Denkmalbereich „Aachen - Innenstadt“

Ortskern

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Denkmalpflege
Gemeinde(n): Aachen
Kreis(e): Städteregion Aachen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 46′ 30,46″ N: 6° 05′ 2,18″ O 50,77513°N: 6,08394°O
Koordinate UTM 32.294.411,38 m: 5.628.873,14 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.505.964,81 m: 5.626.633,74 m
  • Die Alte Bibliothek der RWTH Aachen, Wüllnerstraße 3, in Aachen (2011).

    Die Alte Bibliothek der RWTH Aachen, Wüllnerstraße 3, in Aachen (2011).

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    Gregori, Jürgen / Landschaftsverband Rheinland
    Fotograf/Urheber:
    Jürgen Gregori
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Die Satzung für den Denkmalbereich „Aachen-Innenstadt“ schützt den Stadtkern im inneren Ring (Grabenring) mit den Ausfallstraßen als den Verbindungsstücken zum äußeren Ring (Alleenring), die Sichtachsen auf den Dom und die nach allen Seiten wirksame Stadtsilhouette. Damit umfasst der Denkmalbereich den Ausstrahlungsbereich der Pfalzanlage, definiert die Pufferzone des Welterbes Dom, des Aachener Münsters St. Marien und schützt den Stadtkern. Ziel der Ausweisung des Denkmalbereiches ist, das Welterbe vor Beeinträchtigungen, den umgebenden Stadtraum vor störenden Änderungen zu bewahren und die nach allen Seiten wirksame Stadtsilhouette zu erhalten.

Zusammen mit dem lang rechteckigen Platz zwischen Dom und Rathaus, dem heutigen Katschhof, legen Dom und Rathaus Zeugnis ab vom ehemaligen karolingischen Pfalzbezirk. Beide wirken mit ihren Schauseiten in den umgebenden städtischen Raum, haben Entwicklung und Ausprägung des Stadtkörpers über Jahrhunderte bestimmt und machen mit ihren Dächern und Türmen die Stadtsilhouette unverwechselbar. Der topographische Ort des flachen, weiten, annähernd kreisrunden Kessels mit einer zentrischen Erhebung und durchzogen von zahlreichen Bachläufen und warmen Quellen, trug nicht nur entscheidend zur Gründung der Pfalz und zur Siedlungsbildung bei, auch ermöglicht die besondere Lage bis heute von den umkränzenden Anhöhen - unter räumlichen Verschiebungen, je nach Standort - die Wahrnehmung des Stadtkörpers um Dom und Rathaus in der Mitte.

Innerhalb der umgrenzten Fläche hat sich die Stadt Aachen von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Siedlungsgeschichtliche Phasen und bedeutende städtische Themen sind in überlieferten Strukturen und in Form von Bauten erhalten; sie bilden sich in Wegeführung, Platzbildung, Parzellenzuschnitt, Architektur, Baukörperverteilung und Volumina bis heute deutlich ab; einzelne Beispiele sind hierfür anschauliche Belege: So wurde die Grundstruktur des Wegesystems mit den beiden Linien, die sich westlich vom Marktplatz treffen, in römischer Zeit angelegt. Auch ist der an Büchel und Hof geschaffene römische Badebezirk heute noch in der städtischen Raumgestalt präsent. Karl der Große hat vermutlich Ende des 8. Jahrhunderts den Entschluss gefasst, die bestehenden Bauten und erhaltenen Reste der römischen Badeanlage zu einer Pfalzanlage auszubauen. Die Pfalz wurde als nord-südlich ausgerichtete Rechteckanlage geschaffen, ausgehend von der im christlichen Sinn ost-west-orientierten Pfalzkapelle. Durch die Drehung über der römischen Wege- und Parzellenstruktur blieben dreieckige Restflächen, die sich bis heute in den Platzzuschnitten des Stadtkerns erhalten haben.

Auch hatte Karl der Große einen reichen Schatz an Reliquien gesammelt, seit 1239 fand und findet bis heute die Heiligtumsfahrt statt, ab 1349 im siebenjährigen Turnus. Sie machte Aachen im 14. und 15. Jahrhundert zum wichtigsten Wallfahrtsort im deutschen Reich. Kirchliche Funktionen, Klöster, Armen- und Waisenhäuser, lagen im Zentrum, Gasthäuser und Spitäler konzentrierten sich in ihrer Nähe, um die Pilger zu beherbergen, zu betreuen und um Kranke zu versorgen. Einzelne Objekte und bauliche Zusammenhänge sind überliefert.

