Fichtenbestand im Münsterwald als Beispiel preußischer Aufforstung

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Fachsicht(en): Kulturlandschaftspflege
Gemeinde(n): Aachen, Roetgen
Kreis(e): Städteregion Aachen
Bundesland: Nordrhein-Westfalen
Koordinate WGS84 50° 40′ 7,1″ N: 6° 11′ 5,88″ O 50,66864°N: 6,18497°O
Koordinate UTM 32.301.082,32 m: 5.616.758,45 m
Koordinate Gauss/Krüger 2.513.120,60 m: 5.614.800,71 m
  • Fichten im Münsterwald, Nordeifel (2008)

    Fichten im Münsterwald, Nordeifel (2008)

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  • Der Münsterwald in der Kartenaufnahme der Rheinland durch Tranchot und von Müffling 1801 - 1828

    Der Münsterwald in der Kartenaufnahme der Rheinland durch Tranchot und von Müffling 1801 - 1828

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  • Der Münsterwald in der Preußischen Uraufnahme 1836 - 1850

    Der Münsterwald in der Preußischen Uraufnahme 1836 - 1850

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  • Der Münsterwald auf der Preußischen Neuaufnahme 1891 - 1912

    Der Münsterwald auf der Preußischen Neuaufnahme 1891 - 1912

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  • Fichtenwald im Münsterwald, Nordeifel (2008)

    Fichtenwald im Münsterwald, Nordeifel (2008)

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  • Schneise in einem Fichtenwald, Münsterwald, Nordeifel (2008)

    Schneise in einem Fichtenwald, Münsterwald, Nordeifel (2008)

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Der Mensch verändert durch sein Wirken die Landschaft bereits seit Jahrhunderten. Unsere heutigen Nadelwälder im Rheinland sind Folge preußischer Aufforstungen des 19. Jahrhunderts. Der Münsterwald ist hierfür ein herausragendes Beispiel.

Natürliche Waldgesellschaften in Deutschland und in Mitteleuropa
Die Zusammensetzung eines Waldes im natürlichen Zustand in Deutschland und in Mitteleuropa wäre eine Mischwaldgesellschaft, in der die Buche vorherrschend wäre. 67 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands würde von dieser Waldform bedeckt werden, Nadelwälder würden hingegen in Relation nur einen verschwindend geringen Anteil einnehmen. Real ist der Anteil der Buchenwälder heutzutage allerdings gerade einmal bei circa 17 bis 18 Prozent, Kiefern und Fichten dominieren hingegen das Bild in den deutschen Wäldern. Dass dies so ist, ist Folge des menschlichen Wirkens in der Landschaft. Der Mensch schuf durch jahrhundertelange Nutzung und Gestaltung aus der Naturlandschaft eine Kulturlandschaft. Besonders deutlich zeigt sich dieses Bild in Mitteleuropa, wo der Mensch bereits seit Jahrhunderten besonders intensiv die Form der Landschaft (über)prägt.

Ausgangssituation für die Aufforstung
Im 18. Jahrhundert war die Fläche des deutschen Waldes auf ein Minimum zurückgegangen. Die Menschen nutzten hauptsächlich Holz als Brennmaterial und als Baustoff, es war somit der bedeutendtse Rohstoff einer vorindustriellen Gesellschaft. Die Waldflächen befanden sich zumeist nicht in fürstlichem Besitz, so dass Holz und Streu von jedermann frei entnommen werden konnte. Bauern trieben ihr Vieh in den Wald, die jungen Triebe von den Laubbäumen dienten als Nahrung für Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen. Diese Nutzung als Weideflächen trieb den Rückgang der Wälder weiter voran. Die Anzahl der Bäume sank, die humusreichen oberen Bodenhorizonte konnten nicht mehr gegen eine Abspülung durch Regenwasser gehalten werden und erodierten. Als Folge drohte die komplette Entwaldung Deutschlands (und auch Europas, denn auf dem Rest des Kontinents herrschten ähnliche Umstände). Die Eifel, einst ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet, hatte sich nahezu zu einer einzigen Heidefläche entwickelt.
Das Bewusstesein für diese Problematik war bei den Menschen der damaligen Zeit durchaus vorhanden, schließlich galt der Rückgang der Wälder (ausgelöst besonders durch den Bau von Schiffen) als ein Faktor beim Untergang antiker Kulturen des Mittelmeerraumes (Küster, 1999). Demnach sollten die Wälder aufgrund ihres wirtschaftlichen Wertes unbedingt erhalten bleiben. Wenn man so will, kam zu dieser Zeit erstmals der Gedanke an einen Schutz der Natur auf, wenn auch eher aus einer ökonomischen denn aus einer ökologischen Motivation heraus.
Als Folge entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Lehrdisziplin der Fortwirtschaft. Forstbeamte erhielten in Preußen ab 1770 eine botanische Ausbildung, erste forstwissenschaftliche Institute wurden gegründet. Der Begriff der Nachhaltigkeit, der heute eine generationenübergreifende Abwägung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien meint, stammt aus dieser Zeit und bedeutete ganz praxisorientiert, dass nicht mehr Holz aus einem Wald entnommen werden durfte, als innerhalb einer Generation auch wieder nachwachsen konnte.

