Auf dem Abschnitt der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen gab es insgesamt 14 steinerne Wachttürme. Sieben Türme lagen innerhalb der Gemarkungen Höhr-Grenzhausen bzw. Hillscheid. Sie erhielten entsprechend der Nummerierung durch die Reichs-Limeskommission die Bezeichnungen WP1/60 bis WP1/66 sowie WP1/67 bis WP1/73.
Im Abschnitt gab es zwei Limes-Kleinkastelle. Es handelt sich um das Kleinkastell Ferbach in der Nähe der heutigen Kläranlage der Stadt Höhr-Grenzhausen sowie das Kleinkastell Hillscheid. Dieses liegt am höchsten Punkt des Limesabschnittes im Hillscheider Wald, nahe dem WP1/71. Beide waren Teil der befestigten römischen Grenzanlage, die rund 900 Wachttürme sowie etwa 60 Groß- und ebenso viele Kleinkastelle umfasste. Der Obergermanisch-Raetische Limes entstand in mehreren Ausbauphasen.
Wall
Wachtturm
Kastell
Schutzgebiet und Rekonstruktion
UNESCO Weltkulturstätte
Zugang
Wall
Im Abschnitt auf dem Gebiet der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen wurde um etwa 80 n. Chr. zunächst ein Patrouillenweg angelegt. Dafür wurden Schneisen durch den Wald geschlagen und an markanten Geländepunkten hölzerne Wachttürme mit Sichtverbindung untereinander aufgestellt.
Unter Kaiser Hadrian (117-138 n. Chr.) wurde vor dem Patrouillenweg und den Wachttürmen eine etwa 3 Meter hohe Eichenpalisade errichtet. Damit entstand erstmals eine durchgehend befestigte Grenze. Um etwa 150 n. Chr. kamen statt der Holztürme Steintürme zum Einsatz. Es ist auch die Zeit der Errichtung der Kastelle entlang des gesamten Obergermanisch-Raetischen Limes.
Um ca. 200 n. Chr., vermutlich als die Eichenpalisade hätte erneuert werden müssen, wurde zwischen Grenzpalisade und Wachttürmen ein 2,5 bis 3,0 Meter tiefer Spitzgraben angelegt. Mit dem Erdaushub wurde turmseitig ein etwa 3,0 Meter hoher Wall aufgeschüttet. In der Provinz Raetien errichteten die Römer im Bereich dieses Limesabschnittes anstelle der Holzpalisade eine ca. 3 Meter hohe und 1,2 Meter breite Mauer, welche die Wachtürme miteinander verband.
Die Aufgabe der Grenzanlage war die Überwachung der Demarkationslinie. Von Turm zu Turm ließen sich mittels Signalhorn oder Feuerzeichen Informationen austauschen. Bei einer Grenzverletzung konnten Reitertruppen aus dem nächstgelegenen Limeskastell schnell herangeführt werden. Sie sollten die Angreifer abwehren oder den Rückweg abschneiden. Die Turmbesatzung selbst, die aus 4-8 Soldaten bestand, verschanzte sich bei einem Angriff in der Regel solange im Turm, bis die zur Hilfe gerufenen Einsatztruppen eintrafen.
Wachtturm
Der Zugang zu den 3-geschossigen Wachttürmen war nur über Leitern möglich. Sie konnten über den Eingang zum ersten Obergeschoss, wo sich der Mannschaftsraum befand, hochgezogen werden. Ebenso gelangte man zum Untergeschoss. Dort befand sich der Vorratsraum. Ebenfalls mit Leitern gelangten die Wachsoldaten zum zweiten Obergeschoss. Dies war die Wachstube der Soldaten. Die Wachttürme waren aus unbehauenen Bruchsteinen mit Lehmmörtel erbaut und mit einem weißen Putz und roten Quaderfugen versehen. Letzteres ist erst durch neuere archäologische Erkenntnisse belegt. Der rekonstruierte Hillscheider Limesturm ist einer der wenigen Wachttürme, die in dieser Form wiederhergestellt wurden. Er war im Jahre 1994 anlässlich der Tausendjahrfeier von Hillscheid unter der fachlichen Anleitung durch das Saalburg-Museum Bad Homburg errichtet worden.
