Weisel gehörte zusammen mit Dörscheid und Kaub seit 1277 zur Kurpfalz, die sich seit 1546 zur Reformation bekannte und in der 1585 endgültig das reformierte Bekenntnis eingeführt wurde. 1685 kam die katholische Linie Pfalz-Neuburg an die Macht, die erfolglos eine Rekatholisierung in der Kurpfalz durchzusetzen versuchte. Weitere Faktoren wie die fortdauernde Verwicklung der Kurpfalz in die europäischen Kriege des 17. und 18. Jahrhunderts, ein zunehmend absolutistischer Herrschaftsanspruch der Kurfürsten und der Neubau des Schlosses in Mannheim führten dazu, dass die pfälzische Obrigkeit, obwohl sie für den Unterhalt der Kirchengebäude in den Gemeinden ihres Herrschaftsgebietes zuständig war, wenig zu ihrem Erhalt beitrug, so dass die alte Kirche in Weisel nach Jahrzehnten der Baufälligkeit 1773 wegen Einsturzgefahr niedergelegt werden musste. Es handelte sich hierbei um einen romanischen Vorgängerbau, vermutlich im 11. oder 12. Jahrhundert erbaut und zumindest im Turmaufbau ähnlich der noch existierenden evangelischen Kirche in Kaub. Ein 1781-1783 errichteter Glockenturm, der kurz nach dem Neubau neben das neue Kirchenschiff gestellt worden und aus Geldmangel niedriger ausgefallen war als das Kirchenschiff, war so mangelhaft ausgeführt, dass er 1815 schon wieder abgerissen werden musste.
Der zähe Kampf der Weiseler Gemeinde mit den Behörden um den Neubau der Kirche spiegelt sich in der äußeren Inschrift über dem nördlichen Kirchenportal wider, das dem Pfarrhaus zugewandt ist: Unter den hebräischen Schriftzeichen für Jehova steht: „Er thut, was die Gottesfürchtigen begehren, er hör ihr Schreien und hilft ihnen. Ps. 145.“
Kirchhof
Rund um die Kirche befand sich seit ihrer Gründung im Mittelalter der Dorffriedhof, der von einer Bruchsteinmauer umgeben war. Aufgrund amtlicher Verordnung - Weisel gehörte mittlerweile zum Herzogtum Nassau - wurde er 1818 aufgegeben und planiert. Der neue Friedhof wurde nordöstlich vor das Dorf verlegt. Seither wurden Teile des alten Friedhofs durch eine neue Wegführung westlich der Kirche, durch den Abriss der nördlichen Bruchsteinmauer und den Bau eines Luftschutzstollens während des II. Weltkriegs abgetragen. Von alten Grabdenkmälern blieb nichts erhalten.
Die Glocken
Die evangelische Kirche besitzt drei Glocken, die immer im Besitz der Kirchengemeinde waren. Zwei von ihnen stammen noch aus dem 16. Jahrhundert: die kleinste Glocke, Maria geweiht und bis heute als Totenglocke genutzt, wurde 1513 gegossen und diente auch dem Wetterläuten, das heißt mit ihr warnte man vor Unwettern. Die größte Glocke stammt aus dem Jahr 1553 und wurde von dem Glockengießer Paul Fischer aus Bingen gegossen. Die mittlere Glocke stammt aus dem Jahr 1951 und wurde von dem Ehepaar Kleinböhl gestiftet in Andenken an den im II. Weltkrieg gefallenen einzigen Sohn Karl. Deren Vorgängerglocke war ursprünglich 1661 von der Zivilgemeinde gestiftet, 1896 wegen eines Sprungs neu gegossen und im I. Weltkrieg für den Bau von Kanonen abgeliefert worden. Die 1928 beschaffte Ersatzglocke wurde ebenfalls im II. Weltkrieg eingezogen und eingeschmolzen. Die oben beschriebene große Glocke, die ebenfalls abgeliefert werden musste, wurde zum Glück nach dem II. Weltkrieg in Hamburg wiedergefunden und 1948 wieder nach Weisel zurückgebracht.
Innenausstattung der Kirche
Das Innere der Kirche entspricht im Großen und Ganzen dem Zustand aus der Erbauungszeit. Kanzel, Gestühl und Empore sind original erhalten, die hölzernen Windfänge vor den Eingangstüren an der Süd- und der Nordseite wurden erst 1894 eingebaut, der steinerne Altar 1886-1887 errichtet. Bis dahin hatte ein einfacher hölzerner Tisch als Altar gedient. Mit dem Neubau der Kirche wurde eine Sitzordnung für die Gemeindemitglieder getrennt nach Geschlecht, Alter und Familienstand eingeführt, die bis ins 20. Jahrhundert hinein gültig war.
Im Zuge einer Innenrenovierung 1927 wurden links und rechts der Kanzel zwei große Gemälde des Kunstmalers Adolf Presber aufgehängt mit den Themen „Barmherziger Samariter“ und „Kreuzigung Jesu“. Sie wurden bei einer weiteren Renovierung 1962-1964 entfernt und sind heute verloren.
Bei der letzten denkmalgerechten Sanierung und Renovierung des Kircheninneren in den Jahren 2005-2006 wurde die Inschrift aus der Erbauungszeit über der Kanzel restauriert: „Erbaut von Churpfalz. geistl. Administration a. 1777. Erneuert a. 1927.“.
Die Orgel ist denkmalgeschützt. Das Gehäuse stammt aus der Erbauungszeit; es ist ein Werk des Orgelbauers Johann Friedrich Stumm und seines Sohnes Friedrich Carl Stumm aus Rhaunen-Sulzbach im Hunsrück. Das Orgelwerk musste 1921 wegen Baufälligkeit von der Firma Gebrüder Link aus Giengen an der Brenz ersetzt werden. Ein Jahr zuvor war die Kirche an das neue Stromnetz angeschlossen worden.
Kulturdenkmal
Die evangelische St. Adreas-Kirche in Weisel wird im Nachrichtlichen Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Rhein-Lahn-Kreis (Stand 06.02.2023, dort S. 85) geführt. Der Eintrag lautet:
„Ev. Pfarrkirche St. Andreas Kirchgasse 10
fünfachsiger Saalbau, 1776/77, Westturm 1815-23, Architekt Christian Zais“
(Dr. Margit Göttert, Forschungsgruppe Weiseler Geschichte(n), 2023)