Kraftwerk Trattendorf

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Spreetal, Spremberg
Kreis(e): Bautzen, Spree-Neiße
Bundesland: Brandenburg, Sachsen
Koordinate WGS84 51° 32′ 16,13″ N: 14° 23′ 12,87″ O 51,53781°N: 14,38691°O
Koordinate UTM 33.457.479,11 m: 5.709.812,59 m
Koordinate Gauss/Krüger 5.457.598,00 m: 5.711.652,30 m
  • Kraftwerk Trattendorf 1936 und 1978 (Kartengrundlage: Sächsische Landesbibliothek -Staats- und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek: Messtischblatt 2547: Spremberg, 1936; US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 [1978]. 2013; Kartierung A. Prust, 2023)

    Kraftwerk Trattendorf 1936 und 1978 (Kartengrundlage: Sächsische Landesbibliothek -Staats- und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek: Messtischblatt 2547: Spremberg, 1936; US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 [1978]. 2013; Kartierung A. Prust, 2023)

    Fotograf/Urheber:
    Anja Prust
    Medientyp:
    Bild
    Anklicken öffnet eine größere Vorschau in Galerieansicht
1914 wurde die „Niederlausitzer Kraftwerke AG“ durch die Aktiengesellschaft des Schweizer Elektrokonzerns „Brown, Boveri & Cie.“ gegründet, die auch Anteilseigner der „Lonza-Werke AG“ war. Ein Jahr später begann man mit dem Bau eines Kraftwerkes nahe der Stadt Spremberg. Mit dem Tagebau Brigitta und der Lage an der Spree war die Versorgung mit Braunkohle und Kühlwasser bestens gesichert. Mitte 1917 ging das Kraftwerk mit einer Leistung von 10 MW ans Netz. Noch vor Abschluss des ersten Bauabschnittes 1923, wurde die Leistung auf 50 MW erhöht. Nach dem Ausbau zum Großkraftwerk ab 1928 verfügte das Kraftwerk in der endgültigen Ausbaustufe 1941 mit drei Kesselhäusern und neun Schornsteinen über 160,5 MW Leistung. Hauptabnehmer des erzeugten Stromes war das „Lonza-Werk“, das fast zeitgleich 1915/1916 neben dem Kraftwerk Trattendorf errichtet wurde und sehr stromintensiv u. a. synthetische Düngemittel produzierte. Beim Bau beider Werke wurden auch Kriegsgefangene zur Arbeit gezwungen; 1917 ist der Tod von sieben Internierten infolge eines Unfalls beim Schornsteinbau dokumentiert.
Die im Kraftwerk benötigte Kohle wurde mittels einer Grubenbahn aus dem Tagebau Brigitta zur 35.000 Tonnen fassenden Kohlehalde gefahren, die dem Werk vorgelagert war und einen Vorrat für zehn Tage sicherte. Die Kraftwerksasche wurde bis 1923 auf dem nördlichen Werksgelände deponiert, später über eine Spülgrube und einen Bunker mittels Zügen in die Tagebaugrube transportiert. 1936 richtete man hinter der Spree ein Spülbecken ein, das bis 1996 in Betrieb war. Der stetige Ausbau des Werkes machte den Bau von Kühltürmen notwendig, da das Spreewasser nicht mehr genügte; die ersten Türme aus Stahlbeton wurden 1926, 1927 und 1937 errichtet.
1919 übernahm die „Elektrowerke AG“ Berlin (EWAG) das Kraftwerk, baute es weiter aus und schloss es mit einer 110-kV-Leitung ans Fernleitungsnetz an. Das Werk versorgte nun über das Umland hinaus auch Teile Schlesiens und Berlin, darunter das Netz der Berliner S-Bahn. Ab Mitte der 1930er Jahre erfolgten Modernisierungen – dabei wurden auch immer neue Techniken im Anlagenbau getestet.
Schon 1942/1943 begann man im Zuge des „Wärme-Kraft-Sofortprogramms“ – geplant waren zehn Großkraftwerke mit je 300 MW (= Einheitskraftwerke) – mit dem Aufbau eines zweiten Halbwerkes (oder Werk II), das mit dem bereits bestehenden Werk I ein Einheite mit 300 MW Leistung bilden sollte. Auch hierbei wurden Zwangsarbeiter eingesetzt.
Mit der sich nähernden Front wurde das Werk am 19.04.1945 planmäßig abgefahren. Infolge der Reparationsleistungen befahl die SMAD die Demontage bis zum Frühjahr 1946. Die beschlagnahmten Anlagen wurden wohl in Kaunas (Litauen) wiederaufgebaut, während man die verbliebenen Anlagen in Trattendorf als Umspannwerk und Verteiler nutzte.
Nachdem das zweite Halbwerk nicht fertiggestellt werden konnte und Werk I nahezu vollständig demontiert war, beschloss die politische Führung der DDR 1952 den Neubau eines Mitteldruck-Sammelschienenkraftwerkes mit sechs 25-MW-Kondensationsturbinen. Als „Bau der Jugend“ unter Beteiligung zahlreicher Jugendbrigaden der FDJ sollte Werk III entstehen. Die Grundsteinlegung erfolgte am 01.03.1954. Maschinenfundamente des Altkraftwerkes und die Bauhülle des 1942/43 begonnenen Einheitskraftwerkes dienten als Basis. Werk III ging am 07.04.1955 unter dem Ehrennamen „Jugendkraftwerk Trattendorf ‚Artur Becker‘“ ans Netz. Betreiber war die „VEB Energieversorgung Cottbus“. Mit dem Endausbau 1960 verfügte das Kraftwerk über eine Gesamtleistung von 450 MW. In den 1960er Jahren folgten weitere Modernisierungen, u. a. der Bau einer 1,2 Hektar großen Gewächshausanlage, die durch Abwärme gespeist und vom Gemüsekombinat zur Versorgung der Bevölkerung genutzt wurde. Es entstand die Wohnsiedlung Spremberg-Süd und ein Freiluft-Schwimmbad, das ganzjährig beheizt wurde. Ebenfalls errichtete man ein neues Wasserwerk, einen Kohle- und Kesselbunker, eine Auftauhalle der Kohlewaggons, neue Schornsteine und drei neue Kühltürme. Die Ascheentsorgung wurde weiterhin über die Spülleitung betrieben. 1963 wurden dem nun „VEB Kraftwerke Artur Becker Trattendorf“ auch die Kraftwerke Lauta, Plessa und Finkenheerd untergliedert. Nach dem Ausbau zur Zweistofffeuerung 1972/1973 konnte neben Braunkohle auch Erdgas genutzt werden. 1980 gehörte das Kraftwerk dem „Gaskombinat Schwarze Pumpe“ an.
Nach der politischen Wende stellte sich die Technik als überholt und unwirtschaftlich heraus, Umweltauflagen konnten nicht erfüllt werden. Ab 1994 wurde die ersten Anlagen außer Betrieb genommen und zurückgebaut. Die endgültige Stilllegung erfolgte am 29.03.1996; mehr als 2100 Beschäftigte verloren ihre Arbeit. Abgesehen vom Verwaltungsgebäude und vereinzelten Lagerhallen wurde das Kraftwerk zwischen 1997 und 2002 vollständig abgebrochen, das Gelände saniert. Seit 2010 befindet sich auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände der Solarpark Zerre.

