Anfang des 20. Jahrhunderts expandierte die Industrie des Ruhrgebiets unverändert; diese Entwicklung manifestierte sich mit dem Bergbau nun auch linksrheinisch. Dabei war nicht nur der Flächenbedarf der Betriebe exorbitant – auch die Errichtung von Arbeitersiedlungen trug dazu bei, dass Nutzungsareale relativ unkontrolliert entstanden, Dörfer beziehungsweise der ländliche Raum überwuchert wurden und Städte regelrecht zusammen wuchsen. Zu der Zeit traf diese Entwicklung auch das damals mit knapp 200 Einwohnern beschauliche Dorf Meerbeck. Als die Gewerkschaft Rheinpreußen mit dem Abteufen des Schacht IV für die gleichnamige Zeche begann, war Wohnraum für die Arbeiter gefragt. In Meerbeck entstand deshalb in zwei Bauphasen zwischen 1903 und 1913 eine eigenständige Siedlung, zunächst abgekoppelt von der benachbarten Stadt Moers. Die Eigenständigkeit der Kolonie Meerbeck manifestierte sich auch infrastrukturell mit einigen werkseigenen Konsumläden, einer Berufsschule und einem sogenannten Wohlfahrtsgebäude. Erst 1975 erfolgte eine kommunale Eingliederung als Moerser Stadtteil. Nach der Fertigstellung 1913 lebten etwa 10.000 Menschen in 2.549 Wohneinheiten (Wehling 1990, S. 92 ff.).
Der Zweite Weltkrieg forderte Menschenleben und devastierte auch Areale der Kolonie Meerbeck vor allem im Norden, deshalb erfolgte in den 1950er Jahren eine neue Bauphase mit abweichender Architektur. Im Zuge dieser Maßnahmen verfolgte man auch eine stärkere Integration von Geschäften und öffentlichen Einrichtungen wie Schulen. Seit den 1980er Jahren erfolgte schließlich eine vorerst abschließende Sanierung, nachdem die Stadt Moers einen Teil der Siedlung übernommen hatte. Dies passierte vor dem Hintergrund einer Bürgerinitiative und Veränderungen in der politischen Wahrnehmung: Soziale Gesichtspunkte, der Denkmalschutz und die Beteiligung der Bürger an der Planung – heute als Community Planning bezeichnet - rückten ruhrgebietsweit in den Fokus (Günter 2010). Der ursprüngliche Charakter der ehemaligen Bergarbeitersiedlung hat sich trotz der Veränderungen bis heute gehalten: Typische Doppel- und Reihenhäuser bestimmen das Bild, wobei 49 Haustypen im Baustil für einen relativ hohen Differenzierungsgrad sorgen. Visuell gerät dies leicht in den Hintergrund, weil der Haustyp 7 mit ca. 40 % Anteil klar dominiert (siehe Foto).
Meerbeck hat heute einen multikulturellen bis kosmopolitischen Charakter, der bedingt ist durch die Migration der sogenannten „Gastarbeiter“ in den 1950er und 1960er Jahre des Deutschen Wirtschaftswunders. Eine ausländische Herkunft haben mehr als 30 % der Einwohner. Einrichtungen wie ein Begegnungszentrum erleichtern die Integration und den Abbau möglicher sozialer Spannungen. Darüber hinaus besteht im Stadtteil Handlungsbedarf unter anderem aufgrund der Leerstände der Geschäfte und der relativ hohen Arbeitslosigkeit.
(Kai-William Boldt, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V. / LVR-Fachbereich Regionale Kulturarbeit, Abteilung Landschaftliche Kulturpflege, 2016)
Internet www.route-industriekultur.ruhr: Route der Industriekultur, Themenroute 19: Arbeitersiedlungen, Kolonie Meerbeck (abgerufen 03.11.2016)
Literatur
Gelhar, Martina (2005)
Industrietourismus am südlichen Niederrhein. Analyse von Grundlagen, Angebotsstrukturen und Entwicklungspotentialen unter Berücksichtigung räumlich-historischer Aspekte. Bergisch Gladbach.
Günter, Roland (2010)
Im Tal der Könige. Ein Handbuch für das Ruhrgebiet. Düsseldorf.
Wehling, Hans-Werner (1990)
Werks- und Genossenschaftssiedlungen im Ruhrgebiet 1844-1939, Dokumentationsband I: Kreis Wesel. Essen.
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