Wenige Kilometer südöstlich von Waldniel entstand 1934 auf gerodeter Ebene, eingepasst in ein lichtes Waldstück, die Rösler-Siedlung als eine planmäßige Anlage. Die umgebende Ebene „Kirspelwaldniel“ war landwirtschaftlich geprägt, zu dieser Zeit weiträumig bestimmt durch Flachsanbau zur Herstellung von Leinen, das seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zunehmend industriell gefertigt wurde.
1917 hatte mit Übernahme der Drahtfabrik Bäcker & Cie in Schwalmtal-Amern die 1872 in Essen gegründete Drahtweberei Rösler in der Region Fuß gefasst. 1922 baute sie Produktionsstätten in Waldniel, 1925 einen Zweigbetrieb in Blerick bei Venlo. Nach dem Zusammenschluss mit den Vereinigten Drahtwerken Düsseldorf 1927 bestand das Werk weiter als Rösler Draht AG und firmierte zuletzt unter dem Namen Rösler Draht GmbH Essen.
Erste Wohnungen für die aus Essen mitgekommenen Facharbeiter entstanden in Amern und in Waldniel. 1934 erfolgte der Bau der „Rösler-Siedlung“, 1951 die Erweiterung der Anlage um 12 Wohnhäuser. Die Pläne fertigte der Architekt Carl Staudt.
Die beiden Teile der Siedlung, der alte und der neue Teil, sind bis heute deutlich ablesbar. Die alte Siedlung ist eine in sich geschlossene, auf einen Mittelpunkt konzipierte und von Grünzonen durchwirkte Anlage, die durch den neuen Teil abgerundet wird. Der Siedlungsgrundriss insgesamt setzt sich aus geradläufigen Wegen und rechtwinklig angeordneten Parzellen zusammen um einen Rechteckplatz und einen lang gezogenen Dreiecksplatz mit Brunnen und Figur im Zentrum.
Auf großzügig bemessenen Gartengrundstücken stehen traufständig eingeschossige Wohnhäuser, mit steilen ausgebauten mit roten Ziegeln gedeckten Satteldächern, rückwärtigen Abschleppungen und dadurch asymmetrischen Giebelseiten. Es werden neun Haustypen mit unterschiedlich zugeschnittenen Wohnungen unterschieden: Einzel-, Doppel-, Reihenhäuser. Ihre architektonische Gestaltung beschränkt sich auf glatte Giebelwandscheiben, vereinzelt flache Erker zur Straße und auf Schlagläden. Die 12 1951 gleich gestaltete Doppelhäuser unterscheiden sich in kleinen baulichen Details. Ein Bau mit zentraler Funktion, ein Laden, diente der Grundversorgung der Bewohner. Hier ist seit einigen Jahren ein Kindergarten eingerichtet.
Die Siedlung steht historisch in einem übergeordneten Zusammenhang. In der letzten Phase der Weimarer Republik stellte der Staat die seit dem Ersten Weltkrieg zur Linderung der großen Wohnungsnot bewilligten Zuschüsse nur noch für ländliche Kleinsiedlungen mit Selbstversorgung zur Verfügung. Die Haustypen, deren Entwicklung sowohl in Heimatschutzbewegung vor dem Ersten Weltkrieg als auch in der „Stuttgarter Schule“ wurzelte, wurden zunächst unmittelbar nach 1918 in Kriegerheimstätten verwirklicht. Die nachfolgenden Siedlungen der Weimarer Republik übernahmen die Grundstrukturen und passten die Haustypen den jeweiligen Gegebenheiten an. Diese Vorgehensweise wurde in nationalsozialistischer Zeit fortgeführt. Die Rösler-Siedlung, die ganz in dieser Tradition steht, weist stilistische Parallelen im Sinne der Stuttgarter Schule zu der ab 1917 von Paul Schmitthenner errichteten Siedlung Staaken in Berlin auf.
Der Siedlung wurden 1991 ein architektonischer Eigenwert und guter Erhaltungszustand zugesprochen. Die Satzung ist seit 1996 rechtskräftig. Zunächst ergänzte und unterstützte eine Gestaltungssatzung das Anliegen der Denkmalbereichssatzung. Um jedoch bei zukünftigen Entwicklungen und Veränderungen dem historischen Bestand noch besser gerecht zu werden erfolgte 2014 die Erarbeitung eines Bebauungsplanes, ergänzt durch eine Handreichung zur Gestaltung.
(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)
Literatur
Frank, Hartmut (Hrsg.) (1985)
Faschistische Architekturen. Planen und Bauen in Europa 1930 bis 1945. (Stadt, Planung, Geschichte 3.) Hamburg.
Harlander, Tilman (1988)
Siedeln in der Not. Umbruch von Wohnungspolitik und Siedlungsbau am Ende der Weimarer Republik. (Stadt, Planung, Geschichte 10.) Hamburg.
Müller, Rudolf H. (Hrsg.) (1978)
Der Kreis Viersen am Niederrhein. (Heimat und Arbeit.) S. 279, 377, Stuttgart.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 238-239, Petersberg.
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