Winzerverein Deidesheim

Erste Herbstgenossenschaft

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Landeskunde
Gemeinde(n): Deidesheim
Kreis(e): Bad Dürkheim
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 49° 24′ 34,55″ N: 8° 11′ 25,7″ O 49,4096°N: 8,19047°O
Koordinate UTM 32.441.276,40 m: 5.473.305,32 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.441.328,30 m: 5.475.055,60 m
  • Winzerverein in Deidesheim (2019)

    Winzerverein in Deidesheim (2019)

    Copyright-Hinweis:
    Krieger, Sarah / Universität Koblenz-Landau
    Fotograf/Urheber:
    Sarah Krieger
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  • Winzerverein in Deidesheim, Blick auf die Vinothek (2019)

    Winzerverein in Deidesheim, Blick auf die Vinothek (2019)

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Der Winzerverein Deidesheim wurde im Jahre 1898 gegründet und ist damit der älteste Winzerverein der Pfalz. Der Schwerpunkt des Traditionsbetriebs liegt mit mehr als 60 % auf dem Anbau des Rieslings. Der Winzerverein Deidesheim betreibt eine Gaststätte und eine Vinothek.

Die Gebäude des Winzervereins
An der Prinz-Rupprecht Straße in Deidesheim befindet sich der aus mehreren Gebäudeteilen bestehende Winzerverein Deidesheim. Das Hauptgebäude ist ein Bau des Historismus, mit Anklängen an die Architekturstile des Barock und des Klassizismus.

Das breite, zweigeschossige Hauptgebäude aus Sandsteinmauerwerk ist mit einem Krüppelwalmdach versehen. Mittig im Gebäude sitzt ein bis auf Firsthöhe reichender Seitengiebel. Die Türen und die hochrechteckigen Fenster zeigen eine auffällige zweiteilige Form. Über einem „klassischen“ Fensterrechteck sitzt ein zusätzliches quadratisches Fenster. Beide Elemente sind mit Sandsteinlaibungen umgeben. Abgeschlossen werden die Fenster mit einer Fensterverdachung (Fenstergesims). Über den Türen und am mittig sitzenden Fenster im Giebel sind die Verdachungen als kleine Giebel ausgeformt. Im Eingangsbereich (jeweilige identisch gestaltete Giebelseiten) liegen über der Zugangstür und ihrem Giebeldach ein mittig angeordnetes Fensterpaar sowie beidseits je ein Fensterauge (Occulus). Ein weiteres interessantes Detail zeigt der umlaufende Sockel mit Kellereinlässen (mit grünen Läden). Auf einem Sandsteinfundament ist eine Reihe Basaltsteine eingelassen, die von einem Gesimsband aus Sandstein gefasst werden. Die Gebäudeecken und die Kellerfenster werden zusätzlich betont.

Der „Schauseite“ zur Straßen hin ist mit einem Schweifgiebel gestaltet, der die stiltypischen Kugeln (hier aus Sandstein) trägt.
Unmittelbar an dieses Hauptgebäude schließt sich rechtwinklig ein eingeschossiger Verbindungsbau an, der sich entlang eines innerörtlichen Weinberges in nördliche Richtung erstreckt. Das mit einem Satteldach versehene Gebäudeteil geht wiederum in ein abgewinkeltes Gebäude über, das dem Hauptgebäude an der Prinz-Rupprecht-Straße ähnelt. Im Gegensatz zu seinem Pendant, besitzt dieses Gebäude nur schmale Fenster und ist durch ein Satteldach gedeckt. Weitere, moderne Anbauten befinden sich nördlich der alten Gebäude.
Besonders auffällig ist das weit ausragende schmiedeeiserne mit Weinranken verzierte „Wirtshausschild“ mit der Aufschrift „Winzerverein Deidesheim“.

Zur Geschichte des Winzervereins in Deidesheim
Der Winzerverein Deidesheim wurde am 16. September 1898 mit 45 Mitgliedern, zunächst als erste „Herbstgenossenschaft“ der Pfalz, gegründet. Mit „Herbst“ wird in der Pfalz nicht nur die Jahreszeit, sondern auch die Tätigkeit der Weinlese bezeichnet. Zu dieser frühen Zeit bestand der Winzerverein vornehmlich aus Winzern mit mittelgroßen Betrieben (Kermann 1995, S. 261).

