Kriegsgräberstätte der ehemaligen Zeche Graf Beust, Gerlingstraße

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Archäologie
Gemeinde(n): Essen (Nordrhein-Westfalen)
Kreis(e): Essen (Nordrhein-Westfalen)
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 27′ 38,57″ N: 7° 01′ 30,34″ O 51,46071°N: 7,0251°O
Koordinate UTM 32.362.804,68 m: 5.702.909,93 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.571.286,51 m: 5.703.400,74 m
Die Kriegsgräberstätte der ehemaligen Zeche Graf Beust besteht aus einer 1963-64 angelegten Grünanlage mit Grabdenkmal und aus einem teilweise zerstörten, als Grabstätte belassenen unzugänglichen Luftschutzstollen, in dem 1944 bei einem Luftangriff auf Essen 99 sowjetische Kriegsgefangene und ein deutscher Unteroffizier umkamen. Die Gebeine der Kriegsgefangenen ruhen noch heute in dem Luftschutzstollen. Die Gedenkstätte, deren Entstehung seit 1963 mit Kontakten zu der russischen Botschaft einherging, war später ein Ziel von Besuchergruppen ehemaliger russischer Zwangsarbeiter, von der Stadt Essen eingeladen und geführt von Dr. Ernst Schmidt. Die Führungen begannen an der Gedenkstätte. Dr. Schmidt erinnert sich, dass russische Besucher von der Tragik des Geschehens und der Eigenart der Grabstätte besonders gerührt gewesen seien und dass Anregungen zur Umbettung der Kriegstoten nicht zu vernehmen waren. Bei einem großen Luftangriff alliierter Luftstreitkräfte auf Essen am Abend des 12. Dezember 1944 mussten 99 sowjetische Kriegsgefangene, die auf der Zeche Graf Beust als Zwangsarbeiter eingesetzt waren, einen Luftschutzstollen der Zeche aufsuchen. Sie wurden von einem deutschen Unteroffizier begleitet. Vermutlich durften sie den Hochbunker, der etwa 100 Meter östlich des mittleren Stolleneingangs liegt, nicht benutzen. Sie hatten den Luftschutzstollen selbst bauen müssen. Durch einen Bombentreffer stürzten Teile des Stollens ein und alle Schutzsuchenden kamen in dem Stollen um.

Franz Marx, ein von Dr. Schmidt befragter Zeitzeuge, hatte an dem Abend Nachtschicht und war an Rettungs- und Bergungsversuchen beteiligt. Er erinnerte sich 1989:
Durch die Fliegerbombe war der Stollen vom Eingang aus etwa fünf bis sieben Meter eingestürzt. Steiger Spitz und ich versuchten, zu den Verschütteten vorzudringen. Nach vier Stunden trafen wir auf etwa 30 tote Russen und den deutschen Unteroffizier. Sie hatten sich fest ineinander verkrallt und waren höchstwahrscheinlich erstickt. Wir legten den Toten Gummischläuche um ihre Körper und zogen einzelne heraus. Nachdem ich auf diese Weise fünf tote Russen und den deutschen Unteroffizier geborgen hatte, wurde mir übel, und ich konnte die Arbeit nicht fortführen. Andere Kumpels von Graf Beust und einige von der Zeche Ernestine herbeigeholte russische Kriegsgefangene setzten die Arbeit fort. Es wurden 20 bis 30 Verschüttete geborgen, mit Kalk bestreut und in den Maschinenraum der Zeche gebracht. Da wir an die anderen Verschütteten nicht mehr gelangen konnten, grub man von oben in die 12 bis 15 Meter dicke Erdschicht einen Schacht, um von hier aus die Toten zu bergen. Leider waren die Bemühungen vergebens. Danach legte man die geborgenen Leichen wieder dorthin, wo man sie gefunden hatte. Dann wurde der Stolleneingang zugemauert. Nur den deutschen Unteroffizier hat man anderswo beerdigt.
(Zitiert nach Schmidt / Zimmermann 2002, S. 46-47)

