De Wittsee bei Nettetal

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Nettetal
Kreis(e): Viersen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 19′ 47,35″ N: 6° 14′ 20,24″ O 51,32982°N: 6,23896°O
Koordinate UTM 32.307.651,76 m: 5.690.122,92 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.516.698,53 m: 5.688.366,13 m
  • Blick vom Badesteg des Freibades über den De Wittsee in südliche Richtung (2018)

    Blick vom Badesteg des Freibades über den De Wittsee in südliche Richtung (2018)

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  • Der alte Angelsteg führte einst durch einen breiten Röhrichtsaum bis zur freien Wasserfläche des De Wittsees. (2018)

    Der alte Angelsteg führte einst durch einen breiten Röhrichtsaum bis zur freien Wasserfläche des De Wittsees. (2018)

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  • Reste alter Angelstege am Nordwestufer des De Wittsees (2021)

    Reste alter Angelstege am Nordwestufer des De Wittsees (2021)

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Der De Wittsee liegt nordwestlich von Nettetal-Lobberich in der naturräumlichen Haupteinheit „Schwalm-Nette-Platten“ und wird durch die Eisenbahnlinie Kempen - Kaldenkirchen - Venlo unterteilt in den Großen und den Kleinen De Wittsee. Der De Wittsee gehört zu einer Seenkette entlang des Flusses Nette, die durch die Landschaftsnutzung des Menschen entstand. In diesem Raum wurden die Landschaft beidseits der Nette sowie der Fluss selbst durch Torfabbau und Mühlenstau umgestaltet.

Tektonische und naturräumliche Bedingungen
Im Tertiär noch von einem Meer und dessen Ablagerungen bedeckt, schotterten Rhein und Maas die vom Meer freigegebenen Flächen des niederrheinischen Tieflandes in den Kaltzeiten auf und zertalten diese Schotterflächen wiederum in Warmzeiten, sodass nach und nach verschiedene Terrassenstufen entstanden. Die Schotter im Bereich des Nettetales gehören zur älteren und jüngeren Hauptterrasse, die im Altpleistozän (vor ca. 2,4 Mio. - 400.000 Jahren) angelegt wurden. Allerdings gehört dieses Gebiet zum Venloer Graben, der sich im Zusammenhang mit der Hebung des Rheinischen Schiefergebirges im Alttertiär entlang der Viersener Störung absenkte (westliche Scholle) (Hubatsch 1986, S. 4). Da der Rhein seinen Lauf nach Ablagerung der jüngeren Hauptterrasse auf die östliche Scholle verlagerte, blieben die Hauptterrassenschotter auf der westlichen Scholle erhalten. In diesen Hauptterrassenschottern westlich des Viersener Sprunges ist das Nettetal ausgebildet.
Dieses Tal ist nun, in Relation zur heutigen Abflussmenge der Nette gesetzt, ein sehr breites: Im Bereich des De Wittsees beträgt seine Ausdehnung 650 Meter. Laut Hubatsch kann eine solche Talbreite nur durch große Mengen abfließenden Oberflächenwassers entstehen. Dies ist dann möglich, wenn ein hoher Grundwasserspiegel stauend wirkt und das Oberflächenwasser mit starker Erosionswirkung abläuft (Hubatsch 1986, S. 6). „Steeger (1928) führt die Breite des Tales auch auf periglaziale Erscheinungen zurück: Während der Kaltzeiten taute der Boden während des Sommers nur oberflächlich auf. Weil die Verdunstung nur gering war, bildeten sich erhebliche Wassermassen, die in den Frostboden nicht eindringen konnten und in breiten verwilderten Flußbetten abflossen. In großen Zeiträumen entstand so die breite Talsohle, die Mäanderbildung im Alluvium hat dann noch ihren Teil dazu beigetragen“ (Hubatsch 1986, S. 6).
Verstärkend auf die Bildung von Seen und Niedermooren im Nettetal wirkte sich die bis heute andauernde Senkung innerhalb der tertiären Bruchstukturen aus. Das Flussgefälle wurde schwächer, der Grundwasserspiegel stieg und die tektonische Störung am Viersener Sprung verstärkte die Anstauung des Wassers. „Es ist anzunehmen, daß, durch Lage und Klima bedingt, sich sofort größere Niedermoore ausbildeten“ (Hubatsch 1986, S. 8), die Bruchwaldtorf enthalten und sich vergleichbar mit benachbarten Gebieten nach der Weichsel-Kaltzeit (8300-7500 v. Chr.) entwickelten. Auf den Niedermooren stockten laut pollenanalytischen Untersuchungen größtenteils Erlenbruchwälder (Hubatsch 1986, S. 9).

