Besitzverhältnisse
Im Jahr 1920 erwarb der Fabrikant Michael Schmitt aus Düsseldorf die arrondierten Flächen von ca. 42 Hektar und errichtet die Hofstelle und nennt den Hof Gut Kaltenborn. Die damalig errichtete Hofstelle ist in ihren Grundzügen heute noch erkennbar. In der Zeit der Inflation 1922 bis 1925 wechselt der Hof mehrfach den Besitzer. Im Dezember 1923 wird der Hof für 12 Millionen Mark verkauft. Schon ein Jahr später wird der Hof durch eine neuerliche Überschreibung mit 10 Kilogramm Feingold bewertet und für 500 Gramm Feingold pro Jahr verpachtet.
Im Jahr 1932 erwirbt der Unternehmer Matthias aus dem Rheinland den Hof und führt ihn mit einem angestellten Verwalter über den Zweiten Weltkrieg (1939-1945) hinaus.
1954 kauft der Kartäuser Orden aus Düsseldorf den Hof mit der Absicht, hier ein neues Kloster zu errichten. Der Orden benannte das Gut Kaltenborn dann in Gut Marienborn um. Der Plan wurde aber nicht realisiert, das neue Kloster wurde dann im Allgäu bei Leutkirch errichtet und ist heute das einzige Kloster der Kartäuser auf deutschem Boden. Der Hof wurde in dieser Zeit von einem Verwalter mit zwei Landarbeiter-Familien bewirtschaftet. In den Jahren 1956, 1957 und 1958 brannten die Wirtschaftsgebäude jeweils ab, wurden aber immer wieder aufgebaut. Der Orden investierte in den sechs Jahren, in denen er den Hof in Besitz hatte, sowohl in den Tierbestand durch Ankauf einer rotbunten Milchviehherde auf den Auktionen in Münster/Westf., als auch in Landtechnik und modernisierte die Stallungen und die Futterlagerung. Ein Vertreter des Kartäuserklosters war häufig auf Gut Marienborn anwesend und traf die wichtigen Entscheidungen über die wirtschaftlichen Belange und die Investitionen. Durch die Nichtrealisierung des Klosterneubaus verfügte der Ordensgeneral in Grenoble den Verkauf des Hofes im Jahr 1960.
Neuer Besitzer wurde die Familie Bange, die aus Warstein/Belecke im Sauerland stammte. Die weitverzweigte sauerländische Familie Bange geht in ihrem Ursprung auf die Gründung des Städtchens Hallenberg in den Jahren 1290 zurück und war dort bis zum dreißigjährigen Krieg ansässig. Heute ist das Zentrum dieses Stammes der Raum Brilon/Meschede.
Erscheinungsbild des Hofes
Im Laufe der Jahre unterlag das Erscheinungsbild des Hofes, aufgrund von Anbauten und neu errichteten Gebäuden, einer beständigen Veränderung. Die Gebäude der ursprünglichen Hofstelle, ist eine geschlossene Anlage. dieum einen länglichen Innenhof angeordnet ist, wobei das Grundstück in südlicher Richtung über ein Hoftor verlassen werden konnte. Die östliche Seite des Gebäudekomplexes war durch einen freien Bereich gekennzeichnet, der allerdings durch Anbauten in den 1950er Jahren geschlossen wurde (vgl. ebenda). Gleiches gilt für einen Abschnitt auf der Nordseite.. Als Baustoff wurde Tuffstein aus dem Neuwieder Becken verwendet. Die östliche Hofeinfassungsmauer und der Sockelbereich der großen Scheune und der Kellerbereich des Wohnhauses ist mit Bruchstein aus dem nahen Soonwald errichtet. Dieser Teil des Mauerwerks hat eine Mächtigkeit von 60 cm.
Heute weisen die traditionellen und um den Innenhof angeordneten Gebäude überwiegend Schieferdächer und gelbe Außenfassaden auf.
Das im Süden des Grundstücks gelegene Wohnhaus besteht noch heute in seiner ursprünglichen Form. So lässt sich bei genauerer Betrachtung ein mit Schiefer gedecktes Mansardenwalmdach erkennen, dass auf der Südseite durch einen Zwerchgiebel ergänzt wird. Die Außenfassade des Wohnhauses ist im gelben Farbton gehalten. Zudem wird das Gesamtbild der südlichen und östlichen Außenfassade durch rot-braune Fensterläden akzentuiert. Der Eingang des Wohnhauses liegt auf der Südseite. Jedoch lässt sich über eine im Innenhof befindliche Treppe ebenfalls das Wohnhaus erreichen.
Im nordöstlichen Bereich der traditionellen Hofstelle findet sich heute ein weiteres Wohngebäude.
Im Gesamten lässt sich erkennen, dass die Hofstelle sukzessiv durch neue Anbauten weiterentwickelt wurde. So wurde der Hof in den 1990er Jahren etwa um einen nördlich und einen südlich anschließenden Anbau erweitert, wobei die Giebel der Gebäudeteile nach Westen ausgerichtet wurden. Mit dem nördlichen Anbau wurde dabei erstmals eine neue Stallung realisiert, die heute vorwiegend für Jungvieh genutzt wird. Der südliche Anbau wird als Maschinenhalle genutzt.