Geschichte der Gedenkstätten
Der ungefähr in nord-südlicher Richtung verlaufende Stollen hatte drei nach Westen gelegene Zugänge, einen im Norden, einen im mittleren Bereich und einen im Süden. Oberirdisch wurde in der Nähe des mittleren Stolleneingangs bald nach dem Krieg eine erste kleine Gedenkstätte hergerichtet, bestehend aus einer U-förmig angelegten Mauer mit vorgelagerter Hecke und einem Hinweisschild in einem Holzrahmen. Ende der fünfziger Jahre begannen Planungen der städtischen Friedhofsverwaltung zu einer neuen Gedenkstätte. Bei dem Neubau des Betriebshofes Stadtmitte der Essener Verkehrs AG (EVAG) westlich des Luftschutzstollens Anfang der sechziger Jahre wurde 1962 das Gelände des Stollens und der ersten Gedenkstätte durch Bodenabtragungen und Planierungen berührt. Im Zuge dieser Arbeiten wurde die erste Gedenkstätte beseitigt und ein Stolleneingang teilweise abgetragen. Dabei traten jedoch noch keine Gebeine zutage. Im Zusammenhang mit dem EVAG-Neubau wurde die Gedenkstätte mit Zuweg von der Gerlingstraße, Gehölzbepflanzung und einem Grabdenkmal neu angelegt und im November 1964 fertig gestellt. Das Grabdenkmal mit einem kleinen Vorplatz liegt über dem nördlichen Abschnitt des Luftschutzstollens. Am 12. Dezember 1964, dem zwanzigsten Jahrestag des Todes der Kriegsgefangenen in dem Luftschutzstollen, fand eine feierliche Kranzniederlegung an der neuen Gedenkstätte statt. An der Trauerfeier nahm unter anderem der Bonner Korrespondent der russischen Nachrichtenagentur TASS, Igor Jakowlew, teil. Veranlasst durch Falschmeldungen in der Presse der DDR (Neues Deutschland, 31.08.1963) über eine angeblich ersatzlose Beseitigung der bald nach dem Krieg entstandenen ersten Gedenkstätte und eine völlige Einebnung des Geländes über dem Stollen, war die russische Botschaft im September 1963 auf die Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe des Stollens aufmerksam geworden und ließ sich durch einen 2. Botschaftssekretär unterrichten, der am 12.09.1963 beim Essener Oberbürgermeister vorgesprochen hatte.

Gedenkstätte
Zu der Gedenkstätte führt an einem Hang entlang ein schmaler plattierter Weg, der beiderseits von einer sehr gewählten Gehölzbepflanzung gerahmt ist. Er endet vor einem Bronzerelief, das an einer Betonmauer vor einem kleinen plattierten Platz angebracht ist. Die Mauer ist teils mit Waschbetonplatten verkleidet. Das Relief mit kreuzförmigem Umriss zeigt in abstrahierenden Formen die Figur eines hinsinkenden Verschütteten in Rückenansicht. Es wurde von Peter Weiss, Darmstadt, geschaffen (Signiert „PETER WEISS 1964“).

Die deutsche Inschrift wird in russisch, in kyrillischer Schrift, wiederholt. Sie war 1964 „im Einvernehmen mit der sowjetischen Botschaft“ gewählt worden:
HIER RUHEN 99 RUSSISCHE KRIEGSGEFANGENE, VERSCHÜTTET DURCH FLIEGERBOMBEN AM 12. DEZEMBER 1944
Darunter die russische Inschrift.

Maße: Bronzeplastik: Höhe etwa 1,85 Meter. Die Reliefplatte circa 1 Zentimeter stark, rückseitig großförmig negativ reliefiert.

Adresse: Gerlingstraße 1 / Eiserne Hand 45 / Beuststraße 45.
Die Kriegsgräberstätte ist eingetragenes Bodendenkmal (LVR-ABR E 78; Essen, BoD lfd. Nr. 58).

(LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland, 2010)

Internet
www.lwl.org: Kriegsgraeberstaette Graf Beust Essen (abgerufen 31.12.2012)
www.essen.de: Beispiele aus der Arbeit der Inventarisation des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege (ID) – Kriegsgräberstätte für Zwangsarbeiter der Zeche Graf Beust (Dr. Martin Bach, abgerufen 08.04.2015)
media.essen.de: Die Kriegsgräberstätte für sowjetische Zwangsarbeiter der Zeche Graf Beust in Essen (Inventarisation, Dr. Martin Bach 2014, PDF-Datei ca. 5,7 MB, abgerufen 08.04.2015)
media.essen.de: Die Kriegsgräberstätte für sowjetische Zwangsarbeiter der Zeche Graf Beust in Essen (Fotodokumenation mit Namenstafeln, Dr. Martin Bach 2014, PDF-Datei ca. 5 MB, abgerufen 08.04.2015)

Literatur

Schmidt, Ernst; Zimmermann, Michael (2002)
Essen erinnert. Orte der Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert. Essen (3. Auflage).

Kriegsgräberstätte der ehemaligen Zeche Graf Beust, Gerlingstraße

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Barbarakirchgang 19
Ort
45139 Essen - Nordviertel
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Ortsfestes Bodendenkmal gem. § 3 DSchG NW
Fachsicht(en)
Archäologie
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger
Historischer Zeitraum
Beginn 1963 bis 1964

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„Kriegsgräberstätte der ehemaligen Zeche Graf Beust, Gerlingstraße”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/A-CW-20091230-0007 (Abgerufen: 27. Juli 2024)
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