Die Nutzung des Nettetales durch den Menschen
Diese wurden im Rahmen der Urbarmachung von den Bewohnern der umliegenden Siedlungen gerodet und als Wiesenflächen genutzt. Torf und Holz wurden als Brennmaterial benötigt.
Ab dem 15. Jahrhundert wurde kleinmaßstäbig und für den Hausgebrauch Torf gestochen. Im 17. Jahrhundert setzte großflächiger Torfabbau für die Gewinnung von Heizmaterial ein (Vogt 1988, S. 47). Laut Literatur erreichte der Torfstich am De Wittsee um 1630 bis 1650 seinen Höhepunkt und dauerte bis ins 19. Jahrhundert an (Hubatsch 1986, S. 14). Die verbleibenden Erdvertiefungen verfüllten sich mit Regen- und Grundwasser.
Der Torfgewinnung voraus ging bereits ab etwa Anfang des 12. Jahrhunderts die Ableitung von Wasser aus den Brüchen zur Befüllung der Wassergräben der Burg Altkrickenbeck und anschließend, ab 1286 der neuen Burg Krickenbeck. Für den Antrieb der Leuther Mühle musste die Nette hochgelegt werden. Mit der Zeit bildete sich der De Wittsee durch die Torfgewinnung und nach und nach erhöhte sich der Wasserspeicher für den Mühlenantrieb. Die Nette ist ab dem De Wittsee um zwei Meter gegenüber ihrem natürlichen Flussbett höherverlegt (Hubatsch 1986, S. 14).
Eine offene Wasserfläche wird erstmals 1729 schriftlich erwähnt (van de Weyer 2017, S. 62f); unter dem Namen „Blankwater“ wird der See in Zusammenhang mit Fischereiverpachtungen 1756-1759 genannt. Als „Leuther-See“ wird er auf der Tranchot-Karte bezeichnet; auf der Preußischen Uraufnahme „Witt“ und auf der Preußischen Neuaufnahme „De Witt“ mit einer damaligen Fläche von 51-54 Hektar. Heute hat er eine Fläche von 29 Hektar und eine Wassertiefe von 1-2 Metern (mittlere Wassertiefe 1,4 Meter).

Der See wurde und wird zusätzlich zu Freizeitzwecken genutzt: Baden, Segeln und Kanu fahren (https://www.npsn.de/index/lang/de/artikel/1358 abgerufen am 21.06.2021), Wandern, Radfahren und Naturbeobachtungen sind hier möglich. Die Angelstege (ASV Seerose Leuth e.V. seit 1933) im nördlichen Bereich und das Freibad sowie der Standort des Wassersportvereins Wassersportfreunde De Wittsee e.V. (seit 1946) weisen auf eine intensive Freizeitnutzung hin.

Bis in die 1970er Jahre wurden Seerosen für gärtnerische Zwecke entnommen. Die ehemals zahlreichen, großen Schwimmblattfelder bildenden See- und Teichrosenbestände sind heute nicht mehr vorhanden (van de Weyer 2017, S. 63 u. 65).
Laut van de Weyer ist der Name De Wittsee möglicherweise auf diese Seerosenbestände zurückzuführen (2017, S. 65). Vogt (1988, S. 57) schreibt andererseits, dass der De Wittsee (der weiße See) seinen Namen dem Wollgras zu verdanken hat, „das hier große Randflächen bedeckte und die Umgebung mit seinem schneeweißen Flaum überzog“.

Wie der Film „Eissägen auf dem De-Witt-See“ aus dem Jahr 1980 dokumentiert, wurde der See von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Ortschaft Sassenfeld auch zur Gewinnung von Eis genutzt (https://www.youtube.com/watch?v=quEuvI-8Q6E, abgerufen 23.08.2023).

