Moose sind eine der ältesten Gruppen höherer Pflanzen - sie besitzen keine Stütz- und Leitorgane, um Wasser und Nährstoffe zu transportieren, und sind somit in besonderer Weise abhängig von Wasserverfügbarkeit und dem Mikroklima ihres Standorts. Letzteres macht sie zu guten Zeigerorganismen, an denen man unter anderem Temperatur und Wasserverfügbarkeit „ablesen“ kann. Dabei ist weniger die schiere Anzahl der Arten als vielmehr die Zusammensetzung der Artengemeinschaften von Bedeutung. Denn jede Moosart trotzt den ökologischen Widrigkeiten etwas anders, so dass sich in jeder Nische die dafür spezifische Gemeinschaft einfindet. So überleben nur wenige Moose auf freistehenden, sonnenexponierten Substraten - und doch ließen sich an allen untersuchten Betonhöckern Moose finden.
Insgesamt wurden 64 verschiedene Moosarten nachgewiesen, darunter 59 Laubmoos- und 5 Lebermoosarten. Bei den festgestellten Moosen handelt es sich durchweg um ungefährdete Arten. Die Lebensräume entlang der Westwall-Linie unterscheiden sich teils deutlich voneinander: Die Bandbreite liegt hier von offenen Bereichen mit geringer oder fehlender Beschattung durch höhere Pflanzen bis zu vollständig beschatteten Bereichen in Gehölzstreifen. Dementsprechend angepasst hat sich die Moosvegetation auf den Betonhöckern, wobei die höchsten Artenzahlen in beschatteten Bereichen registriert wurden. So wurden am Standort Butterweiden auf den Betonhöckern 39 verschiedene Moosarten festgestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Habitatbedingungen, vor allem hinsichtlich der Feuchte, wurden auf dem Plateau der Betonhöcker weniger Moosarten als auf den feuchteren Seitenflächen festgestellt.
Erwartungsgemäß ähnelt die Moosvegetation an den beschatteten Betonhöckern jener auf natürlichen Gesteinssubstraten in unseren Waldökosystemen. Die ursprünglich als Kriegsmittel gedachten Betonpyramiden („Drachenzähne“) erhalten durch den Bewuchs mit Moosen und teils auch großen Flechten einen „grünen Mantel“.
Efeu (Hedera helix) führt in beschatteten Bereichen zur Verkleinerung des Platzangebots für die Moose auf den Betonhöckern, da sich diese Schattenpflanze dominant ausbildet. Dies erwies sich jedoch nicht nachteilig für die Moosartenvielfalt, und so vergrößert Efeu mitunter die Strukturvielfalt der einzelnen Standorte.
Aufgrund ihres Habitat- und Strukturreichtums bietet die Westwall-Linie mit ihren Betonhöckern in unterschiedlich alten Pionierwäldern insbesondere gesteinsbewohnenden Moosen und Flechten ein reichhaltiges Angebot, das sich über die Jahrzehnte weiterentwickelt, fehlende natürliche Angebote ersetzt und in dieser Funktion erhalten werden sollte.
(Christina Baumann, Alexander Terstegge, Manfred Aletsee, NABU-Naturschutzstation-Aachen, 2022 / Norbert J. Stapper, Büro für ökologische Studien, Monheim am Rhein, 2022)
Internet
naturschutzstation-aachen.de: Biotopverbund im Westen – der Westwall (abgerufen 26.06.2022)