Mit Aachens Wahl zum Krönungsort der deutschen Könige festigte Otto I. strategisch den Westen des Kaiserreiches. Die Herrscheraufenthalte, der mitreisende Hofstaat stützten sich auf ein Versorgungsnetz aus umliegenden landwirtschaftlichen Höfen und örtlichen Handwerkern, ermöglichten den Aufbau von landesweiten Handelsbeziehungen und die allmähliche Wandlung zu einer Handelsstadt, was sich bis heute insbesondere in der Stadtstruktur abbildet. Schließlich forcierten die Privilegien der Freien Reichsstadt die Herausbildung von zentralen Funktionen und die bauliche Ausprägung der städtischen Eigenständigkeit in Form von öffentlichen Solitären.

Der Stadtbrand im Jahr 1656 vernichtete wohl 90% der Stadtsubstanz; vorwiegend Wohnhäuser, Holzhäuser/Fachwerkbauten, fielen den Flammen zum Opfer, während die größtenteils aus Stein gebauten öffentlichen Bauten ganz oder in Teilen erhalten blieben.
Der Wiederaufbau erfolgte nach strengen Vorschriften und führte in Hausstellung, Stockwerkszahl, Fluchten und Materialwahl zu einer Regelmäßigkeit der Straßenzüge.

Die naturräumlichen Gegebenheiten unterstützten die Etablierung spezifischer Gewerke und die Herausbildung städtischer Merkmale. So bot sich das weiche Bachwasser den Tuchherstellern zum Reinigen und Waschen der Wolle, zum Walken und Appretieren der Tuche. Die Tuchindustrie erlebte im 18., noch einmal im 19. Jahrhundert eine Blütezeit. Rohstoffe aus der weiteren Region begründeten die Stahlindustrie mit dem Schwerpunkt der Nadelfabrikation in Aachen. Das Badewesen nutzte das warme Quellwasser und führte die Stadt im 18. und 19. Jahrhundert als Modebad mit ausgedehnten Badeanlagen und einem Spielcasino zu Weltruhm. Erhaltene Bauten, bauliche Relikte und vor allem Besonderheiten im Stadtgrundriss lassen diese spezifischen Entwicklungen und Bedeutungen erahnen, nachvollziehen und teilweise anschaulich erleben. Die Aufhebung der Zünfte mit der Einführung einer neuen verwaltungsmäßigen und kirchlichen Ordnung und die Säkularisation der Klöster zogen zunächst das Brachliegen großflächiger Areale im Stadtinneren und dann gezielt gewerbliche Umnutzungen nach sich, so dass sich der Stadtkern im Laufe des 19. Jahrhunderts zunehmend industriell verdichten konnte. Hatte die Stadtbefestigung als strategische Linie bereits Anfang des 19. Jahrhunderts ausgedient und war der äußere Stadtbefestigungsring zur umlaufenden Allee mit Parkanlagen gestaltet, wuchs die Stadt ab 1871 schließlich über diese mittelalterlichen Grenzen hinaus, zumal die äußere Mauer als Steuergrenze hinfällig war.

Ein Jahr zuvor, 1870, war die Gründung der Königlichen Rheinisch-Westphälischen Polytechnischen Schule, der späteren Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, erfolgt. Das Hauptgebäude der preußischen Einrichtung lag jenseits des inneren Rings am Templergraben. Die Hochschule dehnte sich mit zunehmenden Aufgaben bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts zunächst bis zum äußeren Ring aus, verzahnte sich nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch baulich verstärkt mit der Innenstadt im Bereich der Eilfschornsteinstraße und richtete sich mit Erweiterung um die Philosophische Fakultät ab 1972 auf die Stadtmitte aus.

Die Bauordnung von 1906 hatte Aussagen zur Höhe, zur Dachausbildung und zur Geschosszahl der Gebäude getroffen und 1910/1911 erfolgte für die Aachener Innenstadt der Erlass eines Ortsstatuts gegen Verunstaltung. Anknüpfend an bestehende Reglements zum Stadtgebiet unterlag das städtische Gefüge nun insgesamt allgemeinen Bestimmungen, auch zur Höhenentwicklung und zur Ausbildung der Dachlandschaft.

Als im Herbst 1944 etwa 60% der Bausubstanz in der Innenstadt zerstört wurden, waren auch die Dächer und Türme des Rathauses vernichtet, ebenso ein kleiner Anbau am Granusturm und die neuen Stiftsgebäude. Auch waren Verwaltungsgebäude, Rathaus und Dom beschädigt. Mit dem hohen Substanzverlust hatte der Krieg offene Wunden in die Stadt geschlagen, jedoch war der Wiederaufbau - unter Zugeständnissen an den zunehmenden Autoverkehr - bereits 1965 weitgehend abgeschlossen. Nach Inkrafttreten des Städtebauförderungsgesetzes 1971 wurden im Stadtkern großflächig Gewerbe- und Fabrikgelände saniert, reine Wohngebiete ersetzten die Mischgebiete.

