Die Hochhalde Lippendorf entstand in den 1920er Jahren mit dem 1921 erfolgten Aufschluss des Tagebaus Böhlen – des ersten Großtagebaus in Mitteldeutschland – etwa anderthalb Kilometer südlich der heutigen Nordkante der Halde. Aufschlussmassen im Umfang von etwa 22 Millionen Kubikmetern wurden hier per Zugtransport abgekippt. Der Abraum des fortschreitenden Tagebaus, in dem ab 1930 die Abraumförderbrücke Böhlen I im Regelbetrieb eingesetzt war, wurde später im ausgekohlten Bereich des Tagebaus verbracht. Zeitweise wurde die Halde auch als Kohleschlammbecken genutzt, bevor sie bereits 1927 bis 1936 rekultiviert wurde. In diesem Kontext wurden Haldenstufen geformt und zum Zweck der Bepflanzung 40 bis 60 Zentimeter Muttererde aufgebracht. Der Haldenbereich wurde mit verschiedenen Baumarten wie Erle, Birke, Kiefer und Akazien an den Hängen sowie zusätzlich Wildobst und Lärchen auf der Hochfläche aufgeforstet.
Auf dem heute bewaldeten, aber nur in geführten Touren zugänglichen Areal wurde im Juli 1944 das Arbeitserziehungslager »Höhensonne« eingerichtet, in dem »ausländische Zwangsarbeiter:innen, die arbeitsvertragsbrüchig oder anderweitig auffällig geworden waren« unter schlimmsten Bedingungen untergebracht waren und schwere Zwangsarbeit im Werk Böhlen leisten mussten. Ein 2014 eingeweihter Gedenkstein erinnert an die insgesamt etwa 900 Menschen, die hier bis Januar 1945 gefangen gehalten wurden.
Als weithin sichtbare Erhebung erinnert die Halde nicht nur an die Landschaftsumwälzungen, die der Tagebau mit sich brachte, sondern auch an das Schicksal der im Arbeitserziehungslager untergebrachten Häftlinge.
(Isabell Schmock-Wieczorek, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2022)
Datierung:
- Erbauung 1920–1927
Quellen/Literaturangaben:
- Endruszeit, Bert: Blumen für Lippendorfer Opfer; In: Osterländer Volkszeitung, 12.05.2020, S. 17.
- Hönsch, Fritz: Der Industriekomplex Böhlen. Eine ökonomisch-geographische Untersuchung unter Berücksichtigung der historisch-geographischen Entwicklung; Reprint der Originalausgabe Potsdam 1968, Leipzig 2011, S. 93, 98.
- Arbeitserziehungslager „Höhensonne“; In: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig. URL: https://www.zwangsarbeit-in-leipzig.de/zwangsarbeit-in-leipzig.
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: Aktiengesellschaft Sächsische Werke (GND: 355314-0)
BKM-Nummer: 30500209