Die Villa Burgeff wurde Mitte des 19. Jahrhunderts als Residenz der ersten Hochheimer Sektfabrikanten erbaut – die gleichzeitig auch die ersten rheinischen Sektfabrikanten überhaupt waren. Ende des 19. Jahrhunderts fiel sie einem Brand zum Opfer und wurde im Jahr 1904 als kopierender Nachbau wiedererrichtet.
Die Geschichte der Sektherstellung begann jedoch schon früher. Ab dem Jahr 1830 fanden nur wenige Häuser von der Villa Burgeff entfernt, in einem Gasthaus in der Mainzer Straße, die ersten Gärversuche statt. Bald darauf sollte Hochheim nicht mehr nur Weinstadt sein, sondern auch eine bedeutende Sektstadt werden.
Ignaz Schweickhardt brachte die Sektherstellung in den Rheingau
In den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts reiste der junge Küfer und Gastwirtssohn Ignaz Schweickhardt (ca. 1807 – 1858) aus Hochheim am Main in die Champagne, um bei seinem Patenonkel in Reims zu lernen und zu arbeiten. Dieser leitete dort die Champagnerkellerei der Witwe Cliquot-Posardin. Nach einigen Jahren der Arbeit in der Champagnerherstellung kehrte Schweickhardt 1830 nach Hochheim zurück. Bald darauf begann er mit den ersten Gärversuchen im Keller der elterlichen Gastwirtschaft „Burg Ehrenfels“ in der Mainzer Straße 22, seinem Geburtshaus. Im Jahr 1832 schenkte Schweickhardt dort den ersten Hochheimer Sekt aus - und gilt damit als derjenige, der die Sektherstellung in den Rheingau brachte.
In dem noch bestehenden Gebäude der einstigen Gastwirtschaft „Burg Ehrenfels“ befindet sich heute der Gasthof „Hochheimer Hof“ beziehungsweise die „Hochheimer Terrasse“.
Von den ersten Gärversuchen zur Schaumweinfabrik Burgeff und Schweickhardt
Ab 1834 produzierte Ignaz Schweickhardt regelmäßig Schaumwein. Da der Platz im Keller der Gastwirtschaft seiner Eltern bald nicht mehr ausreichte, mietete er die unweit entfernte Backstube einer Bäckerei mitsamt Verkaufsräumen und Keller in der Kirchsgasse an. Dort eröffnete er sein erstes Gärlokal. Schweickhardts Produktion wurde immer erfolgreicher und sein Schaumwein „Mussie“ (von moussierend) wurde bereits in den 1830er Jahren nach Übersee (Philadelphia, USA) exportiert.
Um 1835/36 stieg Carl Burgeff (1813–1871), Sohn einer Geisenheimer Weinhändlerfamilie, als Finanzier und später auch als Geschäftspartner in das Unternehmen ein, welches dadurch expandieren konnte. 1837 wurde die „Burgeff und Schweickhardt - Schaumweinfabrik zu Hochheim“ gegründet. Sie war die erste in der Rhein-Main-Region und – nach der im Jahre 1826 gegründeten Sektkellerei Kessler in Esslingen - die zweite im ganzen deutschen Kaiserreich.
Auf dem Gelände des heutigen Weinguts Künstler, ebenfalls an der Mainzer Straße gelegen, befand sich das Weingut der Schaumweinfabrik mitsamt Lagerhallen sowie unter- und überirdischer Keller. Ab 1841 förderte Carl Burgeff von London aus die internationale Entwicklung des Unternehmens. Insbesondere der „Sparkling Hock“ von Burgeff und der frische „Burgeff Grün“ wurden wegen seiner hohen Qualität weltberühmt. „Sparkling Hock“ wurde höher gehandelt als Champagner. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des ersten Weltkriegs wurden die Schaumweine insbesondere nach England und in die USA exportiert.
Burgeff und Schweickhardt gehen getrennte Wege
Aufgrund von Differenzen beendete Schweickhardt im Jahr 1855 die Zusammenarbeit mit Burgeff. Das Unternehmen, das ab 1857 „Burgeff & Co., Hochheim am Main“ hieß, vergrößerte sich auch nach der Trennung der einstigen Geschäftspartner fortwährend. Ende des 19. Jahrhunderts war Burgeff die größte deutsche Sektkellerei und blieb bis 1978 in Familienbesitz. Dann wurde sie durch das kanadische Unternehmen Seagram aufgekauft und ging in den 1990er Jahren in der Marke Mumm auf.
Villa Burgeff
Die Villa Burgeff in der Mainzer Straße 35 ist der im Jahr 1904 errichtete Wiederaufbau des Ende des 19. Jahrhunderts niedergebrannten klassizistischen Vorgängerbaus. Das Gebäude ist an die originalen Baupläne angelehnt. Der Vorgängerbau mit zugehörigen Nebengebäuden und Garten wurde 1841 ursprünglich als Residenz für die Familie Burgeff errichtet.
Der an die Villa angrenzende Park (zwischen Mainzer Straße und Burgeffstraße) ist nach Diether Hummel (1908–1989) benannt, der im Jahr 1927 in die Sektkellerei Burgeff & Co eintrat und 1936 Vorstandsmitglied wurde. Zwischen 1951 und 1989 war er zudem Präsident des Verbands Deutscher Sektkellereien.
Im Jahr 2000 ging die Villa Burgeff als Erbschaft in den Besitz der Stadt Hochheim über. Im Souterrain ist seit 2002 die Hochheimer Kunstsammlung unterbracht, in der als Dauerleihgabe eines Sammlerehepaares Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts ausgestellt werden.
(Barbara Bernard, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, 2020)
Internet
www.hochheim-tourismus.de: Geschichte des Weinbaus (abgerufen: 11.12.2020)
www.wiesbadener-kurier.de: Lokales: Hochheim ehrt Jacob Ignaz Schweickhardt (abgerufen: 11.12.2020)
www.ihk-wiesbaden.de: Der Rheingau - Wiege der deutschen Sektindustrie (abgerufen: 11.12.2020)
www.denkxweb.denkmalpflege-hessen.de: Kulturdenkmäler in Hessen (abgerufen: 11.12.2020)
www.historische-eschborn.de: Prickelnde Stadtgeschichte in Hochheim (abgerufen: 11.12.2020)