Der Hillscheider Limesturm hat eine Höhe von 13,90 Meter, was sehr hoch erscheint. Tatsächlich war die Höhe der Türme variabel und ergab sich standortbedingt aus der Notwendigkeit einer Sichtverbindung zwischen den benachbarten Türmen. Weniger variierte hingegen der Gebäudegrundriss von meist 5 x 5 Meter, wobei es im Einzelfall immer wieder Abweichungen nach oben gab.
Kastell
Die Reichs-Limeskommission hatte im Jahre 1892 unter Leitung des preußischen Historikers Theodor Mommsen ihre Arbeit zur Erforschung und Kartierung des Obergermanisch-Raetischen Limes aufgenommen. Die Kommission ließ im Frühjahr 1894 bei Ausgrabungen im Bereich der heutigen Verbandsgemeinde unter Aufsicht des Streckenkommissars Otto Dahm außer den Standorten der römischen Wachtürme auch Grundrisszeichnungen des Kastells Ferbach sowie des Hillscheider Kastells anfertigen.
Beide Kastelle wurden vermutlich um 150 n. Chr. errichtet und waren möglicherweise bis zur Aufgabe des rechtsrheinischen Gebietes infolge der Frankenangriffe bis 259/260 n. Chr. mit Truppen belegt. Über die Besatzung beider Kastelle ist nichts Genaues bekannt. Vermutlich handelte es sich um Mannschaften der im Auxiliarkastell Niederberg stationierten Hilfstruppen.
Beim Kastell Ferbach handelte sich um ein Steinkastell, das mit seinen Seitenlängen von 31,60 × 21,20 Meter eine Fläche von gut 0,07 Hektar in Anspruch nahm. Gesichert wurde das Kastell mit einer 0,80 Meter starken Mauer. Vor der Wehrmauer befand sich – nach einer nur 0,80 Meter breiten Berme – ein 1,80 Meter tiefer und 4,80 Meter breiter Spitzgraben. Die Mauer war nicht mit Wehrtürmen besetzt. Das einzige Tor bestand nur aus einem einfachen, turmlosen Durchgang. Mit dem Tor war das Kastell dem Limes abgewandt, nach Südwesten hin ausgerichtet. Der Torweg selbst war auch im untersuchten Bereich außerhalb des Kastells mit Schotter befestigt.
Den Innenraum des Lagers beherrschte ein zentraler, aus zwei Räumen bestehender Steinbau, der mit seinen Seitenlängen von 11,50 Meter × 8,50 Meter eine Fläche von 99,25 Quadratmeter bedeckte. Unmittelbar an den Innenseiten der Wehrmauer, zur Gänze an der Nordwestmauer, stellenweise an der Nordost- und an der Südwestmauer konnten Reste von einfachen, hölzernen Mannschaftsbaracken nachgewiesen werden. Diese waren ausweislich der Befunde durch ein Feuer zerstört worden.
Die Korrektheit der Grundrisszeichnung des Hillscheider Kastells gemäß Reichs-Limeskommission wird in der neueren archäologischen Forschung angezweifelt. Doch gelten folgende Untersuchungsergebnisse als weitgehend gesichert: Beim Hillscheider Kleinkastell handelte es sich um eine Doppelanlage, die aus einem größeren Außen- und einem kleineren Innenkastell bestand. Die größere Anlage nahm mit ihren Seitenlängen von 43,10 × 36,60 Meter eine Fläche von knapp 0,16 Hektar ein, die Mauerstärke betrug durchschnittlich 1,20 Meter. Die Außenmauer war an ihren Ecken abgerundet. Im Südosten der äußeren Kastellmauer befand sich ein Tor von etwa 2 m Durchlassbreite. Im Abstand von 0,35 Meter bis 1,10 Meter vor der Mauer verlief ein 6 bis 8 Meter breiter Graben mit einer erhaltenen Resttiefe von 70 bis 100 Zentimeter. Eine Innenbebauung konnte nicht nachgewiesen werden.
Schutzgebiet und Rekonstruktion
Heute liegt die Ferbacher Befestigungsanlage in einem ausgewiesenen archäologischen Schutzgebiet. Oberirdisch sind, außer geringen Verformungen durch die einstigen Ausgrabungstätigkeiten keine Spuren mehr zu erkennen. Die Befunde von 1894 wurden wieder mit Erde bedeckt. Die Ecken und das Tor des Kastells wurden jedoch mit Pfählen markiert und eine Informationstafel weist auf die Bedeutung des Platzes hin.
