Kreuzherrenkloster Marienfrede

Marienvrede, Marienwrede, Maringrode

Schlagwörter:
Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Hamminkeln
Kreis(e): Wesel
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 51° 46′ 18,41″ N: 6° 35′ 28,58″ O 51,77178°N: 6,59127°O
Koordinate UTM 32.333.811,45 m: 5.738.400,34 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.540.856,35 m: 5.737.676,17 m
  • Handzeichnung des Kreuzbruders Edgar(d) Claes vom Kloster Marienvrede von um 1988. Man blickt von Westen auf das Kirch- und Klostergebäude und den dahinter liegenden Bogen der kleinen Issel. Die gesamte Anlage ist von einem Graben umgeben und wird zudem von einem Wasserlauf durchzogen.

    Handzeichnung des Kreuzbruders Edgar(d) Claes vom Kloster Marienvrede von um 1988. Man blickt von Westen auf das Kirch- und Klostergebäude und den dahinter liegenden Bogen der kleinen Issel. Die gesamte Anlage ist von einem Graben umgeben und wird zudem von einem Wasserlauf durchzogen.

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    Claes, Edgar / Heimatverein Dingden e.V.
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  • Reproduktion einer historischen Landkarte von 1680 im Bereich des unteren Niederrheins.

    Reproduktion einer historischen Landkarte von 1680 im Bereich des unteren Niederrheins.

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  • Auszug aus der Handschrift des Kreuzherr Lambertus von 1461

    Auszug aus der Handschrift des Kreuzherr Lambertus von 1461

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  • Ausschnitt aus einer nach Osten ausgerichteten Karte von 1773 aus dem Klevischen Kataster

    Ausschnitt aus einer nach Osten ausgerichteten Karte von 1773 aus dem Klevischen Kataster

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  • Wappenstein des Ehepaares Stephan von Capellen und Agnes Ingenhaef aus dem Jahr 1583

    Wappenstein des Ehepaares Stephan von Capellen und Agnes Ingenhaef aus dem Jahr 1583

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In einer Grenzlage zwischen westfälischem und rheinischem Herrschaftsgebiet ging 1439 das Kloster Marienfrede (auch Marienvrede oder Marienwrede) aus einem Landgut hervor. Noch lange nach seiner Aufhebung 1806/1812 ist es ein Bezugspunkt für das Selbstverständnis der Menschen in der Region.

Gründung
Wachstumszeit
Niedergang und Erholungsphase
Säkularisierung und Auflösung
Verbleib der Bestände
Die Lage des Klosters in Natur- und Kulturraum
Lokalisierung des Klosters auf historischen Karten

Gründung
Gegründet 1439 als Augustinerchorherrenkloster, war das Kloster Marienfrede von 1444 bis zur Aufhebung 1806 ein Kreuzherrenkloster. Seine Lage im Grenzgebiet, auf das von verschiedenen Seiten weltliche und geistliche Dominanzansprüche erhoben wurden, hat eine weiter zurückreichende Geschichte.
Keimzelle für das Kloster Marienfrede war ein Hof, die sogenannte „Dingdener Hufe“, mit Mühle an der Kleinen Issel. Er wird 1329 erwähnt, stand in Ringenberg'schem Besitz und entrichtete dem Graf von Kleve Erbzins.