Beim Verlassen des Innenhofes in nördlicher Richtung passiert man zunächst den ursprünglichen Kuhstall. Weiter nördlich werden weitere moderne landwirtschaftliche Gebäude im Außenbereich der Hofstelle ersichtlich, die erst seit den 2010er Jahren bestehen. Diese Neubauten wurden vorzugsweise auf vorhandenen Freiflächen errichtet.. So finden sich außerhalb der alten Hofstelle diverse Fahrsilos, drei Güllebehälter,, ein Kälberdorf, eine Molkerei sowie ein moderner Boxenlaufstall. Die Ursachen für die Entstehung der neuen Bauten werden im nächsten Abschnitt noch näher beleuchtet.
Wirtschaftliche Entwicklung
Die Bewirtschaftung des Bodens gestaltete sich jedoch äußerst schwierig, da eine für die Region charakteristische Staunässe und geringe Bodenfruchtbarkeit nur geringe Erträge bei zugleich hohem Arbeitsaufwand und hohem Verschleiß der Bodenbearbeitungsgeräte zuließ.
Mit der Übernahme des Guts durch Familie Bange erfolgte in den 1960er Jahren eine Umstrukturierung zur Milchviehhaltung. Grundlegende Entwicklungsschritte des Milchviehbetriebs wurden im Vergleich zu anderen traditionellen Betrieben der Region allerdings sehr viel später ausgeführt. So wurde der Hof erst in den 1990er Jahren um die bereits angeführten neuen Stallungen erweitert. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden durch Umstrukturierungen und innerbetriebliche Umbauten die Stallkapazitäten ständig ausgebaut und maximiert.
In Zeiten sinkender Milchpreise stand der Familienbetrieb vor richtungsweisenden Entscheidungen, die einen Fortbestand des Milchhofs langfristig gewährleisten sollten. Im Jahr 2007 entschied sich die Familie stattdessen für einen in der Region unkonventionellen Weg der Direktvermarktung von hofeigener Milch (vgl. www.lwk-rlp.de). Mit diesem Vorhaben waren allerdings vielfältige Bauinvestitionen verbunden, die vorab von den zuständigen Behörden genehmigt werden mussten. Nachdem der Weg für sämtliche Baumaßnahmen bereitet war, investierte der Familienbetrieb zunächst in eine eigene Molkerei, um die Wertschöpfung der Milchprodukte im eigenen Betrieb zu halten (vgl. ebenda). Seitdem werden verschiedene Produkte wie Milch, Natur- und Fruchtjoghurt, Speisequark oder Molke selbst erzeugt und durch einen privaten Lieferservice regional vermarktet. Bestellte Milchprodukte werden dabei an mehreren Tagen in der Woche direkt beim Kunden ausgeliefert. Inzwischen wurde die Produktpalette um verschiedene Sorten von Speiseeis erweitert.
Die mit der Direktvermarktung einhergehende zusätzliche Arbeitsbelastung musste an einer anderen Stelle wieder eingespart werden. Daher wurden die nachfolgenden Baumaßnahmen vorrangig auf eine Optimierung der Arbeitswirtschaft ausgerichtet (vgl. ebenda). Mit der Errichtung eines modernen Boxenlaufstalls wurde schließlich die Grundlage für eine Verbesserung sämtlicher Arbeitsabläufe geschaffen. So ermöglichte etwa ein automatisches Melksystem mit zwei Melkrobotern ein gleichzeitiges Melken von mehreren Kühen (vgl. ebenda). Da dieses vollautomatische Melksystem nach Ansicht des Betriebsleiters, nicht die erwünschten und auch erwartbaren Arbeitsläufe und ebenfalls nicht die tiergerechte Betreuung der Milchkühe zeitigte, wurde in einem weiteren Investitionsschritt 2022/23 ein separates Gebäude mit einem Melkkarsell errichtet. Die tierbezogene Arbeit mit den Milchkühen wurde deutlich verbessert.
Insgesamt gliedert sich der Stall in einen Liegeboxenbereich und in einen eingestreuten Bereich mit automatischer Einstreuanlage. Für umfassendere Informationen zur Konzeption des modernen Boxenlaufstalls der Familie Bange wird an dieser Stelle auf einen Bericht der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz verwiesen (vgl. www.lwk-rlp.de). Neben dem Boxenlaufstall wurde außerdem ein Kälberdorf mit verschiedenen Einzeliglus realisiert.Dadurch wurde in diesem Teilbereich die Arbeitswirtschaft und die Betreuung deutlich verbessert.
Heute unterhält der Einfamilienbetrieb etwa 150 Milchkühe sowie deren weibliche Nachzucht. Darüber hinaus werden etwa 120 Hektar Grünland sowie 50 Hektar Ackerfläche bewirtschaftet. Die damit erreichte Betriebsgröße erscheint aus Sicht des Familienbetriebs als angemessen. Das vorhandene Potential lässt für die Zukunft eine Ausweitung der Betriebsfläche, die sich durch Flächenangebote im näheren Umfeld ergeben könnte, eine effizientere betriebliche Entwicklung sinnvoll erscheinen.
(Jan Wengel, Universität Koblenz-Landau, 2017 / freundliche Hinweise von Christian und Karl-Heinz Bange, Seibersbach, 2024)
Internet
www.historisches-lexikon-bayerns.de: Inflation, 1914-1923 (abgerufen 11.04.2017)
www.chartreux.org: Kartäuserorden - Schnelle Vorstellung (abgerufen 11.04.2017)
www.lwk-rlp.de: Der Milchhof Soonwald - ein Konzept geht auf (abgerufen 11.04.2017)
lwk-rlp.de: Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz (abgerufen am 25.03.2024)