Wie überall in deutschen Rüstungsbetrieben und insbesondere in der kriegswichtigen Braunkohleindustrie und den angeschlossenen Veredelungsbetrieben zur Treibstoffproduktion im Umfeld von Böhlen wurden mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ausländische Bürger und Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt. Unter unmenschlichen Bedingungen waren diese Menschen in umliegenden Lagern untergebracht, wie im KZ-Außenlager von Buchenwald in der Nähe von Pulgar, im Lager „Höhensonne“ auf der Halde Lippendorf und im Lager „Alpenrose“ im Pereser Wald. Die Zwangsarbeiter kamen aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen, den Niederlanden, Belgien, Italien und Frankreich und wurden zur Arbeit für den Krieg gegen ihre eigene Heimat gezwungen. Viele von ihnen starben an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen: Unterernährung, Blutvergiftungen, Misshandlungen, Diphtherie und Typhus. Darunter befanden sich auch 195 Tote aus der ehemaligen Sowjetunion sowie eine größere Zahl aus den Niederlanden und Italien. Die Toten wurden zunächst in unmittelbarer Nähe des Friedhofs von Pulgar bestattet und bis Ende der 1960er Jahre mit einem Obelisken für die sowjetischen Opfer und einem Gedenkstein für die Niederländer versehen. Da Pulgar dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen sollen, mussten 1976 die sterblichen Überreste in ein Sammelgrab direkt neben dem heutigen Betriebsgelände umgebettet werden. Die neugestaltete Anlage wurde 1993 eingeweiht und im Jahre 2002 erneut überarbeitet. In die aus langgestreckten roten Backsteinmauern unter Bäumen gestaltete Gedenkstätte wurde der Gedenkstein für die niederländischen Opfer aus Pulgar mit integriert. Im Rahmen eine Gedenkveranstaltung wurde die Anlage 2006 durch weitere bronzene Namenstafeln im Beisein Überlebender und Angehöriger aus den Niederlanden ergänzt.
Die Gedenkstätte erinnert an eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und die in der Braunkohleindustrie in großem Maße verbreitete Zwangsarbeit, die sich kaum noch mit baulichen Hinterlassenschaften belegen lässt. Aus diesen Gründen ist die Anlage von wirtschafts-, sozial- und ortsgeschichtlicher Bedeutung.
(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2024)
Datierung:
- Erbauung 1993/2002
Quellen/Literaturangaben:
- Baumert, Martin: NS-Zwangsarbeit und Erinnerungskultur im Landkreis Leipzig das Beispiel Böhlen-Espenhain. In: Leipzig im Nationalsozialismus 2016 (2016), S. 91–114.
- https://www.lippendorf-kieritzsch.de/gedenkstaette-pulgar/20
Bauherr / Auftraggeber:
BKM-Nummer: 30600199