Produktion:
Ein wichtiger Schritt für das CFG war die Einführung der Dederon-Faser ab 1964, einer synthetischen Faser aus Polyethylenterephthalat (PET). Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie unter dem Namen Perlon von der I.G.-Farbenindustrie AG in der BRD vertrieben, woraufhin die DDR-eigene Alternative eingeführt wurde. Das Produkt fand vielfältige Anwendung in der Bekleidungs- und Textilindustrie, wobei die CFG eine von ehemals drei Produktionsstätten in der DDR war.
Aufgrund der großen Nachfrage wurde 1967 eine zweite Dederon-Feinseidenanlage in Betrieb genommen. Gleichzeitig richtete man das Zentrallabor mit einer Forschungsabteilung für die Weiterentwicklung der Produkte ein. 1964 wurde die Betriebsberufsschule des CFG eröffnet, gefolgt von der Einrichtung einer Poliklinik, die ein bedeutendes Wandbild mit dem Motiv Die Vielfalt unseres Lebens nach einem Entwurf von Joachim Jastram ziert. Die Poliklinik mit Wandbild ist als Baudenkmal unter der Nummer 09125325 in der Denkmalliste eingetragen.
1969 begann die Produktion von Dederon-Kordseide, Polyamid-Dedotex, Angeldraht und Borsten. Wichtige Meilensteine in den folgenden Jahren waren die Einführung der Polyesterseide, auch Grisutenseide genannt (1970/72), die Inbetriebnahme der Teppichgarnfärberei und der ersten Schnellspinnmaschine für Polyesterseide sowie der Nachzwirnerei II (1984). Die Nachzwirnerei II erweiterte 1985 den Betrieb um die Kapazität für gezwirnte Seide. Eine bemerkenswerte Innovation war die Inbetriebnahme der vollautomatischen Reifencordanlage im Jahr 1987. Der produzierte Reifencord wurde u.a. in den Förderbandanlagen des Bergbaus eingesetzt.
Bis zum Jahr 1989 war das CFG der größte Arbeitgeber im Kreis Guben und beschäftigte etwa 8.000 Mitarbeiter:innen, darunter ca. 1.000 Fachkräfte. Die politischen Veränderungen nach der Wende 1989 führten dazu, dass das Werk in mehrere Teilbetriebe aufgeteilt, treuhänderisch verwaltet oder verkauft wurde. Heute sind auf dem Gelände verschiedene Unternehmen angesiedelt, die einen Großteil des Gebäudebestands des CFG nachnutzen. Im Zuge der Produktionsumstellung wurden die meisten technischen Anlagen ersetzt. Hervorzuheben ist, dass in der ehemaligen Dederon-Produktionshalle, der größten Produktionshalle auf dem Gelände, noch heute Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt wird.
Industriekraftwerk:
Das ehemalige Industriekraftwerk wurde 1964 in Betrieb genommen wurde. Es spielte eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung von Wärme und Strom für die Produktion im Werk. Nach seiner Erweiterung versorgte es außerdem die Gubener Neustadt und weitere Industriebetriebe sowie soziale Einrichtungen in Guben. Im Jahr 2001 wurde das Industriekraftwerk stillgelegt und durch das heutige HKW Guben mit Gas-/Ölkesseln ersetzt, das nicht mehr auf Braunkohle angewiesen ist. Im Zuge dieser Umstellung wurde das alte Fernwärmenetz modernisiert. Als Relikt aus vergangenen Zeiten ist nur das Einlaufbauwerk an der Neiße erhalten, das ursprünglich Wasser für den Kraftwerkprozess und die Produktion im Chemiefaserwerk lieferte.
Erwähnenswert an dieser Stelle ist, dass das CFG ausschließlich Braunkohle für das Heizkraftwerk einsetzte. Im Gegensatz zu anderen Werken, wie z.B. Lauta, erfolgte die chemische Produktion nicht auf der Basis von Braunkohle, sondern auf der Basis von Erdöl.
Baubestand:
Die Bedeutung des CFG wird durch das Ensemble der erhaltenen Gebäude und Anlagen vermittelt. Neben der zentralen Dederon-Produktion mit den Spinnereien I und II sowie der Werkskantine (Küche III) sind die Verwaltungsgebäude, die Betriebsbibliothek mit angeschlossener Bus- und Wartehalle, die Kordseidenanlage, die Draht- und Borstenanlage, die Verarbeitungsprüfanlage, das Versandgebäude, eine Feuerwache sowie verschiedene Werkstätten, Lagerhallen und Baracken erhalten. Für die heutige Nachnutzung wurden bereits einige Anlagen zurückgebaut; die Kraftwerkanlagen einschließlich der Braunkohleverladung sind vollständig demontiert.
Die meisten Gebäude des CFG wurden als Stahlbeton- oder Stahlskelettkonstruktionen unter Verwendung von Fertigteilen errichtet. Diese Bauweise spiegelt die Ingenieurskunst der damaligen Zeit wider und ermöglichte eine schnelle und effiziente Errichtung der Anlagen. Die architektonische Bedeutung des CFG liegt in der funktionalen und zugleich charakteristischen Gestaltung seiner Gebäude, die dem industriellen Bauen in der DDR entsprach. Ein ästhetischer Anspruch, der sich in der Verbindung von industrieller Effizienz und gestalterischen Besonderheiten (Farbgebung, Fassadengestaltung, Wandmalerei etc.) ausdrückt, wurde insbesondere bei den Sozialbauten sichtbar verfolgt.
Neben seiner architektonischen Bedeutung ist das CFG historisch als größter Arbeitgeber der Region und als einer von drei Dederon-Herstellern von großer Bedeutung. Die Dederon-Faser wurde zum Symbol der heimischen Textilindustrie und war ein wichtiger Bestandteil der sozialistischen Konsumkultur in der DDR. Die erhaltenen Gebäude, insbesondere die Dederon-Produktionsstätte, sind wichtige Dokumente der Industriegeschichte dieser Zeit. Damit repräsentiert das ehemalige CFG nicht nur lokale Industriegeschichte, sondern auch einen Teil der nationalen und gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR.
Datierung:
- Planung: ab 1959
- Grundsteinlegung: 1960
- Auflösung des CFG in mehrere Teilbetriebe:: 1990
Quellen/Literaturangaben:
- Christine Krause, Angelika Städter und Manfred Rieger: Chronik, Chemiefaserwerk „Herbert Warnke“ Wilhelm-Pieck-Stadt Guben. Chemiegigant an der Friedensgrenze, 1959-1970, Teil 1, [Cottbus 2009].
- VEB Chemiefaserwerk Wilhelm-Pieck-Stadt Guben (Hg.): 3 Buchstaben. CFG, Berlin 1974.
- Ute Knappe, Silvia Handke, Roccy Schulz, Elena Schulze, Christina Starost und Angelika Städter: Chronik Teil 2. Zur Geschichte des Chemiefaserwerkes „Herbert Warnke“ Guben, 1971-1989, [Cottbus 2010].
- VEB Chemiefaserkombinat Wilhel-Pieck-Stadt Guben (Hg.): CFK. Synthese in Bildern, Weißenfels 1965.
- Informationen aus der Ausstellung des Gubener Tuche und Chemiefasern e.V.
BKM-Nummer: 32003272
(Erfassungsprojekt Lausitz, BLDAM 2023)