Trotz stetiger Entwicklung, verbunden mit kontinuierlich baulichen Änderungen überzeugt das Stadtgebilde im inneren Ring nach wie vor als vielfältige, jedoch in sich geschlossene Einheit. Die einzelnen Geschichtsphasen haben immer wieder eigene bauliche Anlagen geschaffen. Nutzungen und Funktionen haben sich verändert, überlagert, vorhandener Bestand wurde beibehalten, umgebaut, erweitert, ersetzt, so dass nach und nach das heutige Aachen entstand. In dem Prozess hat sich der Dom als städtebauliche Dominante sowohl inhaltlich als auch formal über 1200 Jahre behauptet.

Der Denkmalbereich hilft, diesen Prozess behutsam fortzusetzen. Er definiert den Rahmen, innerhalb dessen sich zukünftige Entwicklungen in den historisch wertvollen Bestand und städtischen Zusammenhang einpassen. Änderungen der Parzellenstruktur, der räumlichen Abgrenzung des Straßenraums, der Platzbildung und der Freiflächen, Änderungen an Grundstückseinfriedungen, an allen zum öffentlichen Raum wirksamen Fassaden, an Dächern und Dachaufbauten und an Gebäudehöhen sind erlaubnispflichtig. Der Denkmalbereich schützt damit genau die Merkmale, die als städtebauliches Geflecht Dom und Pfalzbezirk halten und als Gesamtheit wirken, indem an Ortsgrundriss, aufgehende Substanz, an die charakteristischen Blickbezüge auf die Stadtmitte und an die Stadtsilhouette besondere Anforderungen gestellt werden, um die Kernstadt auch in Zukunft als ein Ganzes zu bewahren.

Die Satzung trat 2011 in Kraft.

(Elke Janßen-Schnabel, LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland, aus: Pufke (Hrsg.) 2016)

Quelle
Elke Janßen-Schnabel, Lutz Henning Meyer, Gutachten Denkmalbereich Aachen Innenstadt - Pufferzone Dom, 2 Teile, 2008

Literatur

Arnold, Eduard Philipp (1930)
Das Altaachener Wohnhaus. (Aachener Beiträge für Baugeschichte und Heimatkunst 2.) Aachen.
Böcker, Susanne (1992)
Der Katschhof in Aachen. (Rheinische Kunststätten, Heft 372.) Neuss.
Buchkremer, Joseph (1896)
Die Architekten Johann Joseph Couven und Jakob Couven. Aachen.
Dettmering, Renate (1986)
Geschichte des Baurechts in Aachen. Auswirkungen hoheitl. Maßnahmen auf Stadtplanung u. Architektur, dargest. am Beispiel Aachens vom Sachsenspiegel bis zur Preuß. Baugesetzgebung. o. O.
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Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen. Das Münster zu Aachen. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Bandd 10.1.) Düsseldorf.
Faymonville, Karl; Laurent, Joseph; Pick, Richard; Schmid-Burgk, Max / Clemen, Paul (Hrsg.) (1924)
Die Kunstdenkmäler der Stadt Aachen. Die profanen Denkmäler und die Sammlungen der Stadt Aachen. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, Band 10.2.) Düsseldorf.
Fischer, Wilhelm K. / Huyskens, Albert (Hrsg.) (1953)
Die Neuplanung Aachens nach dem zweiten Weltkrieg. In: Das alte Aachen. Seine Zerstörung und sein Wiederaufbau, S. 156-179. Aachen.
Kaemmerer, Walter (1978)
Geschichtliches Aachen. Vom Werden und Wesen einer Reichsstadt. Aachen.
Pufke, Andrea (Hrsg.) (2016)
Denkmalbereiche im Rheinland. (Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege 83.) S. 71-76, Petersberg.
Rhoen, Carl (1896)
Der städtische Baumeister Laurenz Mefferdati. Aachen.
Schild, Ingeborg (1965)
Die Brüder Cremer und ihre Kirchenbauten. (Veröffentlichungen des Bischöflichen Diözesanarchivs Aachen 23.) Mönchengladbach.
Seeger, Ulrike (1991)
Aachen im 19. Jahrhundert. Die Zeit der Frühindustrialisierung. Aachen.
Winands, Klaus (1989)
Zur Geschichte und Architektur des Chores und der Kapellenbauten des Aachener Münsters. Recklinghausen.

Denkmalbereich „Aachen - Innenstadt“

Schlagwörter
Ort
52076 Aachen - Stadtmitte
Gesetzlich geschütztes Kulturdenkmal
Denkmalbereich gem. § 5 DSchG NW
Fachsicht(en)
Denkmalpflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Übernahme aus externer Fachdatenbank, Auswertung historischer Schriften, Auswertung historischer Karten, Auswertung historischer Fotos, Literaturauswertung, Geländebegehung/-kartierung, Archivauswertung, mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger

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„Denkmalbereich „Aachen - Innenstadt“”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/BODEON-73885-13062019-293774 (Abgerufen: 8. Mai 2024)
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