Synagoge Jülich und Gedenktafel in der Straße ‚An der Synagoge‘

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Jülich
Kreis(e): Düren
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 55′ 25,2″ N: 6° 21′ 22,81″ O 50,92367°N: 6,35634°O
Koordinate UTM 32.314.204,47 m: 5.644.664,99 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.525.098,83 m: 5.643.215,09 m
  • Historische Aufnahme der 1862 eingeweihten Synagoge in Jülich aus dem Jahr ihrer Zerstörung 1938.

    Historische Aufnahme der 1862 eingeweihten Synagoge in Jülich aus dem Jahr ihrer Zerstörung 1938.

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  • Jülich, Ort der Synagoge, An der Synagoge

    Jülich, Ort der Synagoge, An der Synagoge

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Der Straßenname „An der Synagoge“ und eine Gedenktafel dort erinnern an die Jülicher Synagoge, die 1938 von Nationalsozialisten geschändet und 1944 durch Kriegseinwirkung zerstört wurde (erbaut 1862).
Die älteste Nachricht über eine Synagoge in Jülich stammt aus dem Jahr 1348; der erste Hinweis auf Juden im Jülicher Land ist das dem Jülicher Grafen Wilhelm IV. 1226 von König Heinrich VII. verliehene Judenprivileg (Genehmigung der Schutzgewährung gegen einträgliche Gebühren); ein alter jüdischer Friedhof (von 1816-1941 genutzt) liegt an der Aachener Straße.

(Conrad Doose, Förderverein Zitadelle Jülich e.V., 1998)


Die jüdische Gemeinde Jülich seit dem frühen 19. Jahrhundert:
Mitte des 18. Jahrhunderts lebten (wieder) jüdische Familien in Jülich. Im 19. Jahrhundert war die Bevölkerungszahl recht konstant. Seit 1857 war Jülich Hauptort des gleichnamigen Synagogenbezirks.
Gemeindegröße um 1815: 95 (1806), um 1880: 82 (1885), 1932: 135, 2006: – (vorstehende Angaben nach Reuter 2007).

Noch im 19. Jahrhundert kam es im Rheinland wiederholt zu offenbar an mittelalterliche Ritualmordlegenden anknüpfende antisemitische Pogrome. Meist blieben die Ausschreitungen lokal begrenzt, konnten sich aber auch als „Wellen der antijüdischen Empörung“ weiter ausbreiten (Rohrbacher u. Schmidt 1991). Zu nennen sind u.a. Pogrome in Dormagen 1819, Willich bei Krefeld 1835, Düsseldorf 1836, Jülich 1840, Xanten 1891/92, Kempen 1893 oder Issum 1898.
Die um 1855 gebildete Synagogengemeinde Jülich, deren Statut 1859 bestätigt wurde, umfasste seinerzeit alle ca. 600 Juden des damaligen Kreises Jülich. Später bildeten sich Filialgemeinden heraus, so in Langweiler, Linnich, Müntz und Rödingen. Über etwa 20 Jahre existierte bis in die 1870er Jahre eine eigene Privatschule, bevor auch die jüdischen Kinder die städtischen Schulen besuchten, wo sie zusätzlich Hebräisch- und Religionsunterricht durch einen jüdischen Lehrer erhielten (www.jüdische-gemeinden.de).

Synagogen in Jülich
In der Grünstraße waren bereits für die Jahre 1349, 1461,1771 und 1783 Synagogen bezeugt (de.wikipedia.org). Laut dem Handbuch der Historischen Stätten gab es bereits im 13. Jahrhundert eine Synagoge in der Grünstraße (ebd. 2006, S. 515).
Der Standort der in den 1770er Jahren urkundlich genannten „Sinagog“ ist heute nicht mehr bekannt (www.jüdische-gemeinden.de).
Zum Ende der 1850er Jahre wurde das Gotteshaus unter damaligen Anschrift Grünstraße Nr. 35 neu errichtet, die Einweihung erfolgte am 20. und 21. September 1862. Ein erweiternder Umbau, bei dem im Inneren kam eine Westempore ergänzt wurde, erfolgte 1924 (so de.wikipedia.org) oder 1927 (Reuter 2007).

