Am nördlichen Rand des Bergischen Landes süd-östlich von Velbert liegt der Wallfahrtsort Neviges. Der Ort passt sich am Osthang in die bewegte Topographie oberhalb der Mündung eines kleinen Gewässers in den Hardenberger Bach ein. Die Berghöhen waren vermutlich schon im 8. Jahrhundert mit verstreuten Einzelhöfen besiedelt; 875 wird der Höhenweg erwähnt, der von Kaiserswerth über Ratingen, Heiligenhaus, Hattingen zum Hellweg führte und bei Neviges den Handelsweg von Köln über Zons und Werden ins Münsterland kreuzte.
1145 wird das Geschlecht der Grafen von Hardenberg erstmals urkundlich genannt, genau zu der Zeit, als sie den Höhepunkt ihrer Macht erreicht hatten. Kurze Zeit später verloren sie sowohl die Grafenrechte als auch die Vogtei über das Reichsstift Kaiserswerth. Schließlich wurde ihr Besitz durch den Verkauf an die Grafen von Berg Bergisches Amt, nach verschiedentlichem Lehnswechsel 1651 bergische Unterherrschaft und blieb bis zur französischen Zeit Teil des Herzogtums Berg. Die Herren von Hardenberg hatten vermutlich zunächst ihren Sitz auf einer Höhenburg. Die heutige Anlage von Schloss Hardenberg wurde an der Stelle eines Vorgängerbaus 1682–1696 als Wasserburg errichtet. Etwa 600 Meter südlich oberhalb des Hardenberger Baches lag ein zugehöriger Hof zu Neviges mit Kapelle, in dessen Nähe wohl um 1100 der Ort entstand.
Die Kapelle, seit 1379 Pfarrkirche, wurde 1575 protestantisch reformiert. Nach Bau einer neuen katholischen Kirche 1670 nördlich des Ortes und Gründung eines Franziskanerklosters wurde der Ort 1681 mit Übertragung eines Marienbildes Wallfahrtsstätte und als solche stetig nach und nach ausgebaut. Nach dem Bau einer Wallfahrtskirche 1728 erfolgte 1888 nordwestlich im Hang die Anlage eines Kreuzweges, 1912 auf dem gegenüberliegenden Marienberg der Bau eines Bittweges mit Wallfahrtskapelle und 1968 schließlich konnte die Wallfahrtskirche oberhalb des Ortskernes geweiht werden.
Neben der Grundherrschaft durch die Herren von Hardenberg und der Wallfahrt prägten Kleinindustrie im Bereich des Metallwesens und Textilgewerbes die Ortsgeschichte und Ortsentwicklung, die durch den Ausbau der Landstraße Anfang des 19. Jahrhunderts und den Bau der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung erlebten. Mit dem Zuzug von neuen Einwohnern erweiterte sich der Ort um den Kern, entlang der Wilhelmstraße und an der Elberfelder Straße und erhielt für neue öffentliche Funktionen Solitärbauten. An der Wilhelmstraße entstanden Rathaus, Post, zwei Schulen, Polizei, Feuerwehr und die Turnhalle, die spätere Stadthalle.
Ortsgefüge und Bausubstanz lassen die Ortsgeschichte anschaulich ablesen. So ist der historische Ortskern, der Rundling aus Fachwerkwohn- und Geschäftshäusern um die evangelische Kirche mit einer hohen Dichte denkmalwerter Bausubstanz, in ein geschichtliches Netz städtebaulicher Strukturen und baulicher Anlagen eingebunden. Fixpunkte mit bedeutender historischer Aussage sind Schloss Hardenberg, die Kirchen, das Kloster, die Kalvarienberge, die Stätten der Wallfahrt, die Solitärbauten mit öffentlichen Funktionen und die historischen Gewerbestandorte, zu denen die Wohnhäuser und Wohn- und Geschäftsbauten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts überleiten. Die heute bestehende Ortsstruktur und Bausubstanz lässt die Ortsentwicklung von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts kontinuierlich und nahezu ohne gravierende städtebauliche Brüche nachvollziehen und erleben.
Neviges ist in seiner Geschichte als bergischer Wallfahrtsort und im Miteinander der historischen baulichen Anlagen von überregionaler Bedeutung. Ortsgrundriss, die aufgehende Bausubstanz insgesamt, gestaltete Freiflächen und Blickbezüge und im Gesamteindruck dieser Elemente vermitteln die herausgehobene historische Bedeutung von Neviges bis heute anschaulich.
Die Satzung ist seit 2006 rechtskräftig.
(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)
Literatur
Avenarius, Wilhelm; Brinken, Bernd (1982)
Düsseldorf und das Bergische Land. Heroldsberg.
Haun, Gerd; Holtz, Uwe; Willebrand, Wille (1972)
50 Jahre Stadtrechte Neviges. Neviges.
Haun, Gerhard / Kreis Mettmann (Hrsg.) (1991)
Geschichte der Stadt Velbert. In: Neuigkeiten aus alter Zeit. Der Kreis Mettmann und die Geschichte seiner 10 Städte, Meinerzhagen.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 253-255, Petersberg.
Schüttler, Adolf / Nordrhein-Westfalen, Statistisches Landesamt (Hrsg.) (1952)
Der Landkreis Düsseldorf-Mettmann. Regierungsbezirk Düsseldorf. (Die Landkreise in Nordrhein-Westfalen. Reihe A: Nordrhein 1.) Ratingen.
Der hier präsentierte Inhalt steht unter der freien Lizenz CC BY 4.0 (Namensnennung). Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Möchten Sie dieses Objekt in der Kuladig-App öffnen?
Wir verwenden Cookies
Dies sind zum einen technisch notwendige Cookies,
um die Funktionsfähigkeit der Seiten sicherzustellen. Diesen können Sie nicht widersprechen, wenn
Sie die Seite nutzen möchten. Darüber hinaus verwenden wir Cookies für eine Webanalyse, um die
Nutzbarkeit unserer Seiten zu optimieren, sofern Sie einverstanden sind. Mit Anklicken des Buttons
erklären Sie Ihr Einverständnis. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Datenschutzseite.