Bei Winzervillen handelt es sich zumeist um größere Bauten, die nicht nur als reines Wohnhaus genutzt wurden. So verfügt das Gebäude in der Mainzer Straße 6 neben den üblichen Wohnräumen auch über einen Weinkeller sowie einen Kelterraum.
Typische für Winzervillen ist die aufwändige Fassadengestaltung. So lässt sich zur Akzentuierung der Fassade beispielsweise gelber Backsteinen als Besonderheit ausmachen. Grund hierfür ist, dass der Backstein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer beliebter wurde. Dies verdeutlichte die gesteigerten, künstlerischen Ansprüche der Eigentümer. Eine Besonderheit, die wiederum auch der Akzentuierung dient, ist der Gelbsandstein. Dieser findet im Gesims, den Eckbossen, den Fensterstürzen und Sohlenbänken der hohen Rechteckfenster sowie an den Balustraden des Eingangspodestes Verwendung.
An der Straßenseite tritt ein quadratischer Turm mit einem schiefergedeckten Pyramidalhelm und bleiverglaster Laterne aus der Ostfassade hervor. Dieser dient ebenfalls der Akzentuierung. Am Turm selbst lassen sich weitere Akzentuierung durch Eckbossen bzw. durch die übers Eck laufenden Kragsteine, die aus der Fassade hervortreten, ausmachen. Neben Türmen lassen sich in anderen Winzervillen häufig auch Erker ausmachen.
Das Schieferdach der Villa an sich weist einige Besonderheiten auf. Zum einen handelt es sich um ein Mansard-Walmdach, bei welchem die Dachflächen im unteren Bereich im vorliegenden Fall gewalmt abknicken. Dieser Bereich macht den weitaus größeren Teil des Daches aus und sorgt dafür, dass zusätzlicher Wohnraum entsteht. Zum anderen sind in den abknickenden Teil des Walmdaches aufwändig gestaltete Dachluken im neubarocken Stil eingelassen. An der Nordseite des Gebäudes wurde nachträglich ein eingeschossiger Wohnbau auf die Terrasse aufgesetzt. Eine Datierung sowie Angaben bezüglich der genauen Ausgestaltung sind nicht überliefert.
Aufgrund des ausgedehnten Weinbaus lassen sich in Oberwesel weitere Winzervillen ausmachen, deren prunkvolle Fassade immer zur Straße ausgerichtet ist. Die Winzervilla soll an dieser Stelle als repräsentatives Beispiel für weitere ähnliche Objekte dienen.
(Anne Gasper, Universität Koblenz-Landau, 2016)