Der Tagebau Inden ist seit 1991 der dritte Einsatzort des Schaufelradbaggers 255, der ursprünglich Anfang August 1955 seine Arbeit im damaligen, zwischen Bergheim und Bedburg gelegenen Großtagebau Fortuna aufnahm. Als weltweit erstes Exemplar der 110.000er-Geräteklasse – das heißt mit einer Tagesleistung von 110.000 m3 Abraum oder 110.000 Tonnen Kohle – verkörperte er mit seinem Aufbau aus eigentlichem Bagger, Verbindungsbandbrücke und Zugverladeanlage die Standardbauform der Generation der „Fortuna-Bagger“, die bis 1973 gebaut wurden. Den Auftrag zum Bau von Bagger 255 hatte die Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation (RAG) 1952 an die Lübecker Maschinenbau GmbH und – für die elektrische Ausrüstung – an die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) vergeben.
Auf dem mit einem Raupenfahrwerk ausgestatteten Baggerunterbau stützt sich, auf einem Kugellaufring gelagert, ein zylindrischer Mittelaufbau ab, an den die zur Verladeanlage führende Bandbrücke angesetzt ist. Auf dem Mittelaufbau sitzt auf einem Kugellaufring gleicher Konstruktion der ebenfalls schwenkbare Baggeroberbau, bestehend aus zwei dreiecksförmigen Stahlkonstruktionen, von denen die eine mit Gegengewichtsausleger und Traggerüst feststeht, während bei der anderen der Schaufelradausleger mittels eines am Traggerüst aufgehängten Flaschenzuges aus 24 Stahlseilen bewegt werden kann.
Der Bagger förderte im Mai 1956 die erste Kohle in Fortuna und wurde anschließend bis Dezember 1975 im Abraumbetrieb eingesetzt, bevor er im Februar 1976 in den Tagebau Frimmersdorf überführt wurde. Nach der endgültigen Stilllegung des Zugbetriebs in Frimmersdorf erfolgte hier 1983 die Umrüstung der Zugbeladungsanlage auf einen Bandbeladekopf. Im Herbst 1991 wechselte Bagger 255 erneut seinen Standort und wurde auf einer 26 Kilometer langen Strecke in den Tagebau Inden gefahren. Der Tagebau Inden war 1957, in unmittelbarer Nachbarschaft des Tagebaus Zukunft-West der Braunkohle-Industrie AG (Biag) »Zukunft« gelegen, zur Kohleversorgung des neuen RWE-Kraftwerks Weisweiler von dem RWE-Tochterunternehmen Braunkohlen- und Briketwerke Roddergrube AG aufgeschlossen worden. Nach der Fusion der vier großen Braunkohlenbergbaubetriebe im Rheinischen Revier zum Jahresende 1959 konnten die Abbauplanungen auf eine neue Basis gestellt werden. Der Tagebau Inden wurde 1969 gestundet und die gesamte Förderung für das Westrevier auf Zukunft-West konzentriert. Mit der absehbaren Auskohlung des Tagebaufeldes Zukunft-West begann 1981 der Wiederaufschluss des Tagebaus Inden mit einem neuen Drehpunkt südlich der damaligen Ortschaft Pattern. Bis 1987 wurden alle Tagebauanlagen und -geräte von Zukunft-West nach Inden überstellt.
Die unmittelbar nördlich der Autobahn A4 gelegenen Tagesanlagen des 1935 neu aufgeschlossenen Tagebaus Zukunft-West, unter ihnen mehrere Hallen in Stahlfachwerkbauweise mit Ziegelausfachung, sind heute Teil des Betriebsstützpunkts des Tagebaus Inden. Schaufelradbagger 255 ist weiterhin in Betrieb, nachdem seit Mitte der 1980er Jahre in mehreren Stufen die gesamte elektrische Versorgungsanlage, die Kommunikationseinrichtungen sowie der Schaufelradkopf mit Schaufelradwelle und Antriebssystem vollständig erneuert worden sind. Er stellt ein herausragendes Zeugnis für den Stand der Großgerätetechnik nach dem Zweiten Weltkrieg dar, deren Entwicklung den Betrieb der Großtagebaue erst ermöglicht hat.
(Norbert Gilson, Büro für technikhistorische Forschung und Beratung / Aachen; Institut. Industrie – Kultur – Geschichte – Landschaft, 2020)