Das Ensemble zeigt sich authentisch im Stil der Neuen Sachlichkeit. Das Saalgebäude wurde in den späten 1950er Jahren im Zuge einer Aufstockung qualitätvoll überformt. Der Architekt Emil Lange war bereits zur Entstehungszeit des Gebäudes kein Unbekannter. Er gehörte zu einer Reihe namhafter Vertreter des 1919 in Weimar begründeten Bauhauses, die in der wirtschaftsstarken Glasstadt Weißwasser tätig wurden - einer Stadt, die nicht nur über lange Zeit das Zentrum der Lausitzer Glasindustrie bildete, sondern zu dieser Zeit auch weltweit führender Glasproduzent war.
In der Tradition des Bauhauses stehend, kommt dem von Lange entworfenen Gewerkschaftshaus eine große baugeschichtliche Bedeutung zu; es besitzt aber ebenso einen großen Zeugniswert für die Arbeiterkultur Weißwassers zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Industrialisierung der Stadt war mit einem enormen Bevölkerungszuwachs verbunden. Neben Produktionsstätten selbst entstanden neue Siedlungs- und Versorgungsstrukturen. Die Arbeiterschaft organisierte sich gewerkschaftlich und ließ eigene Gebäude für Büros, zu Versammlungszwecken und zur politisch-kulturellen Bildung errichten. Die frühen Bauten der Arbeiterbewegung wiesen dabei einen hohen architektonischen Anspruch auf, der sich auch am Gewerkschaftshaus Weißwasser manifestiert. Wie auch anderswo in der DDR wurde das Gebäude nach 1945 zu einem Kulturhaus umfunktioniert. 1952 zog die Geschäftsstelle des FDGB in das Gebäude, so dass es nicht nur kulturellen, sondern auch wieder gewerkschaftlichen Zwecken diente.
Über bau- und stadtgeschichtliche Aspekte hinaus ist zudem eine Bedeutung des „Volkshauses“ ab 1953 „Kulturhaus der Chemiearbeiter“ (die Glasindustrie wurde zu dieser Zeit der Chemiebranche des Landes zugeordnet) für die Industriegeschichte des Oberlausitzer Braunkohlereviers auch im Kontext der Kohle- und Energiewirtschaft zu konstatieren. Die Oberlausitz wird seit über 150 Jahren geprägt durch den Braunkohleabbau, aber auch durch die chemische Industrie und vor allem in und um Weißwasser durch die Glasfabrikation. Letztere sind als synergetische Produktionsbereiche im Zuge von Abbau, Veredlung und Verstromung der Braunkohle zu sehen. Als besonders energieintensive Industrien deckten sie ihren großen Brennstoffbedarf mit Braunkohle aus dem Oberlausitzer Revier. Die Glashütten vergasten die Braunkohle und nutzten das Generatorgas zum Befeuern ihrer Hafenöfen. Der chemischen Industrie diente die Braunkohle als Energieträger wie auch als Rohstoff für die Produktion (Braunkohlechemie). Allerdings geht die Relevanz dieser Industriezweige seit der Wiedervereinigung stark zurück, der geplante Kohleausstieg bildet eine weitere Zäsur. Viele Produktionsstätten (darunter zeitweise über 40 Glaswerke allein in und um Weißwasser) sind heute nicht mehr erhalten. Daher kommt den materiellen Zeugnissen dieser industriellen Entwicklung - darunter nicht nur die unmittelbar im Zusammenhang mit der Braunkohle- und Energiewirtschaft stehenden Anlagen, sondern auch Objekten synergetischer Produktionsbereiche wie der Glasindustrie sowie die mit ihnen verbundenen Bauten mit Sozialfunktion wie das „Volkshaus“ - ein herausragender Dokumentwert zu.
Leider wurde das Gebäude bei einem Brand im Jahr 2021 stark geschädigt.
Datierung:
- 1928
Quellen/Literaturangaben:
- Nolte, Stefan/Scheel, Hendrik/Neufert-Bau Weißwasser e.V.: Modellfall Weißwsser oder Das Masz aller Dinge. Eine Stadtverwandlung zum Bauhaus-Jubiläum; Dessau 2021.
Bauherr / Auftraggeber:
- Entwurf: Emil Lange (Architekt, GND: 1214308694)
BKM-Nummer: 30700047