(Anja Prust, Landesamt für Archäologie Sachsen, 2023)

Datierung:
  • 1917–1996

Quellen/Literaturangaben:
  • GeoSN, dl-de/by-2-0.: DGM1 Sachsen. 2022.
  • —: DOP Sachsen. 2022.
  • —: Historische DOP Sachsen 1995–2000. 2022.
  • GeoSN, dl-de/by-2-0: Historische DOP Sachsen 2000–2004. 2022.
  • GeoSN, dl-de/by-2-0.: Historische Karten (Messtischblatt vor 1945). 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 ab 1990). 2022.
  • —: Historische Karten (TK25 DDR Ausgabe Staat). 2022.
  • Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek / Deutsche Fotothek: Messtischblatt 2547: Spremberg, 1921. 2022.
  • —: Messtischblatt 2547: Spremberg, 1936. 2023.
  • US Geological Survey: Declassified Satellite Imagery 3 (1978). 2013.
  • D. Kahl et al., Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte der ehemaligen Braunkohlenkraftwerke, Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niedelausitz, Band 10 (Cottbus 2009).
  • Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH [Hrsg.], Braunkohlenveredlung in der Lausitz, Teil II (Ostsachsen). Wandlungen und Perspektiven 19 (Senftenberg 2011).
  • Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH [Hrsg.], Spreetal/Bluno. Lausitzer Braunkohlenrevier. Wandlungen und Perspektiven 07 (Senftenberg 2016).
  • D. Sperling, W. Schossig, Wirtschaftsorganisation der Braunkohlenindustrie in der SBZ/DDR von 1945 bis 1990 (Cottbus 2015).

Bauherr / Auftraggeber:
  • --

BKM-Nummer: 31100124

Kraftwerk Trattendorf

Schlagwörter
Ort
Spreetal
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
Keine Angabe
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank

Empfohlene Zitierweise

Urheberrechtlicher Hinweis
Der hier präsentierte Inhalt steht unter der freien Lizenz CC BY-NC 4.0 (Namensnennung, nicht kommerziell). Die angezeigten Medien unterliegen möglicherweise zusätzlichen urheberrechtlichen Bedingungen, die an diesen ausgewiesen sind.
Empfohlene Zitierweise
„Kraftwerk Trattendorf”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BKM-31100124 (Abgerufen: 27. März 2025)
Seitenanfang