Ökologie des De Wittsees
Diese künstlichen Seen hatten um 1800 ihre größte Ausdehnung. Da es sich um nährstoffreiche Gewässer handelte, unterlagen sie einem natürlichen Verlandungsprozeß. Er zeigte die typischen Zonen von der Unterwasserflora mit Chara, Hornkraut und Laichkräutern zur Schwimmblattgesellschaft mit See- und Teichrose, Wasserknöterich, Froschbiß u.a. Nach Erhöhung des Seebodens konnten Seebinse (...) und Schilf Fuß fassen und bildeten breite Röhrichte aus. Ihre hohe Stoffproduktion erhöhte den Grund, so daß schließlich Seggen, Weiden und danach Erlen einflogen. Sie bildeten weitläufige Erlenbruchwälder, zuerst das nasse Erlensumpfmoor, dann das trockenere Erlenstandmoor“ (Hubatsch 1986, S. 16). Mit der Industrialisierung und Kanalisierung und vermehrten Einleitung von Abwässern wurden die Verlandungsprozesse innerhalb der Seen erheblich beschleunigt (Hubatsch 1986, S. 16).
Seit den 1960er Jahren wurden Entschlammungsmaßnahmen in den Netteseen durchgeführt, um diesen Rückgang der Wasserflächen und damit verbunden auch der Biotope (z.B. Röhricht) aufzuhalten. Im Vergleich zur Wasserfläche auf Altkarten (s. Abschnitt „Entstehung“), die noch 51-54 Hektar betrug, hat der De Wittsee heute eine Wasserfläche von 29 Hektar. Deutlich wird der Rückgang auch im Bereich der Angelstege am Nordwestufer des Sees: Einst führten diese durch ein Röhricht bis zur freien Wasserfläche, liegen heute jedoch völlig frei.
Durch Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität (z.B. Kläranlagen) siedelten sich ab der Jahrtausendwende wieder Wasserpflanzen an - allerdings handelt es sich um andere Arten als ursprünglich. Die Besiedlung mit Neobiota (= neue Tiere und Pflanzenarten, die von Natur aus nicht hier heimisch sind) ist zu beobachten. Beispiel hierfür ist die ursprünglich aus Nordamerika stammende und erstmals 1953 in Deutschland beobachtete Schmalblättrige Wasserpest, die sich ab 2009 im großen De Wittsee schnell und stark ausbreitete. Sie schränkt z.B. die Wassersportnutzung ein und konfrontiert den Netteverband beim Management der Wasserpflanzen-Massenentwicklung mit hohen Kosten und Problemen (van de Weyer 2017, S. 68).

Während der Große De Wittsee als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen ist, wurde der Kleine De Wittsee unter Naturschutz gestellt. Hier kommen u.a. folgende Pflanzen und Tiere (auch Neobiota) vor: Schmalblättrige Wasserpest, Wasserlinsen, Laichkräuter, Körbchenmuschel, Roter Amerikanischer Sumpfkrebs, Rotauge, Flussbarsch, Brasse, Schleie, Sonnenbarsche, Karpfen, Libellen, Amphibien, Nutria, Bisam, Teichrohrsänger, Rohrammer, Blässhühner, Haubentaucher, Kormorane, Höckerschwäne, Graugänse, Schnatterenten (van de Weyer 2017, S. 66ff; www.npsn.de).

Kulturhistorische Bedeutung
Der De Wittsee ist Zeugnis für eine vielschichtige Landschaftznutzung durch den Menschen. Beginnend mit der Sicherung der Motte Alt-Krickenbeck ab Anfang des 12. Jahrhunderts, wurde die Nette später auch für den Antrieb der Leuther Mühle künstlich höhergelegt und gestaut. Der ab dem 17. Jahrhundert großmaßstäbig betriebene Torfstich führte ergänzend zur Bildung einer großen zusammenhängenden Wasserfläche, die sich im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Lebensraum für Flora und Fauna entwickelte. Der De Wittsee bzw. das gesamte Nettetal mit seiner Seenkette ist aufgrund seiner historischen Tiefe, der bis heute ablesbaren Nutzungsstrukturen, seiner identifikatorischen Bedeutung für die umliegend wohnende Bevölkerung und aufgrund seiner ökologischen sowie Freizeitfunktion als kulturhistorisch bedeutsam einzustufen.

(Nicole Schmitz, LVR-Abteilung Kulturlandschaftspflege, 2021)

Internet
www.npsn.de: De Wittsee (abgerufen am 21.06.2021)
www.youtube.com: Video:Alltagskulturen im Rheinland (abgerufen am 23.08.2023)

Literatur

Hubatsch, Herbert (1986)
Das Nettetal. Entwicklung und Erhaltung einer Niederrheinischen Landschaft. (Rheinische Landschaften, Heft 15.) Neuss (2. neu bearbeitete Auflage).
van de Weyer, Klaus / Akkermans, R. et al. (Hrsg.) (2017)
Der De Wittsee. Ein See im Wandel der Zeiten. In: Akkermans, Reinier; Dekker, Wilbert; Op den Kamp, Olaf; de Ponti, Math; Reyrink, Leo; Weich, Silke (Hrsg.): Natur füreinander im Naturpark Maas-Schwalm-Nette, S. 62-71. Maastricht.
Vogt, Hans (1988)
Der Rhein-Maas-Weg. Hauptwanderweg x9 des Vereins Linker Niederrhein - Krefeld-Venlo -. Krefeld, (2. Auflage).

De Wittsee bei Nettetal

Schlagwörter
Ort
41334 Nettetal
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Kein
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung
Historischer Zeitraum
Beginn 1500 bis 1700

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Nicole Schmitz (2021): „De Wittsee bei Nettetal”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-333686 (Abgerufen: 5. Mai 2024)
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