Europadenkmal am Sankt Germanshof

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Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Bobenthal
Kreis(e): Südwestpfalz
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 02′ 42,67″ N: 7° 54′ 14,49″ O 49,04518°N: 7,90402°O
Koordinate UTM 32.419.910,82 m: 5.433.057,33 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.419.954,34 m: 5.434.791,58 m
  • Das Europadenkmal am Sankt Germanshof in Bobenthal (2019)

    Das Europadenkmal am Sankt Germanshof in Bobenthal (2019)

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  • Die Projektarbeiten der Berufsschulen aus Deutschland und Frankreich am Europadenkmal in Bobenthal (2019)

    Die Projektarbeiten der Berufsschulen aus Deutschland und Frankreich am Europadenkmal in Bobenthal (2019)

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Südlich des Sankt Germanshofes, kurz vor der französischen Grenze und unmittelbar an der Landstraße L478 gelegen, befindet sich das Europadenkmal auf der sogenannten „Europawiese“. Zwölf Stelen sind im Kreis um ein vierteiliges Feuerrondell angeordnet, in dem im Jahre 1950 das Europafeuer brannte.

Das Denkmal
Die zwölf Stelen sowie die Abmessung des Areals, symbolisieren jeweils die zwölf Sterne auf der Europaflagge. An der Kopfseite des Denkmales befindet sich eine Projektarbeit zweier Berufsschulen aus Frankreich und Deutschland, in der die Themen Europa und Grenzen behandelt werden (siehe Abbildung in der Mediengalerie). Dahinter stehen drei Fahnenmaste mit der deutschen, der europäischen und der französischen Flagge. Rechts neben dem Denkmal informiert eine Tafel über die Studentenrevolte, die an diesem Ort stattgefunden hat. Die Infotafel zeigt Bilder des Geschehens und die Informationen sind in drei Sprachblöcken jeweils auf Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar. Das Denkmal wurde zur Erinnerung an die Studentenrevolte errichtet, die am 6. August 1950 hier stattgefunden hat (Heister 2017, S. 43).

Die Hintergründe des Studentensturms
Um die Ereignisse von 1950 zu erläutern, seien zu Beginn zwei wichtige Namen genannt, ohne deren Engagement die Studentenaktion nicht zustande gekommen wäre: Michel Mouskhély (1903-1964) und Marcel Mille. Mouskhély (Präsident der Union Fédéraliste Inter-Universitaire und Professor für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Paris und Strasbourg), führte mit Jean Sommier die Aktivisten von Straßburg aus an, während Marcel Mille (Professor für Sprachen an der Universität Paris), die Studierenden von Heidelberg aus anführte. Die Aktion wurde von überparteilichen Organisationen geleitet, die sich ein vereintes Europa zum Ziel gesetzt hatten. Manche dieser Organisationen existieren heute noch, so beispielsweise die „Jeunesse Fédéraliste Européenne“ (JEF), der „Bund Europäischer Jugend“ und die „Union Fédéraliste Inter-Universitaire“ (Breiner 2013, S. 19ff.).

Der Studentensturm
Ein von Mouskhély und Mille organisiertes Zeltlager am Main-Ufer in Kleinheubach bei Miltenberg, das vom 31. Juli bis zum 11. August bestand, kann als Ausgangspunkt für die Aktion angesehen werden. In diesem Zeltlager trafen sich Studenten aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Skandinavien und England.

Am 6. August begann die Aktion, indem sich auf beiden Seiten der Grenze die gleiche Anzahl an Studenten, insgesamt ca. 300, auf die Aktion vorbereiteten. Von den jeweiligen Grenzseiten aus fuhren die Studenten und Teilnehmer mit Autos, Bussen und Lastwagen in Richtung der deutsch-französischen Grenze am Sankt Germanshof. An der Spitze des Zuges fuhr eine schnelle Motorradstafette. Durch sie wurden fortlaufend die nötigen Informationen weitergegeben.

Auf französischer Seite, von Straßburg aus, ging die Fahrt bis in den Ort Weiler bei Wissembourg. Von dort wurde der restliche Weg zu Fuß in Richtung Grenze zurückgelegt. Auf deutscher Seite trafen sich die Teilnehmer in Niederschlettenbach, um dann gemeinsam durch Bobenthal an die Grenze am St. Germanshof zu fahren.

Journalisten und Fotografen gehörten ebenfalls dem Zug an. Das Vorhaben an sich, nämlich eine Grenze nieder zu reißen und so ein Zeichen für ein geeintes Europa zu setzen, war jedem Teilnehmer bekannt. Der genaue Ort für die Aktion wurde jedoch so lang wie möglich geheim gehalten. Keiner der Journalisten, Filmleute, Fotografen und Radioreporter wusste, wohin genau es gehen sollte. Marcel Mille informierte die Teilnehmer aus einem Wagen heraus über die Route.

