Synagoge Boppard

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Gemeinde(n): Boppard
Kreis(e): Rhein-Hunsrück-Kreis
Bundesland: Rheinland-Pfalz
Koordinate WGS84 50° 13′ 49,99″ N: 7° 35′ 41,61″ O 50,23055°N: 7,59489°O
Koordinate UTM 32.399.784,28 m: 5.565.209,68 m
Koordinate Gauss/Krüger 3.399.819,32 m: 5.566.996,12 m
  • Außenansicht der ehemaligen Synagoge in Boppard (2008)

    Außenansicht der ehemaligen Synagoge in Boppard (2008)

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Die jüdische Gemeinde Boppard seit dem frühen 19. Jahrhundert:
Juden lebten, mit Unterbrechungen, seit dem Mittelalter in Boppard.
Gemeindegröße um 1815: 53 (1808) / 62 (1822), um 1880: 111 (1885), 1932: 92 / 125 (1925), 2006: –.
Bethaus / Synagoge: 1808 sowie seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Beträume belegt. 1867 konnte ein Neubau eingeweiht werden, der 1938 verwüstet und nach 1945 völlig umgestaltet wurde (Angaben vorab nach Reuter 2007).

Bereits im Mittelalter, wohl schon seit dem 11. Jahrhundert, hatten sich Juden in Boppard niedergelassen und eine Gemeinde gegründet. Trotz schwerer Verfolgungen, die die Bopparder Juden trafen – 1179, 1196 (im Rahmen des „Deutschen“ Kreuzzugs), 1287 (Ritualmordbeschuldigung um Werner von Oberwesel), 1337 (so genannte „Judenschläger“) und 1348/49 (Pestverfolgung) – lebten bis in die Neuzeit hinein wahrscheinlich durchgehend jüdische Familien in der Stadt. Am 30. Juli 1853 erfolgte die offizielle Gründung der Synagogengemeinde Boppard.
Bereits in den Jahren 1356 und 1358 ist eine als „iudenschole“ (Judenschule) bezeichnete Synagoge belegt und seit etwa 1845 gab es einen Betraum im Haus des Samuel Abraham (beides in der damaligen Judengasse, der heutigen Eltzerhofstraße). Nachdem dieser Betsaal 1865 durch einen Brand zerstört wurde, bezog die Gemeinde einen offenbar eher provisorischen Raum in der Rheingasse (alemannia-judaica.de).
Ein altes Haus mit Hof wurde bereits 1862 von den Bopparder Juden für 462 Taler angekauft, der Kaufpreis und die weiteren Mittel zum Umbau wurden bereits in den Vorjahren durch eine freiwillige Umlage und Kollekten der Juden aufgebracht und auch die Stadt gab einen entsprechenden Zuschuss (www.optiker-holz.de).

Am 6. September 1867 erfolgte die feierliche Einweihung des neuen Gebetshauses:
„Juden aus nah und fern waren hier versammelt, um der Feierlichkeit beizuwohnen... Aus dem gemieteten Zimmer in der Rheingasse kamen die Vorsteher der Gemeinde mit der Tora oder den zehn Geboten, welcher der Rabbiner mit dem Gemeinderat der Stadt p.p. folgte; hier entwickelte sich eine Prozession, bei welcher ihre Heiligtümer unter einem schönen Baldachin getragen wurden. Mit Musik an der Spitze bewegte sich der große Zug bei schönstem Wetter nach den neuen, mit grünen Maien und Fahnen geschmückten Synagoge. Ben Israel, der Rabbiner aus Koblenz, hielt die Festrede und leitete den ersten Gottesdienst. Nachmittags im Casinosaale Mittagessen und Harmonie und mit Ball geschlossen. Das Gebäude besteht aus der Synagoge und einer Wohnung unter einem Dach nebst kleinem Hofraum.“ (Bericht der Tagespresse 1867, zitiert nach alemannia-judaica.de)

Beim Novemberpogrom wurde die Synagoge am frühen Abend des 10. November 1938 durch SA- und SS-Angehörige geschändet. Ritualgegenstände, die Torarollen und Teile der Inneneinrichtung wurden dabei auf dem Vorhof verbrannt. Das Synagogengebäude selbst blieb einzig deswegen verschont, weil auch die nahe stehenden Häuser durch ein Feuer gefährdet worden wären.
Überdies wurden die Bopparder Juden am 12. November gezwungen, einem weiteren Akt des Vandalismus nicht nur beizuwohnen sondern auch selbst Zerstörungen an ihrem eigenen Gotteshaus vorzunehmen.

