Der Zuzug an Arbeitern in der Braunkohleindustrie machte sich auch in steigenden Mitgliederzahlen bemerkbar, so dass die Räumlichkeiten bald erweitert werden sollten. Im Jahre 1926 reichten die Leipziger Architekten Bock, Paatzsch & Thier einen Entwurf für einen Neubau an Stelle der bestehenden Turnhalle ein, der einen dem spitzen Grundstücksverlauf folgenden, dreifach zurückgestuften Grundriss vorsah. Das Raumprogramm sollte einen großen Turnsaal mit Bühne, mit zum Sportfeld vorgelagerter Terrasse, einen kleinen Turnsaal mit angeschlossenem Erfrischungsraum mit Küche sowie Umkleiden und Geräteraum im Souterrain umfassen. Die Ansichten lassen einen expressionistischen Backsteinbau mit Walmdach (Turnhalle) und Stufengiebel mit ausgebautem Dach über den Gasträumen erwarten. Vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen wurde das Projekt in dieser Form nicht ausgeführt, sondern 1929 ein vereinfachter Entwurf eingereicht, der nur noch einen Anbau an die bestehende Turnhallenbaracke von 1922 vorsah. Dennoch wurde die Grundkonzeption von Grundriss und Raumprogramm beibehalten. So entstand 1930 als Erweiterung ein Flachbau mit kleinem Turnsaal und Wirtschaftsräumen. Die Gestaltung des Baukörpers wurde gegenüber dem Vorentwurf mit einem flach geneigten Walmdach deutlich vereinfacht, die Fassaden zeigen mit einer horizontalen Betonung durch bandartige Fensteranordnung und auskragenden Dachüberstand Anklänge an das Neue Bauen. In den 1970er Jahren musste die Turnhallenbaracke einem Ersatzbau mit Traversenüberdachung zum Sportplatz weichen. Der als ungetypter Mauerwerksbau bezeichnete Flachbau wurde nach einem Entwurf von Dipl-Ing. G. Hartmann im Auftrag des VEB Kombinats »Otto Grotewohl« Böhlen ausgeführt.
Die Gaststätte »Jahnbaude« erinnert heute noch an die Wurzeln des Vereins, dessen Nachfolgeorganisation der Betriebssportgemeinschaft (BSG) Chemie Böhlen mit der Fußballmannschaft die Oberliga der DDR erreichte. Vor diesem Hintergrund ist das Sportgelände mit den in den letzten Jahren stark überformten Gebäuden sozial-, wirtschafts- und ortsgeschichtlich von Bedeutung.
(Nils Schinker, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, 2023)
Datierung:
- Erbauung 1922 (Sportpark), Erweiterung 1930, Ersatzbau 1977
Quellen/Literaturangaben:
- Kaufmann, Gregor/Nabert, Thomas: Böhlen. Vom Rittergutsdorf zur Industriestadt; Leipzig 2002, S. 59, 80-81.
- Christliches Umweltseminar Rötha e. V./Kulturbüro Espenhain (Hgg.): Braunkohle-Energie-Chemie. 80 Jahre Industrieentwicklung am Standort Böhlen-Lippendorf; Südraum Journal 15. Leipzig 2004, S. 56-57.
- Archiv des Landkreises Leipzig in Grimma, B18492, B18340, B18596
Bauherr / Auftraggeber:
- Bauherr: Turnverein Jahn e.V. Böhlen
- Bauherr: VEB Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen
- Entwurf: Bock, Paatzsch & Thier Architekten, Leipzig (Architekt)
BKM-Nummer: 30100294