Nach Landstreitigkeiten in der Zeit 1427-1438 zwischen dem Fürstbischof von Münster und dem Herzog von Kleve, der sogenannten „Klevischen Fehde“, erfolgte unter Vermittlung des Herzogs von Burgund ein vorübergehender Friedensschluss. Die Landesherrlichkeit auf dem Gebiet des Hofes wurde dem Herzog von Kleve, die kirchliche Zuständigkeit aber dem Bistum Münster zugesprochen.
Der wohlhabende Verwaltungsbeamte Johann von Capellen, der im Dienst des Herzoges stand, übertrug 1439 den Hof an die Augustiner Chorherren aus Schoonhoven, Diözese Utrecht.
Ob die Gründung des Klosters „in gen Vrede“ 1439 auf den Friedensschluss oder nur auf eine Ortsbezeichnung in einem eingefriedeten Bereich Bezug nimmt, ist nicht abschließend zu klären. Die Gründung vom Rheinland aus in einem Grenzgebiet zum Fürstbistum Münster lässt auch darauf schließen, dass hier der herzogliche Geltungsanspruch mit Hilfe einer geistlichen Gründung weiterhin unterstützt werden sollte.
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Wachstumszeit
Die Augustinermönche gaben das Kloster 1444 an den Kreuzbrüderkonvent. Das „Kreuzbruderkloster Marienvrede“ wuchs darauf hin um Schenkungen in der Bauerschaft Loikum an. Dem Kloster wurde durch seinen Stifter Johann von Capellen im gleichen Jahr ebenso das Gut Woningen bei Dinslaken (heute Wasserschloss Haus Wohnung) überlassen.
Da die kirchliche Seelsorge weiterhin der Pfarrei Dingden im Fürstbistum Münster oblag, wurden 1446 detailliert die Zuständigkeiten zwischen Kloster und Pfarrei vertraglich geregelt.
Das Kloster wuchs in den nächsten Jahren um mehrere Gebäude, so z. B. 1456 um eine Buchbinderei. Kloster Marienfrede erlangte hohe Bedeutung als Ort der Schreibkunst am unteren Niederrhein. Als Beispiele seien genannt die Isidorhandschrift von Gerhard Messing aus Dingden (um 1470), die Offenbarungen der hl. Mechthildis von Lambert von Xanten (1498) und eine Bibelhandschrift auf Pergament von Hermann Roelvink aus Bocholt (1513), die später (1661) dem Großen Kurfürsten von Brandenburg gegen eine Gewährleistung alter Privilegien geschenkt wurde.

Es folgte eine Blütezeit mit einer erheblichen Ausdehnung des Besitzes bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts. Güter und Höfe wurden in Dingden, Xanten, Loikum, Haldern, Lankern, Rees, Uedem, Werth und Wertherbruch, darüber hinaus im niederländischen Grenzgebiet und im Weseler Raum erworben. Hinzu kamen zahlreiche Stiftungen. Ebenso wurden einzelne Häuser als Unterkünfte für die Patres erworben, darunter z. B. das Haus „Kaisers Weinstube“ an der Dingdener Kirche, in dem heute ein Café ansässig ist.
1572 wurde ein Grenzvertrag zwischen den münsterischen und den klevischen Bevollmächtigten geschlossen, der den Stapelsbach (Stapelbach, heute Naturschutzgebiet) und die (Kleine) Issel zu Grenzflüssen machte. Auch in diesem Friedensschluss manifestierte sich die kirchliche Zuständigkeit für das Kloster im Bistum Münster, die landesherrliche im Herzogtum Kleve.
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Niedergang und Erholungsphase
In der Zeit von Reformation und Kriegen erlebte das Kloster einen wirtschaftlichen Niedergang. Raub, Plünderungen und Brandschatzungen im Spanisch-Niederländischen Krieg führten zum Erliegen des Klosterbetriebes, die Mönche verließen es 1586. Söldner hausten in den Mauern, die Pest forderte Opfer.
Das düstere Zeitalter erlaubte erst 1611 wieder ein paar kleine Lichtblicke, als das Kloster von Mönchen wiederbesiedelt und wiederaufgebaut werden konnte. Die Leidenszeit hatte jedoch nachhaltig erst 1648 nach dem Dreißigjährigen Krieg ihr Ende.

