Der Braunkohlenbergbau in Lucherberg geht auf das frühe 19. Jahrhundert zurück, als der Besitzer des Gutes Merödgen, Freiherr Karl von Goltstein, 1821 eine Konzession erwarb und in der nach ihm benannten Goltsteingrube in Handarbeit untertage Braunkohle abbauen ließ. Einen Aufschwung nahm die zwischenzeitlich wieder stillgelegte Braunkohlengewinnung erst zum Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem zwei Kölner Industrielle 1897 unter Gründung der Gewerkschaft Lucherberg in die Finanzierung einer Brikettfabrik eingestiegen waren.
Im Mai 1901 konnte die neue Fabrik, ausgestattet mit Kesselhaus, elektrischer Zentrale, drei Röhrentrocknern und zwei Brikettpressen, ihren Betrieb aufnehmen. Die Rohkohle kam aus einem nördlich der Fabrikanlagen – auf dem Gelände der heute rekultivierten Goltstein-Kuppe – neu aufgeschlossenen Tagebau. In stetigen Erweiterungs- und Modernisierungsschritten wurde die Fabrik bis zum Ersten Weltkrieg auf einen Bestand von neun Röhrentrocknern und acht Pressen ausgebaut. Jährlich verließen 90.000 t Briketts die Fabrik.
Trotz dieser Aufwärtsbewegung geriet die Gewerkschaft Lucherberg während des Ersten Weltkriegs in eine schwierige Lage. Die Kohlelieferungen aus dem 1917 neu aufgeschlossenen örtlichen Tagebau – dem heutigen Lucherberger See – und die zusätzliche Kohleanfuhr über eine Grubenbahn aus dem 5 km östlich von Lucherberg gelegenen Tagebau Konzendorf der Gewerkschaft Düren konnten den Bedarf nicht decken, so dass die Brikettproduktion weitgehend zum Erliegen kam. Erst Mitte der 1920erJahre verbesserte sich die Lage wieder, nachdem die mit ihrem Kraftwerk und der Brikettfabrik im benachbarten Weisweiler produzierende Braunkohlen-Industrie AG (Biag) »Zukunft« alle Kuxe der Gewerkschaft Lucherberg erworben hatte. Die mit umfangreichen Umbau- und Neubaumaßnahmen, unter anderem dem Bau eines eigenen Kraftwerks mit einem 35-kV-Schalthaus, eingeleitete Modernisierung, erlaubte einen neuen Aufschwung der Brikettherstellung.
Bei den Kämpfen um Lucherberg im September 1944 wurden die Gebäude durch Artilleriebeschuss schwer in Mitleidenschaft gezogen, jedoch konnte die Produktion im Februar 1946 unter alliierter Kontrolle wieder angefahren werden und 1950 produzierte die Fabrik mit 260 Beschäftigten täglich wieder 1.800 t Briketts. Infolge der zunehmenden Betriebskonzentrationen in der Braunkohleindustrie und des sich abzeichnenden Rückgangs im Brikettabsatz waren die Einstellung des Grubenbetriebs 1956 und die Stilllegung der Brikettherstellung 1960 jedoch konsequent.
Erhaltene Teile der Gesamtanlage
Bereits 1961/62 wurden die Anlagen bis auf wenige Reste abgerissen. Erhalten blieben zunächst ein Werkstatt- und ein Magazingebäude aus der Zeit um 1900 und das 35-kV-Schalthaus von 1925/26, alle als massive Backsteinbauten errichtet. Werkstatt und Schalthaus sind inzwischen ebenfalls abgerissen.
Kulturhistorische Bedeutung
Die Brikettfabrik hat das Erscheinungsbild des Ortes und mit der Goltstein-Kuppe und dem Lucherberger See auch die Landschaft um Lucherberg nachhaltig geprägt. Im Ortsbild treten heute noch die um 1900 errichteten Arbeiter- und Beamtenwohnhäuser sowie ein Kasino in Erscheinung, die in der Goltsteinstraße gegenüber dem von den ehemaligen Fabrikanlagen allein noch verbliebenen Magazingebäude liegen.
Hinweis
Das Objekt „Fabrik Lucherberg“ ist wertgebendes Merkmal des historischen Kulturlandschaftsbereiches Rodderberg Brikettfabrik und Halde bei Lucherberg(Kulturlandschaftsbereich Regionalplan Köln 124).
(Norbert Gilson, Büro für technikhistorische Forschung und Beratung / Aachen; Institut. Industrie – Kultur – Geschichte – Landschaft, 2020)