Zehn Jahre zuvor war ein Gründungsversuch noch erfolglos gewesen. Erst als die Winzer durch die Darlehenskasse, die seit dem 6. Februar 1891 besteht, das Genossenschaftswesen kennengelernt hatten, konnten sie von den Vorteilen einer Vereinigung überzeugt werden. Zu dieser Zeit waren viele kleine Winzerbetriebe der Region hochverschuldet. Da sie nicht über Lagermöglichkeiten verfügten, die benötigt wurden, um Qualitätsweine herzustellen, waren sie gezwungen, den Most kurz nach der Ernte an die größeren Winzerbetriebe zu verkaufen. Die Preise wurden aufgrund dieser Abhängigkeit von den Ankäufern vorgegeben, was die Preise zunehmend drückte und sich negativ auf die wirtschaftliche Lage der kleinen Winzer auswirkte. Missernten taten ein Übriges. Der Lehrer und damalige Rechner der Darlehenskasse sowie zukünftige Gründungsvater der Herbstgenossenschaft Johannes Mungenast wurde zu einem Studium der Winzervereine an Rhein, Mosel und Ahr geschickt. Mungenast übernahm bei der Gründung den Vorsitz des Vereins. Paradoxerweise änderte die Gründung des Winzervereins vorerst nichts an den Abhängigkeiten der Kleinwinzer von den Großbetrieben, traten diese doch aus Angst, bei den Großwinzern Missfallen zu erregen, in der Anfangszeit nicht dem Verein bei. So bestand der Verein in den ersten Jahren aus Besitzern größerer Winzerbetriebe. Dennoch aber profitierten auch die Kleinwinzer von der Gründung, die sich in den ansteigenden Mostpreisen positiv auswirkte. Der Winzerverein wurde direkt nach der Gründung Teil des Raiffeisenverbandes Ludwigshafen (Kermann 1995, S. 261ff.).
Schon im Jahr nach der Gründung wurden erste Baumaßnahmen getätigt. Die Mitglieder hoben einen Keller aus und begannen mit dem Bau des Kelterhauses in der Prinz-Rupprecht-Straße. Zu den historischen Erfolgen gehörte die im April 1899 eröffnete Straußwirtschaft am Hof des Vereinsmitglieds Georg Adam Leim und die erste Weinversteigerung im Jahr 1901. Am 4. Juni 1902 besuchte der bayerische Kronprinz und spätere König Ludwig III. (1845-1921, König von 1913-1918) den Verein und ließ sich von Mungenast die Arbeitsweise und die finanziellen Verhältnisse erklären.

Mit wachsendem Erfolg konnte der Winzerverein unter anderem wegen mangelnder Lagerkapazitäten keine neuen Mitglieder aufnehmen. Hinzu kamen die zunehmenden sozialen Probleme mit den Kuhbauern und Geißbauern am Ort. Daraufhin wurde am 3. August 1913 die neue Winzergenossenschaft Deidesheim mit Hilfe Johannes Mungenasts gegründet. 1916 erwarb die Genossenschaft das Anwesen an der Deutschen Weinstraße 65-57. Drei Jahre später wurde die Gastwirtschaft eröffnet, die heute noch als Hausgaststätte des Winzervereins an der Deutschen Weinstraße in Betrieb ist. Schließlich wurden 1966 beide Vereine unter dem Namen „Neue Winzergenossenschaft Deidesheim“ zusammengeschlossen.
Mittlerweile bewirtschaften die Mitglieder 165 Hektar Weinbergsfläche rund um Deidesheim, Forst und Ruppertsberg und erzeugen somit jährlich circa 1,5 Millionen Liter Wein, die hohe Auszeichnungen im nationalen und internationalen Gebiet erhalten.

(Sarah Krieger, Universität Koblenz-Landau, 2019)

Internet
www.winzervereindeidesheim.de: Winzerverein Deidesheim (abgerufen 05.11.2019)
www.woerterbuchnetz.de: Herbst (abgerufen 14.02.2020)

Literatur

Andermann, Kurt (Hrsg.) (1995)
Deidesheim. Beiträge zu Geschichte und Kultur einer Stadt im Weinland. Sigmaringen.
Kermann, Joachim (1995)
Tendenzen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Deidesheim von 1816 bis 1914. In: Deidesheim – Beiträge zu Geschichte und Kultur einer Stadt im Weinland, Sigmaringen.
Schmitt, Heinz (2000)
Geissbock, Wein und Staatsbesuche. Deidesheim in den letzten 150 Jahren. Landau i. d. Pfalz.
Schnabel, Berthold (2015)
Deidesheim. Bilder von 1870-1970 aus der Stadt, der Gemarkung und dem Wald. Horb.

Winzerverein Deidesheim

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Prinz-Rupprecht Straße 8
Ort
67146 Deidesheim
Fachsicht(en)
Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1890 bis 1898

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Sarah Krieger: „Winzerverein Deidesheim”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-295854 (Abgerufen: 19. April 2024)
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