„Das Gotteshaus lag zurückgesetzt in einem Vorgarten, der durch Mauer und Gittertor von der Straße abgegrenzt war. Es handelte sich um einen schmalen, giebelständigen Backsteinbau auf rechteckigem Grundriss. An der Ostseite befand sich ein kleiner Anbau, der im Inneren den Toraschrein aufnahm. Der Giebel mit einem Rundfenster in der Mitte und Rundbogenfries mit kleinen Konsolen hatte einen rechteckigen Abschluss. An den Seitenfronten waren Rundfenster. Prägnant gab sich die Eingangssituation mit der rechteckigen Tür und dem direkt darüber liegenden Rundbogenfenster. Auf der Giebelspitze saßen die Gebotstafeln.“ (Bergrath / von Büren 2013)

„Mit diesem Neubau verschuldete sich die kleine Gemeinde erheblich.“ (www.jüdische-gemeinden.de)

Im Zuge der nationalsozialistischen Novemberpogrome von 1938 wurde das Gebäude in Brand gesteckt und weitestgehend zerstört. Die verbliebene Ruine wurde erst 1958 endgültig abgerissen, als hier neue Wohnbebauung entstand (Reuter 2007). Die frühere Lage des Gotteshauses lässt sich infolge der späteren Überbauung nur bedingt rekonstruieren, die hiesige Objektgeometrie folgt Hinweisen von Herrn Spelthahn (2019).

Erinnerung: Straßenname und Gedenktafel
Im Jahr 1997 wurde das Teilstück der Grünstraße, an dem einst die Synagoge gestanden hatte, in „An der Synagoge“ umbenannt.

Bereits 1983 wurde in der Straße eine metallene Gedenktafel angebracht, die eine stilisierte Ansicht der Synagoge zeigt (vgl. Abbildung). Sie trägt unter dem zunächst auf hebräisch abgebildeten Spruch aus dem Buch Mose die Inschrift:
Liebe Deinen Nächsten wie dich selbst; ich bin der Herr. 3. Mose 19/18
Hier stand die Synagoge. Sie wurde am 9.11.1938 geschändet.
Zur Erinnerung und Mahnung.
Bürger der Stadt Jülich

(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2019 / freundliche Hinweise von Herrn Heinrich Spelthahn, Vorsitzender der Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz e.V., 2019)

Internet
de.wikipedia.org: Synagoge Jülich (abgerufen 09.12.2019)
www.jüdische-gemeinden.de: Jülich (abgerufen 10.12.2019)
www.juelich.de: Synagoge und Gedenktafel (abgerufen 10.12.2019)
www.juelicher-gesellschaft.de: Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz e.V. (abgerufen 09.12.2019)

Literatur

Bergrath, Arthur; Büren, Guido von / Arbeitsgemeinschaft der Geschichtsvereine im Kreis Düren (Hrsg.) (2013)
Synagogen im Kreis Düren – zum Gedenken an die Reichspogromnacht vor 75 Jahren. S. 53-57, Düren.
Groten, Manfred; Johanek, Peter; Reininghaus, Wilfried; Wensky, Margret / Landschaftsverband Rheinland; Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.) (2006)
Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. (HbHistSt NRW, Kröners Taschenausgabe, Band 273.) Stuttgart (3. völlig neu bearbeitete Auflage).
Mohl, Georg; Doose, Conrad (1998)
Stadt und Zitadelle Jülich. Einstige Residenz und Festung. Ein Rundgang zu den Sehndwürdigkeiten. o. O.
Pracht, Elfi (1997)
Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln. (Beiträge zu den Bau- und Kunstdenkmälern im Rheinland 34.1.) S. 99-102, Köln.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 53, Bonn.
Rohrbacher, Stefan; Schmidt, Michael (1991)
Judenbilder. Kulturgeschichte antijüdischer Mythen und antisemitischer Vorurteile. (Rowohlts Enzyklopädie 498.) Reinbek bei Hamburg.
Spelthahn, Gabriele; Spelthahn, Heinz / Jülicher Geschichtsverein 1923 e.V. (Hrsg.) (2006)
Entrechtet - entwurzelt - ermordet. Buch der Erinnerung an die Juden des Jülicher Landes. (Veröffentlichungen des Jülicher Geschichtsvereins, 19.) Kleve.

Synagoge Jülich und Gedenktafel in der Straße ‚An der Synagoge‘

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
An der Synagoge / Grünstraße
Ort
52428 Jülich
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1855 bis 1862, Ende 1938 bis 1958

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„Synagoge Jülich und Gedenktafel in der Straße ‚An der Synagoge‘”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-296883 (Abgerufen: 16. Mai 2024)
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