Am Kleinkastell Hillscheid wurden ab Juni 1999 durch das Landesamt für Denkmalspflege in Koblenz-Ehrenbreitstein nach einer fast hundertjährigen Pause im westlichen Bereich der Kastellanlage erneute Untersuchungen durchgeführt. Nachdem man anhand der Erdverfärbungen nur noch den Verlauf der Kastellaußenmauer lokalisieren konnte, wurden die Grabungen Ende Oktober 1999 abgebrochen. Sie ergaben keine wesentlich neuen Erkenntnisse, sondern bestätigten lediglich die Untersuchungsergebnisse der Reichs-Limeskommission. Das Landesamt für Denkmalpflege äußerte jedoch Interesse, die Lage des Kastells durch die Rekonstruktion der Fundamente der Außenmauern für den Besucher wieder sichtbar zu machen. Im März 2003 wurde mit der Teilrekonstruktion des Hillscheider Limeskastells begonnen. Vier Monate später konnte das Kleinkastell Hillscheid, in seinen Außenmauern an historischer Stelle rekonstruiert werden. Es wird heute mit den ebenfalls wieder errichteten Grundmauern des Wachtturms WP1/71 der Öffentlichkeit präsentiert.
Der anlässlich der 1000-Jahrfeier von Hillscheid rekonstruierte Limesturm WP1/68 wurde im Herbst des Jahr 1994 mit Ausnahme des Innenausbaus fertigstellt. Der Innenausbau erfolgte innerhalb der nächsten 2 Jahre, sodass der Turm im Jahre 1996 für Besucher zugänglich gemacht werden konnte. Auf Initiative des örtlichen Westerwald-Vereins wurde im Turm ein kleines Museum eingerichtet.
UNESCO Weltkulturstätte
Im Jahr 2005 wurde der Obergermanisch-Raetische Limes durch das Welterbekomitee der UNESCO in die Liste der Welterbestätten aufgenommen. Der Abschnitt des Limes ist einer von bisher drei Bestandteilen des insgesamt mehr als 700 Kilometer langen Welterbes „Grenzen des Römischen Reiches“. Weitere Teilstrecken sind der Hadrianswall (Anerkennung 1987) und der Antoniuswall (Anerkennung 2008).
Die Aufnahme als Welterbe gab Ansporn, ab 2005 alle zwei Jahre in Hillscheid ein Limesfest zu feiern und verschiedene Limes-Kleinprojekte, die teils aus Mitteln des Landes Rheinland-Pfalz gefördert wurden, auf den Weg zu bringen.Hierbei handelte es sich unter anderem um:
- Anlegen eines „Römischen Gartens“ in der Nähe des Hillscheider Limesturmes
- Anlegen eines Limespfades zwischen Limesturm und Kleinkastell Hillscheid
- Errichtung eines „Römischen Brunnens“ am Kleinkastell Hillscheid
- Aufwertung des Museums im Hillscheider Limesturmes durch neue Informationstafeln
- Aufstellen von Hinweistafeln „Hillscheider Limesturm“ an der Autobahn A48
- Aufstellen von Informationstafeln und Limes-Grenzsteinen an markanten Stellen des Limes
Zugang
Die Limesanlagen innerhalb der Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen sind mit Ausnahme des rekonstruierten Limesturmes WP 1/68 ganzjährig zugänglich. Der Hillscheider Limesturm mit der Ausstellung „Von Rom zum Rhein“ ist ab April bis einschließlich Oktober an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen nachmittags geöffnet. Der Eintritt ist frei. Besuchergruppen sind immer willkommen. Weitere Informationen zur Anmeldung finden Sie unter www.kannenbaeckerland.de.
(Winfried Schlotter, Förderkreis Limes im Westerwald-Verein ZV Hillscheid e.V., 2019)
Quellen
- Offizielle Karte des Welterbes „Der Limes“; Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Archäologische Denkmalpflege, Amt Koblenz
- Jahresberichte des Westerwald-Vereins ZV Hillscheid e.V. 1984 - 2019
Internet
www.deutsche-limeskommission.de: Das Welterbe „Grenzen des Römischen Reiches“ (abgerufen 21.01.2020)