Forster Stadteisenbahn und Gleisanlagen im Forster Stadtgebiet

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Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Forst (Lausitz)
Kreis(e): Spree-Neiße
Bundesland: Brandenburg
Koordinate WGS84 51° 44′ 47,38″ N: 14° 38′ 47,6″ O 51,74649°N: 14,64655°O
Koordinate UTM 33.475.599,02 m: 5.732.902,19 m
Koordinate Gauss/Krüger 5.475.725,33 m: 5.734.751,63 m
Die Forster Stadteisenbahn wurde hauptsächlich zur effizienten Belieferung der örtlichen Textilfabriken mit Braunkohle eingerichtet.
Mit der ersten Spinnerei 1821 begann für die Stadt Forst der Aufstieg zum bedeutendsten Standort der Textilindustrie Deutschlands. Arbeiter:innen siedelten sich an, als immer mehr Fabriken eröffnet wurden. Zählte Forst 1871 noch 8.000 Einwohner:innen, so hatte sich die Zahl innerhalb eines Vierteljahrhunderts verdreifacht. 1896 konnte man 460 Unternehmen zählen, von denen 302 zur Textilindustrie gehörten. Täglich kamen am örtlichen Stadtbahnhof ca. 60 Kohlewagen an, die die zur Produktion benötigte Braunkohle brachten. Pferdefuhrwerke beförderten die bestellten Mengen zu den Fabriken, doch waren sie aufgrund der enormen Transportmengen schon bald überlastet, wodurch der Ausbau der Fabriken und die Gründung neuer Unternehmen stagnierte.
Die Münchener Localbahn Actien-Gesellschaft (LAG) hatte sich auf den Bau von Lokal- und Sekundärbahnen in Deutschland und Österreich spezialisiert. Die Verantwortlichen waren auf Forst aufmerksam geworden und präsentierten dem Magistrat die Idee, alle Fabriken mit einem eigenen Anschluss an ein Schmalspurschienennetz zu versehen. Mit einer technisch einfach gehaltenen Lokalbahn sollte der Gütertransport innerhalb der Stadt gewährleistet werden. Für diesen Einsatz wurden acht leistungsfähige Tenderlokomotiven mit eigens mitgeführten Brennstoff- und Wasservorräten gebaut. Ingenieure planten eine einfache Konstruktion, die es ermöglichte, die Unterhaltung einfach und kostengünstig umzusetzen. Die „Schwarze Jule“, wie der Volksmund sie taufte, kam mit 4 km/h um die Kurve und erreichte auf gerader Strecke 8 km/h, somit eine immer noch moderate Geschwindigkeit. Eine vollflächige Verkleidung des Fahrzeugs war notwendig, weil die Schienen im öffentlichen Straßenverkehr verlegt waren.
Am 26.10.1892 wurde der Vertrag unterschrieben, die Arbeiten begannen, sodass der Betrieb bereits am 08.05.1893 aufgenommen werden konnte. Zu Beginn ließen sich 59 Betriebe an das 17 km lange Schienennetz aus Rillenschienen anschließen.
In die örtliche Polizeiordnung wurde eine Betriebsverordnung für die Stadtbahn aufgenommen und damit die Straßennutzung geregelt. Bis 1923 wurde die Schwarze Jule als „Straßenbahn“ geführt, um dann aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für den Verkehr als „nebenbahnähnliche Kleinbahn“ eingestuft zu werden.
Aufgrund des neuen Transportmittels erhöhte sich die zu befördernde Fracht beträchtlich: Im Jahr 1894 wurden 120.400 t Braunkohle transportiert, 1911 war es doppelt so viel. Jede der 25-30 Fahrten am Tag wurde von der hauseigenen Spedition täglich aufs Neue geplant, weil es keinen festen Fahrplan gab. Jede Bedienfahrt bestand aus einer Lokomotive mit vier bis fünf Waggons, die auf Rollböcken durch die Stadt gezogen wurden. So ersparte man sich das Umladen von normalspurigen Wagen auf Schmalspurwagen im Stadtbahnhof. Von dort aus verlief ein später 24 km langes Gleisnetz ringförmig durch die Stadt. Es unterteilte sich in drei weitere Ringe und besaß sechs Ausweichmanöver in wenig befahrenen Straßen. Um durch die engen Straßen und Kurven fahren zu können, hatte man eine Spurbereite von 1.000 mm gewählt und erreichte damit einen Kurvenradius von 15 m.
Zum Bestand von anfänglich acht Lokomotiven mit einem Achsenabstand von 1400 mm gehörten ab 1920 drei weitere Loks mit 1500 mm Achsenabstand. Der Bestand an Rollböcken wuchs von 48 im Jahr 1893 auf 128 Rollböcke im Jahr 1939. Zudem sind im Laufe der Zeit 20 offene und fünf gedeckte Stückgutwaggons angeschafft worden.
1926 erweiterte die Spedition der Stadt ihr Angebot um eine Auto- und 1943 um eine Omnibusabteilung und nannte sich in „Forster Verkehrsbetriebe“ um.
Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in der Textilstadt Forst 38 % der baulichen Substanz vollständig und 50 % teilweise zerstört. Zum Abtransport des Schutts verlegte man weitere Gleise und nutzte die Schwarze Jule. Es wurden ständig 100 Wagen zum Schutttransport benutzt. Selbstverständlich wurden weiterhin auch Kohle und Waren des täglichen Bedarfs transportiert.
1947 verlangte die Deutsche Wirtschaftskommission von der Zentralverwaltung für Verkehr einen Bericht über den Zustand der Bahnen, die nicht der Reichsbahn angehörten. Aus ihm ging hervor, dass 56 Personen im Verkehrsbetrieb beschäftigt waren und von acht Lokomotiven fünf als schadhaft bewertet wurden, zudem einige wenige Gleisabschnitte zerstört, die meisten jedoch nur ausbesserungsfähig waren.
Da man seit den 1920er Jahren auch auf Lastkraftwagen zurückgreifen konnte, wurde das Streckennetz nur zum Teil ausgebessert und reduziert. 1962 wurde die Motorisierung weiter vorangetrieben, sodass die Stadtbahn zum Verkehrshindernis mutierte. Eine Studie ergab, dass der Gütertransport komplett vom VEB Kraftverkehr übernommen werden konnte. Am 31.08.1965 erfolgte die letzte Fahrt der Jule. Bis auf eine Lokomotive, die zeitweise in Dresden ausgestellt wurde, wurden alle anderen demontiert. Einige Abschnitte der Gleisanlage sind bis heute vorhanden. An einigen Stellen wurde das Gleis entfernt und der Verlauf mit Pflastersteinen gekennzeichnet. Die Gleisanlagen stehen unter Denkmalschutz.



Datierung:
  • Inbetriebnahme: 1893
  • Stilllegung: 1965

Quellen/Literaturangaben:
  • Peter, A., Das Buch der Stadt Forst (Lausitz), Guben, 1927; http://schwarze-jule.de/ 22.12.2021; Jünemann K., Preuß E., Schmalspurbaahn zwischen Spree und Neiße, Berlin, 1985

BKM-Nummer: 32000699

(Erfassungsprojekt Lausitz, BLDAM 2023)

Forster Stadteisenbahn und Gleisanlagen im Forster Stadtgebiet

Schlagwörter
Ort
Forst
Alternativer Ortsname
Barsc (Luzyca)
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank

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„Forster Stadteisenbahn und Gleisanlagen im Forster Stadtgebiet”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-32000699 (Abgerufen: 28. März 2025)
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