Nach 1945 erlebte das erhaltene Gebäude verschiedene Besitzerwechsel und bauliche Veränderungen, hierbei verschwanden unter anderem ein früherer Turmaufsatz und die ursprüngliche Front mit drei hohen Bogenfenstern. Unter anderem war in dem Gebäude von 1951 bis 1979 eine Schreinerei untergebracht, bevor es ab 1980 als Wohnhaus umgebaut wurde.

Zuletzt wechselte der Besitzer 1990. Ein Augenoptikermeister erwarb das Gebäude und restaurierte es behutsam im Inneren und Äußeren. Obgleich das frühere Erscheinungsbild dabei nicht vollständig wieder hergestellt werden konnte, wurde darauf geachtet, „dass das Gebäude in seiner ursprünglichen Bestimmung wieder erkennbar wird“. Durch visuelle Verweise soll auf die Geschichte des Hauses und dessen „Lebensschicksal“ hingewiesen werden: „Hierzu gehören Verglasungen, die die markanten Bögen der drei Synagogenraumfenster in Erinnerung bringen, gemeißelte Schlusssteine mit Davidstern, Jahreszahl der Einweihung und der Zerstörung sowie die Menora über den heutigen Fenstern der Galerie. Mit grob renovierten Teilstücken wird auf die einstige Zerstörung geschickt verwiesen“ (zitiert nach www.optiker-holz.de).
Heute befindet sich in dem Synagogengebäude neben einem augenoptischen Fachbetrieb eine Kunstgalerie, in der regelmäßig Ausstellungen stattfinden. Zugleich ist die ehemalige Synagoge seit 2004 Sitz des Kunstvereins Mittelrhein e.V.

Seit 2002 ist die ehemalige Synagoge in Boppard Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal.

(Franz-Josef Knöchel, LVR-Redaktion KuLaDig, 2013)

Internet
www.alemannia-judaica.de: Zur Geschichte der Synagoge Boppard (abgerufen 04.06.2013)
www.optiker-holz.de: Alte Synagoge Boppard, Internetseite des gegenwärtigen Eigentümers (abgerufen 31.05.2013)
rheinische-geschichte.lvr.de: Der gute Werner von Oberwesel - oder die hohe Kunst, einen Heiligen zu erschaffen (Text Matthias Schmandt, abgerufen 30.08.2021)
de.wikipedia.org: Synagoge Boppard (abgerufen 31.05.2013)
www.welterbe-mittelrheintal.de: UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal (abgerufen 04.06.2013)
www.km570.de: Kunstverein Mittelrhein e.V. (KM570) (abgerufen 04.06.2013)

Literatur

Burkard, Karl-Josef; Thill, Hildburg-Helene; Missling, Heinz E. / Geschichtsverein für Mittelrhein und Vorderhunsrück (Hrsg.) (1996)
Unter den Juden. Achthundert Jahre Juden in Boppard. Boppard.
Reuter, Ursula (2007)
Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts. (Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, VIII.8.) S. 30, Bonn.

Synagoge Boppard

Schlagwörter
Straße / Hausnummer
Bingergasse 35
Ort
56154 Boppard
Fachsicht(en)
Kulturlandschaftspflege, Landeskunde
Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung
Historischer Zeitraum
Beginn 1862 bis 1867

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Empfohlene Zitierweise
„Synagoge Boppard”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-66481-20130603-2 (Abgerufen: 25. April 2024)
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