Wie verlief die Rheinbahn?
Vom Niersteiner Güterbahnhof führte seit dem Jahr 1900 ein Gleis direkt an den Rhein. Es überquerte die heutige Bundesstraße 9 an der Einmündung der B420. Ab der Dammgasse gab es zwei Gleise, die in Höhe der Rheinstraße endeten, wo sich früher die Landebrücke der „Köln-Düsseldorfer Dampfschiffahrtsgesellschaft“ befunden hat. Nahe der heutigen Anlegestelle, etwa in Höhe der Großen Fischergasse, stand seit 1902 ein Elektrokran. Mit diesem wurden Schiffe be- und entladen. Als im August das Luftschiff des Grafen Zeppelin auf dem Kornsand landete und einen Tag später bei Echterdingen ausbrannte, schickten die Niersteiner nicht nur Geld, sondern auch eine Weinspende. Der gespendete Wein wurde an diesem Ort, am Rheinufer, aufs Schiff verladen. Am 7. Juli 1920 wurden die neuen Glocken der evangelischen Martinskirche per Schiff an diesen Ort befördert. Unter großer Anteilnahme der Niersteiner Bevölkerung wurden die Glocken am Rheinufer ausgeladen und mit der Bahn an den Bestimmungsort transportiert.
Gleisfragmente
Dass die Gleise erhalten blieben, hatte einen ganz pragmatischen Grund. Am Rheinufer sollte in den 1980er Jahren die gesamte Fläche hinter der Hochwassermauer neu gepflastert werden. Es stellte sich dann aber heraus, dass eine Entfernung der Gleisanlage nur mit einem unvertretbaren Kostenaufwand möglich gewesen wäre. Daher verzichtete die Stadt darauf und nur deshalb sind diese Spuren von einst noch heute erhalten.
Fluss als Transportweg
Der Rhein war schon vor dem 20. Jahrhundert für den Transport von Waren wichtig. Im Jahre 1825 befuhr ihn das erste Dampfboot. Zuvor waren schon die Sandfärcher unterwegs, wurden die Schiffe auf dem Treidelpfad gezogen. Langsamer eben und vielfach in engeren Räumen. Mit dem Entstehen der Dampfschifffahrt wurde der Rhein zu einer großen Wasserstraße, auf der immer mehr transportiert wurde. Auch in Nierstein landeten die Schiffe an und nahmen Ladung auf. Die Veränderungen in der Schifffahrt, die größeren Schiffe, die Schleppzüge und später die immer größer werdenden Schubschiffe bis zu den Containerschiffen von heute - all dies machte die Hafenanlagen in Nierstein mit der Zeit nicht mehr notwendig. Sie mussten aufgegeben werden. Heute erinnern noch der Schiffermast, den 1936 der Schifferverein „Einigkeit“ errichtete, der Anlegesteiger und eben die Schienen der Rheinbahn an die große Zeit der Niersteiner Schifffahrt.
(Hans-Peter Hexemer, Geschichtsverein Nierstein e.V., 2022)