Die Zollhäuser auf beiden Seiten der Grenze lagen in unmittelbarer Nähe zueinander. Drei junge Damen wurden von der französischen Seite vorausgeschickt, um die französischen Zollbeamten abzulenken. Auf deutscher Seite wurde ein Reporter der „Münchener Illustrierten“ zur Ablenkung der Zollbeamten vorausgeschickt. In der Zwischenzeit trafen weitere Personen ein und gaben vor, das Haus und den Schlagbaum fotografieren zu wollen. Sie verwickelten die Zollbeamten in Gespräche. Die Zöllner bemerkten die Autokarawane nicht, die in einigem Abstand zum Zollhaus angehalten hatte. Immer mehr Leute versammelten sich an den Grenzposten und plötzlich wurden die Sägen, die Schraubenschlüssel und Hämmer herausgeholt, die Demontage der Schlagbäume begann (Breiner 2013, S. 21ff.).

Auch auf französischer Seite wurde der hölzerne Schlagbaum zersägt und das Schild mit der Aufschrift „Douane“ auf die angrenzende Wiese gebracht. Ein Scheiterhaufen wurde mit all den hölzernen Schlagbäumen, Grenzpfählen etc. errichtet und in Brand gesteckt. Fahnen der Europa Union, weißes E auf grünem Grund, wurden geschwenkt und Transparente ausgerollt. Auf ihnen war zu lesen: „Europa ist Gegenwart“ oder „Wir fordern ein vereintes Europa“ oder „Unsere Zukunft - ein Europa ohne Grenzen“ und „Wir verlangen eine europäische Staatsbürgerschaft“.

Unter den Anwesenden war auch André Philip (1902-1970), französischer Minister für Wirtschaft und Finanzen (1946-1946 und 1946-1947) und Vorgänger und Nachfolger von Robert Schuman (1886-1963). Philip hielt eine Rede, in der er unter anderem „den Idealismus der anwesenden jungen Europäer“ lobte. Auch Michel Mouskhély und Marcel Mille hielten eine Rede. „Am Ende der Veranstaltung sind die Grenzen ohne Schranken, die Asche der Grenzpfähle raucht noch, die Scherben der roten Laterne, welche nachts den Fahrzeugen Halt gebot, liegen obenauf“. So verließen die Demonstranten den Ort des Geschehens, an dem wenig später die Grenzverstärkung eintraf.

Das Ereignis war am nächsten Tag weltweit in den Nachrichten und gewann internationale Aufmerksamkeit. Der Aktion wurde ein hoher Stellenwert beigemessen, da sie zum einen „die Menschen auf der Straße beeindruckte“, zum anderen da sie „am Vorabend der Tagung des Europarates in Straßburg“ stattfand. Es ist nicht auszuschließen, dass die Revolte einen gewissen Einfluss auf die Politiker in Straßburg hatte (alle Zitate aus: Breiner 2013, S. 19-37).

Das Denkmal, das seit dem 9. September 2007 auf der Wiese gegenüber dem Zollhaus steht, soll an diesen Tag erinnern. Am Einweihungstag wurden „Schranken, Grenzpfähle und Stoppschilder wiederhergestellt“. Zur Feier des Tages „erhielten [alle] von der Aktionsgemeinschaft [gemeint ist die Aktionsgemeinschaft Bobenthal - St. Germanshof e. V.] Fahnen, Transparente, Schilder und Texte zur Verfügung gestellt, so dass sie aktiv mit Fahnenschwenken und Skandieren der Sprechchöre die Demonstration mitgestaltet konnten. Für eine Stunde wurde die Grenze wieder geschlossen, Kontrollen wurden eingerichtet und die Geschichte wiederholte sich. Wieder wurden drei Frauen vorausgeschickt, um die Zöllner zum Öffnen der Schranken zu bewegen. Der Verantwortliche der Veranstaltung stellte fest, dass man hier an der Wiege der europäischen Vereinigung stünde, nicht der Worte wegen, aber doch der Taten“ (Breiner 2013, S. 48).

(Laura Hans, Universität Koblenz-Landau, 2019)

Internet
www.regionalgeschichte.net: Der Studentensturm 1950 (abgerufen 18.11.2019)
www.citizens-4-europe.eu: Der Studentensturm auf die Grenzen (abgerufen 27.11.2019)
www.rheinpfalz.de: Erinnerung an den Studentensturm (abgerufen 20.11.2019)
www.bobenthal.de: SWR Rheinland-Pfalz „Hierzuland” (abgerufen 18.11.2019)
webopac.hwwa.de: Pressemappe Philip André (abgerufen 04.02.2020)

Literatur

Breiner, Herbert L. / Aktionsgemeinschaft Bobenthal-St. Germanshof e.V. (Hrsg.) (2013)
Erste Europäische Vereinigung. Wissembourg - St. Germanshof. o. O.
Heister, Matthias W. M. (2015)
Der Studentensturm auf die Grenzen 1950. Für ein föderales Europa. Fakten - Probleme - Hintergründe Konsequenzen. Bonn.
Heister, Matthias W.M. (2017)
Europäischer Begegnungsraum St. Germanshof/Wissembourg. Ein Projekt zur Motivation und Integration der Menschen in Europa. Bonn.
Kuhn, Werner (1999)
Bobenthal. Ein Wasgaudorf und seine Geschichte. Bobenthal.

Europadenkmal am Sankt Germanshof

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
St. Germanshof 10
Ort
76891 Bobenthal - St. Germanshof
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Fernerkundung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1950

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„Europadenkmal am Sankt Germanshof”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-301144 (Abgerufen: 19. April 2024)
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