Wobei der Begriff „ursprünglich“ so eine Sache ist. Denn das Schloss wurde mehrmals nach der Mode der Zeit umgebaut. Die ursprünglich mittelalterliche, wehrhafte Burganlage verlor mit der Erfindung des Schießpulvers ihren Sinn. Denn Kanonen konnten die Burg ohne weiteres zerstören. Nach dem Motto: „na dann ist es eh egal“, verwandelte der damalige Burgherr die Anlage in ein verspieltes Renaissance-Schloss mit vielen Türmchen und Erkern. Im 18. Jahrhundert war das wieder nicht modern. Aus dem Schloss wurde ein barockes Landhaus, wieder ohne Türmchen, dafür mit weiß verputzter Fassade. Und im 19. Jahrhundert schließlich besann man sich wieder auf den Ursprung, legte die Backsteinfassaden wieder frei und baute das Schloss im neugotischen Stil um. So ist zum Beispiel der dicke Wehrturm der Vorburg hauptsächlich eine detailgetreue Rekonstruktion. Lediglich die untersten 12 Meter und die Nord- und Westfassade der Vorburg stammen wirklich aus dem Mittelalter. Die ebenfalls im 19. Jahrhundert errichtete Schlosskapelle gilt heute als eines der schönsten neugotischen Kirchenbauwerke des Rheinlands.
Dass Schloss Wissen heute seine Besucher in so gutem Zustand empfängt, verdankt es vor allem den Bemühungen der Familie von Loe. Sie bewohnt und pflegt ihren Stammsitz seit über 550 Jahren, nachdem der Ritter Johann van den Loe das Schloss als imposante Mitgift für die Heirat seines Sohnes Wessel mit der Erbtochter einer bedeutenden niederrheinischen Familie erwarb. Inzwischen lebt die Familie hier in 16. Generation und hat diesen Ort mit Vergangenheit in ein zukunftsträchtiges Unternehmen mit Hotelerie und Tagungen, Forst- und Landwirtschaft und sogar einer eigenen Biogasanlage verwandelt. Bei Rücksichtnahme auf die Schlossbewohner sind Besucher herzlich willkommen. Vom Torhaus aus ergibt sich ein guter Eindruck auch in den Innenhof.
(mobile discovery GmbH / Peter Burggraaff / Kai-W. Boldt / Johanna Dohle, erstellt in Kooperation mit dem Naturschutzzentrum im Kreis Kleve e.V. im Rahmen des Projektes „Verborgene Schätze inklusiv“. Ein Projekt des LVR-Netzwerks Kulturlandschaft, 2017)