Eine Aufschwungzeit in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts führte zum Wiederbetrieb der Mühle und einer erheblichen Vergrößerung der Landbesitzungen, auch durch zahlreiche Stiftungen. Marienfrede gehörte um 1750 zu den reichsten Konventen des Kreuzherrenordens. In Dingden hatte das Kloster einen Grundbesitz von ungefähr 10 Quadratkilometern.
Das Klevische Kataster von 1733 zeigt den Grundriss der Klosteranlage. Es lag in einem nach Westen hin geöffneten Bogen der kleinen Issel und umfasste nach Beschreibungen aus 1737 eine Mühle, eine Klosterbäckerei, eine Ziegelei, eine Brauerei, die Klosterkirche und das angegliederte Monasterium.
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Säkularisierung und Auflösung
Im Zeitalter der Aufklärung und Säkularisierung schwanden kirchliche Macht und die Förderung des klösterlichen Lebens. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ging das Kloster Marienfrede in preußischen Besitz über. 1806 wurde es dann unter dem Großherzog von Berg – Napoleons Schwager Murat – aufgelöst. Die wenigen verbleibenden Mönche erhielten noch eine Rente, der mobile Besitz wurde jedoch bis 1806 komplett – zum Schluss in einer öffentlichen Versteigerung – veräußert, und die Gottesdienste wurden eingestellt.
Die letzten Mönche verließen 1812 das Kloster. Auf Anordnung Napoleons vom 28. März 1812 begann der Verkauf von Grund und Boden.
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Verbleib der Bestände
Der übrig gebliebene Klosterbusch und der Klosterplatz wurden nach den Befreiungskriegen 1813/15 an Privatleute verkauft. Die gesamten noch vorhandenen Gebäude des Klosters wurden abgebrochen, man schüttete Gräften und den Mühlenkolk zu. Steine aus dem Abriss wurden für den Aufbau von Häusern in Dingden verwendet. Die letzten sichtbaren Gebäudeteile, die Torpfosten, fielen 1907 und 1919.
Der Wappenstein des Stifterehepaares Stephan von Capellen und Agnes Ingenhaef, ehemals in einen Anbau des Klosters eingelassen, findet sich heute am Heimathaus in Dingden.
Zahlreiche Straßennamen in Dingden und Loikum erinnern noch heute an das Kloster, so die Marienvreder Straße, der Mönchsweg, die Straße Am Klosterbusch oder die Priorstraße. Heute kann man an trockenen Sommertagen im Boden Teile der Grundmauern der ehemaligen Klosterkirche erkennen.
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Die Lage des Klosters in Natur- und Kulturraum
Die dem Kloster vorangehende Hofgründung fand, großräumig gesehen, in einem Überschwemmungsgebiet statt. Die Niederterrasse des Rheins wird hier durchzogen von der Issel und ihren Zuflüssen aus den höher gelegenen Niederrheinischen Sandplatten im Osten.
In der Niederung waren die etwas höher gelegenen, fruchtbaren Braunerden auf kiesigem Untergrund (am Rande ehemaliger Flussschlingen) begünstigt und wurden an ihrem Rand von einzelnen Hoflagen gesäumt.
Der Gründungshof des Klosters entstand nicht von vornherein in einer solchen Gunstlage, sondern nutzte etwas weniger guten Boden über Flugsand (vgl. heutige Bodenkarte im Maßstab 1:50.000, die einen schützenswerten Esch-Boden dort zeigt) Seine Bodenfruchtbarkeit wurde erst im Laufe der Siedlungsgeschichte durch Aufbringen von Streu und das Anwachsen einer Esch-Auflage erreicht.

In den umliegenden nassen Bruchgebieten ermöglichten erst Entwässerungsmaßnahmen eine stärkere Besiedlung. In der territorialen Ausbauzeit im 14. Jahrhundert ging die Befestigung von Burgen und Städten mit einer solchen Urbarmachung von Agrarland einher. Mit der Ansiedelung niederländischer Kolonisten im weiter südlich vom Kloster gelegenen Ringenberg 1329 erfolgte der Bau eines Wall-Graben-Systems im Isselbruch.
Die neue Wasserführung führte im Bereich des Klosters dazu, dass anstelle der alten Hofmühle auf dem Klostergelände 1444 eine neue Klostermühle errichtet werden musste, zu deren Betrieb die Wasser zweier Issel-Zuflüsse (Königsbach und Mumbecker Bach) zugeleitet wurden.
Mühlbetriebe und Überschwemmungsproblematiken beschäftigten die Menschen nicht nur des Klosterbetriebes in den folgenden Jahrhunderten fortwährend. Noch aus dem 19. Jahrhundert ist aus Gerichtsakten bekannt, dass durch verschiedene Wasserbaumaßnahmen auf und oberhalb des Klostergeländes anliegende Höfe unter Überschwemmungen zu leiden hatte.

