Ende der 1920er Jahre entwickelten die jungen Niersteiner Matrosen eine neue Sportart, das sogenannte Schifferstechen. Auf den Spitzen zweier Nachen stehend, versuchten sich die Matrosen gegenseitig mit einer langen Stange ins Wasser zu stoßen. Bis heute findet das traditionelle Schifferstechen statt. Zu diesem Objekt gibt es eine interaktive 360-Grad-Ansicht.
Geschichte Ende der 1920er Jahre hatten die Binnenschiffer wegen der sehr schlechten Wirtschaftslage in ganz Europa wenige Touren zu fahren. Die Frachtraten waren sehr tief gesunken. Deshalb blieben viele Binnenschiffe in den Häfen. So lagen auch viele Niersteiner Partikuliere mit ihren eigenen Schiffen in Nierstein über mehrere Wochen vor Anker. Die Langeweile verbreitete sich unter den jungen Matrosen und jede Abwechslung war willkommen. So nahmen diese ihre Rettungsboote, sogenannte Nachen, und ruderten bei Sonnenschein auf der Reede. Da kamen einige auf die Idee, dass sich auf die Spitzen der Nachen jeweils ein Matrose stellte, der mit einer langen Stange versuchte sein Gegenüber ins Wasser zu stoßen. Es fuhren also immer zwei Nachen nebeneinander her auf dem jeweils ein Stecher stand. Jeder, der seinen Gegner ins Wasser gestoßen hatte, war eine Runde weiter. Die Stangen waren am Ende gepolstert, um Verletzungen vorzubeugen. Als Erschwernis bauten sie noch ein schmales Brett am Nachen an, das der jeweilige Kämpfer nicht verlassen durfte. Die Kampfzeit betrug 3 Minuten. Fiel bis dahin keiner ins Wasser, sorgte ein Punktsystem für die Entscheidungen, das bis heute gültig ist. Damit war das Schifferstechen von Niersteiner Schiffern erfunden.
Als dann 1936 der Niersteiner Schiffermast eingeweiht wurde, entschloss man sich das Schifferstechen auf dem Rhein in das Programm des im Jahr zuvor erstmals durchgeführte Niersteiner Winzerfests zu integrieren. Der erste Sieger war damals Ludwig Lerch. Weil seinerzeit die meisten Schiffer im Schifferverein „Einigkeit“ organisiert waren, übernahmen dessen Mitglieder die Durchführung. Nachdem die Zahl der Schiffer im Laufe der Jahre zurückging, unterstützten Mitglieder der DLRG Nierstein die Veranstaltung, bevor sie Mitte der 1980er Jahre die alleinige Verantwortung übernahmen und seitdem die Tradition pflegen. Technische Neuerungen und das Anhängen der Nachen an ein Motorboot sichern nun, dass die Nachen immer nebeneinander hängen und bessere Voraussetzungen für attraktive Kämpfe gegeben sind. Auf diese Weise wird bis heute das Schifferstechen zwar etwas abgeändert, aber immer noch im K.o.-System durchgeführt. Der Sieger, der den begehrten Wanderpokal erhält, muss also alle seine Kämpfe gewinnen. Auch sind inzwischen 10 junge Damen sehr aktiv. Bis heute ist das Schifferstechen Programmpunkt der Winzerfeste, lockt viele Besucher an den Rhein und bleibt eine Niersteiner Tradition, die durch die aktiven Männer und Frauen der DLRG auch eine Zukunft hat.
Die Niersteiner Schifferstecher waren seit den 1970er Jahren auch über 20 Jahre bei der Mainzer Johannisnacht eine Attraktion im Programm, 15 Jahre wirkten sie in München beim internationalen Schifferstechen auf dem Olympiasee mit.
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Empfohlene Zitierweise
Willi Ebling (2022), Hans-Peter Hexemer (2022): „Leben am Rhein, Station 5”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-344841 (Abgerufen: 19. April 2024)
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