Die einzige vollständig erhaltene Anlage eines Renaissance-Wasserschlosses im Rheinland ist Schloss Rheydt in Mönchengladbach. Archäologisch ist als Ursprungsbau eine an der Niers gelegene frühmittelalterliche Niederungsburg (Motte) erwiesen, darauf folgten sechs Steinbauphasen. Eine spätmittelalterliche dreiteilige Burganlage aus Torburg, Vorburg und Haupthaus erhielt ihr heutiges Aussehen durch Baumaßnahmen zwischen 1558 und 1570. Die Renaissancearchitektur von starkem niederländischen Einfluss wird Maximilian Pasqualini (1534-1572) zugeschrieben, ältester Sohn von Alessandro Pasqualini (1493-1559), dem Schöpfer des Jülicher Rathauses und der Zitadelle. Auftraggeber des Architekten war Otto von Bylandt (ca. 1525-1591), einer der einflussreichsten Räte des Herzogs Wilhelm von Jülich und Berg, der zum Zeichen seiner Unabhängigkeit vom Landesherrn und ohne dessen Genehmigung auch die imposante fünfbastionäre Befestigungsanlage errichten ließ.
Als Festung spielte Rheydt auch während des 30-jährigen Krieges eine Rolle; 1621 bemächtigte sich Graf Heinrich von Berg des Schlosses. Häufige Erbstreitigkeiten sind wohl mitursächlich dafür, dass eine Barockisierung von Burg- und Schlossanlage unterblieb. Bis zur Abschaffung der Lehnsabhängigkeit 1794 war Schloss Rheydt fast 300 Jahre im Besitz der Familien Bylandt. Die folgenden 100 Jahre führten zu zunehmendem Verfall der Gesamtanlage, bis die Stadt Rheydt 1917 die Anlage kaufte und 1922 das Städtische Museum Schloss Rheydt eröffnete. Ein wesentlicher ahistorischer Eingriff in die Bausubstanz bedeutete 1940 der Innenausbau von Schloss Rheydt zum Gästehaus im Auftrag des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels, Architekt war der Düsseldorfer Emil Fahrenkamp (1885-1966). Die museale Nutzung blieb bis 1947 unterbrochen. Bis 1993 wurde das Museum umfangreich restauriert und zurückgebaut, es entspricht auch in den Raumeindrücken der Renaissancezeit. Aus der ursprünglichen Ausstattung des Hauses sind Kamine, Decken und Wandgemälde sowie Bodenbeläge erhalten. Alle Gebäudeteile werden museal genutzt. Das Herrenhaus präsentiert eine beeindruckende Sammlung zur Kunst und Kultur der Renaissance. Im Gewölbekeller kann anschaulich die Bau- und Nutzungsgeschichte des Hauses nachvollzogen werden. Die Vorburg beherbergt Wechselausstellungsflächen, auch wird hier die ständige Ausstellung zur Stadtgeschichte gezeigt.
Die Geschichte des Festungsbauwesens am Beispiel von Schloss Rheydt ist in den Kasematten anschaulich erlebbar. Die ehemaligen Befestigungsanlagen sind zum Teil noch erkennbar. Ein wiederhergestellter Bereich der Bastionsauen vermittelt ein Bild von der Wehrhaftigkeit des Schlosses im 17. Jahrhundert. Rundwege über Wallanlagen und im Außenbereich mit Blickachsen auf das Schloss bieten ein abwechslungsreiches Natur- und Kulturerlebnis. Die bereits im 18. und 19. Jahrhundert umgestalteten Außenanlagen wurden in den Jahren 1994 bis 1997 durch die Landschaftsarchitekten Gustav und Rose Wörner qualitativ überarbeitet. Die Freianlagen unterscheiden sich von Parks vergleichbarer Schlösser, da es sich bei ihnen weder um eine gestaltete Gartenanlage, noch um einen Landschaftspark handelt. Das historische Umfeld wurde bewahrt, die Freianlagen restauriert und in das Konzept eingebunden. Teile alter Alleen sind noch heute erlebbar, so auch Reste der wohl ältesten Lindenallee aus dem späten 16. Jahrhundert.
(Reinhard Lutum, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2016)
Literatur
Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschtz e.V. (Hrsg.) (2016)
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