Die problematische Situation, die sich bis auf die damalige Umlegung von Mumbecker- und Königsbach zurückverfolgen lässt, wurde in jüngerer Zeit durch weitere umfangreiche Gewässerverlegungen und eine Laufkreuzung des Königsbaches mit der Kleinen Issel gelöst. Auch die Kleine Issel verläuft heute nicht mehr in einem Bogen östlich, sondern westlich des Geländes des ehemaligen Klosters.
Das Kloster und sein landwirtschaftlicher Betrieb hatten einen wesentlichen Anteil an der Landschaftsgestaltung durch Schaffung eines fruchtbaren Kulturbodens und durch die Umgestaltung und Nutzung der Wasserläufe. Heute ist die ehemals sehr kleinteilig strukturierte Umgebung des Klosters einer Weide- und Ackerlandschaft gewichen. Die Teilnutzung der Fläche des ehemaligen Klosters als Weide ist wahrscheinlich der Tatsache zu verdanken, dass die Fundamente der Ruinen eine ackerbauliche Nutzung verhindern.
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Lokalisierung des Klosters auf historischen Karten
Auf den historischen Karten der zwischen 1836 und 1850 erarbeiteten Preußischen Uraufnahme ist der Klosterbezirk mit „Maringrode“ verzeichnet, die Karten der Preußischen Neuaufnahme (1891-1912) zeigen dann unmittelbar benachbart ein Areal „Weihkamp“ (d.h. „geweihtes Feld“, vgl. die historischen Karten in der Kartenansicht).
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(Heimatverein Dingden in Kooperation mit der Biologischen Station im Kreis Wesel e.V., 2014. Erstellt im Zuge des Projektes „Kulturlandschaft am Niederrhein“. Ein Projekt im Rahmen des LVR Netzwerks Umwelt)

Literatur

Bönnen, Gerold; Hirschmann, Frank G. (2006)
Klöster und Stifte von um 1200 bis zur Reformation. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, IX.3.) S. 38, Bonn.
Heimatverein Dingden (Hrsg.) (2003)
Das Kloster Marienvrede. Säkularisation in Westfalen 1803-2003. (Dingdener Schriftenreihe, Band 2.) Dingden.
Pail, Franz-Josef / Pfarrbüro Maria-Frieden (Hrsg.) (2013)
Ein Name mit Geschichte. In: Pfarrbrief der Katholischen Kirchengemeinde Maria-Frieden in Hamminkeln Advent 2013, S. 14-15. Hamminkeln.
Schwertgen, Wilhelm-Peter / Kreis Wesel (Hrsg.) (2009)
Die Entwässerung des Ringenberger Bruchs. Von den Broekern bis zur Flurbereinigung. In: Kreis Wesel Jahrbuch 2009, S. 151-156. Duisburg.
Stenkamp, Hermann Josef / Kreis Wesel (Hrsg.) (1993)
Die Aufhebung des Klosters Marienfrede. In: Kreis Wesel Jahrbuch 1994, S. 119-129. Duisburg.
Stenkamp, Herrmann / Pfarrbüro Maria-Frieden (Hrsg.) (2013)
"Es betreibt keine Seelsorge und der Gottesdienst ist entbehrlich“ - Gedanken zur Geschichte des Klosters Marienvrede. In: Pfarrbrief der Katholischen Kirchengemeinde Maria-Frieden in Hamminkeln Advent 2013, S. 10-12. Hamminkeln.

Kreuzherrenkloster Marienfrede

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Am Klosterbusch
Ort
46499 Hamminkeln - Dingden / Loikum
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
mündliche Hinweise Ortsansässiger, Ortskundiger, Auswertung historischer Karten, Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1329, Ende 1803 bis 1919

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Empfohlene Zitierweise
Heimatverein Dingden (2014), Biologischen Station im Kreis Wesel e.V. (2014): „Kreuzherrenkloster Marienfrede”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-98107-20140804-2 (Abgerufen: 26. April 2024)
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