belegt. Diese wurden finanziell unter anderem durch Oberwesel und Lahnstein unterstützt, die für diese Leistungen Vergünstigungen beim Bopparder Zoll erhielten. Die Türme und Mauern erhielten teilweise eine neue Verblendung und einen neuen Wehrgang. Dazu wurde der lokal vorkommende Tonschiefer benutzt, so dass sich die Ausbesserungsarbeiten von dem alten Material (Grauwacke) unterscheiden und dadurch kenntlich sind. Die Höhe der erneuerten Befestigung betrug bis zu 9 Meter, dazu kam der Wehrgang.
Erweiterungen der Stadtbefestigung
Eine erste Erweiterung der Stadtbefestigung erfolgte nördlich in Richtung des Rheins im 13. Jahrhundert. Vor allem im 14. bis zum 15. Jahrhundert in der Zeit der Trierer Kurfürsten wurden umfangreiche und sehr kostspielige Erweiterungen der Stadtbefestigung Boppards vorgenommen. Es wurden die Oberstadt und die Unterstadt durch den Bau einer Stadtmauer in die Befestigung mit einbezogen, wobei allerdings die alte Römermauer bestehen blieb. Diese Arbeit hat sich wohl über Jahrzehnte hingezogen. Die in dieser langen Bauzeit entstandene Stadtbefestigung enthielt 16 Tore und Pforten, durch die man die Stadt betreten oder verlassen konnte. Einige der bis heute erhaltenen Tore vermitteln ein Bild von der Gesamtarchitektur der mittelalterlichen Reichsstadt und späteren kurtrierischen Stadt am Mittelrhein.
Das Binger Tor heute
Am Binger Tor bekommt man bis heute einen Eindruck von den Dimensionen der mittelalterlichen Stadtmauer, die auch an anderen Stellen im Bopparder Stadtbild mit ihren Überresten noch präsent ist. Als Hauptzugang zu der Ostseite der Stadt diente das „Binger Tor“, ein ehemals dreigeschossiger Torturm mit Zeltdach, von dem noch die beiden massiven und heute an der Feldseite offenen Untergeschosse mit Rundbogentor erhalten geblieben sind. Eine Vorstellung von dem Tor bietet die Ansicht von Braun und Hogenberg.
Über den Außentoren hatte man Gusserker angebaut, um mögliche feindliche Belagerer und Eindringlinge mit heißem Pech und Öl abzuwehren. Heutzutage greift man nicht mehr zu solchen Ritualen, sind Touristen vielmehr wertgeschätzt und willkommen.
Die schönen Staketenzäune rechts und links der Gasse, auf einem Foto vor 1900 eingefangen, sind allerdings einer weniger schönen Aussicht gewichen.
(Klaus-Georg Brager und Geschichtsverein für Mittelrhein und Vorderhunsrück, Mai 2023)