Die Evangelische Kirche Oberwesels gilt als wichtiges Beispiel für einen mit privaten Mitteln finanzierten Kirchenbau im 19. Jahrhundert im Rheinland. Da die evangelische Kirchengemeinde der Stadt Oberwesel eher klein ist, hat die Hauptfinanzierung die Familie von Osterroth übernommen. Seit 1997 steht die Evangelische Kirche unter Denkmalschutz (Denkmalverzeichnis für den Rhein-Hunsrück-Kreis 2014, S. 45).
Bei der Evangelischen Kirche handelt es sich um einen neugotischen Bau aus roten Ziegel- bzw. Backsteinen, der auf einem Bruchsteinsockel errichtet wurde. Gewände und Architekturelemente wie die Strebepfeiler, Fenster, horizontalen Bänder oder Eckquader wurden optisch durch die Verwendung von hellem Sandstein hervorgehoben. Das Dach besteht aus Schieferplatten. Der Dachreiter verfügt über eine Spitze mit Bleikrabben, eine Kreuzblume sowie einen Knauf mit Wetterfahne.
August Heinz aus dem nahe gelegenen Boppard hat die Kirche entworfen. Es handelt sich um einen dreijochigen Saalbau mit angedeutetem Kreuzgrundriss im Altarbereich. Das Langhaus ist durch je zwei Säulenbündel, die aus drei gekoppelten Säulen entstehen, in drei queroblonge Joche gegliedert. Das Kreuzgratgewölbe ist hierbei gebustet. Das Hauptportal der Kirche, welches über eine sechsstufige Treppe zu erreichen ist, befindet sich an der Chablisstraße. Das Türportal ist in eine von zweifach gestuften Strebepfeilern flankierte Nische mit Kielbogen eingelassen und wird durch ein zwölfspeichiges Radfenster mit Spitzbogenblende oberhalb des Portals verziert. Dieses Radfenster ist heute allerdings zugemauert.
Im Dachgiebel lässt sich ein Kreuzfenster ausmachen. Das zwölfspeichige Radfenster im Chorraum präsentiert sich als stilisiertes Blattwerk aus wildem Wein und Efeu mit gelben Stängeln. Zudem dominieren rote und blaue Flächen. Diese Farben finden sich in den Rundfenstern der Querarme wieder. An der Nord- und Südfassade lassen sich je zwei Spitzbogenfenster, die oberhalb eines hellen Sandsteinbandes ansetzten, ausmachen. An der Nordseite bzw. am nördlichen Querarm befindet sich ein weiteres Portal, welches mit einem Satteldach überdeckt ist. Optisch ähnelt die Fassade des Querarms der Fassade des Haupteingangs. Die Südfassade weist anstelle des Portals ein rechteckiches Fenster unterhalb des Rundfensters auf. 1957/58 wurde direkt vom südlichen Querarm ausgehend ein Jugendheim errichtet, welches heute als Pfarrhaus genutzt wird.
Der Altarraum hat gegenüber dem Langhaus eine dreistufige Erhöhung erfahren. Auch die Deckenhöhe des Altarraums bzw. des Langhauses ist höher als die Deckenhöhe der schmalen Querarme. Die Querarme gehen seitlich vor dem Altarraum ab und waren den Stiftern der Kirche vorbehalten. Sie sind demnach auch durch eine schrankenartige Vergitterung vom Haupthaus abgetrennt. Im sechsprossigen Radfenster des südlichen Querraums lässt sich das Wappen der Familie von Osterroth ausmachen, sodass davon ausgegangen werden kann, dass in diesem Querraum vornehmlich die Hauptstifter der Kirche Platz nehmen durften.
Vom Altarraum aus kann über eine Tür an der Nordseite die Sakristei betreten werden. Von der Sakristei aus kann die Kanzel, die mit einem Kielbogen verziert wurde, betreten werden. Die Tür an der Südseite führt über eine Treppe in den Dachstuhl. Inklusive der Anbauten weist die Evangelische Kirche eine Breite von 12,2 Metern auf. Die Gesamthöhe der Kirche beträgt 12,75 Meter. Die hölzerne Empore, auf welcher eine neugotische Orgel von 1899 steht, wird durch Holzpfeiler gestützt und nimmt eine Höhe von 3,2 Meter ein. Die Länge der Kirche beträgt 10,25 Meter. Hinzukommen die Maße der im Nordteil integrierten Sakristei, die 3,1 Meter lang und 1,85 Meter breit ist.
(Anne Gasper, Universität Koblenz-Landau, 2016)