Die Preußen verwalten den Forst im Rheinland
Als nun nach der Niederlage Napoleons das Rheinland auf dem Wiener Kongress den Preußen zugeteilt wird, setzten diese eine Reihe von Ordnungen, Gesetzen und Bestimmungen durch, die die Bewirtschaftungen der Forste regelten. Die Flächen gingen zum Teil in herrschaftlichen Besitz über und waren damit nicht mehr Bestandteil der Allmende (gemeinschaftlich oder frei bewirtschaftete Fläche einer Dorfgemeinschaft). Dies ermöglichte die Kontrolle über die Entnahme von Holz und auch die Art der Nutzung der einzelnen Waldflächen. Preußen machte seinem Ruf als streng disziplinierter Verwaltungsstand damit alle Ehre. Die Bestimmungen wurden mit aller Konsequenz durchgesetzt. Diese Maßnahmen stießen nicht bei jedem Bauer auf Verständnis, durch den Verlust von Weide- und Streunutzungsflächen fürchteten sie um ihre Existenz. Mancherorts mussten die Bestimmungen mit Polizei- oder Soldatenpräsenz durchgesetzt werden.

Der Preußenbaum
Eine weitere, wenn nicht die wichtigtse, Maßnahme der Preußen war die kontrollierte Aufforstung. Besonders gut eigneten sich nach Meinung der Beamten hierfür die Kiefer und vor allem die Fichte. Diese Nadelbäume sind relativ anspruchslos gegenüber ihrem Standort, eignen sich gut für die Weiterverarbeitung und, was wohl von entscheidender Bedeutung war: sie wachsen besonders schnell. Die Fichte ist im Volksmund noch heute als der „Preußenbaum“ bekannt.

Aufforstungen in der Eifel
Die landwirtschaftlich geprägte Eifel war für die preußische Regierung nur von militärischem Wert. Als Durchmarschgebiet in Richtung Westen zwar bedeutend, wirtschaftlich hingegen höchst uninteressant. Karge Böden, raues Klima und aufgrund der vorherrschenden Realerbteilung (jeder männliche Nachfahre erhielt einen gleichgroßen Anteil an der vererbten Fläche) waren die jeweiligen bewirtschafteten Äcker sehr klein und konnten kaum eine Familie ernähren, geschweige denn einen Überschuss zur Versorgung spezialisierter Arbeiter erzielen. Für die Anpflanzung der genügsamen Nadelgehölze eignete sich das große Gebiet der Eifel hingegen. Die Preußen betrieben eine massive Aufforstung, wodurch sich das Landschaftsbild der Eifel bis in die Gegenwart hinein grundlegend veränderte. Dem Unmut der Bauern zum Trotz, führten die Aufforstungen zur höherem Wohlstand (schließlich konnten die neu gepflanzten Wälder nach einiger Zeit wirtschaftlich genutzt werden; es wurde ein Überschuss erzielt) und zu einem verbesserten (weil gemäßigterem) Klima.

Ökologische Probleme als Folge der preußischen Aufforstung
Schon damals waren den Verantwortlichen die ökologischen Probleme bei der Schaffung einer auf Fichten basierenden Monokultur bewusst. Fehlt die ökologische Vielfalt, vermehren sich Schädlinge besonders gut. Hinzu kommt, dass die Fichte in Deutschland nicht heimisch ist. Diese Faktoren haben große Auswirkungen auf die heimischen Lebensgesellschaften. Die Nadeln können das Laub als Nahrungsgrundlage nicht ersetzen. Durch die Zersetzung der Nadeln versauern die Böden (life-baeche.de, 2014). Die Fichte wurzelt realtiv flach, was sie anfällig für Sturmschäden macht. Dennoch blieb den Preußen nicht wirklich eine Wahl, wenn sie die Wälder erhalten wollten. Die genügsamen Standortansprüche der Fichte auf den übernutzten, nährstoffarmen Böden, wurde bereits angesprochen. Besonders problematisch war auch der Wildverbiss, demgegenüber ist die Fichte weniger anfällig, da sie mit ihrem hohen Harzgehalt weniger schmackhaft für die Wildtiere ist.

Veränderungen im Landschaftsbild
Wie bereits erwähnt, änderten die Aufforstungen des 19. Jahrhunderts das Landschaftsbild der Eifel und das von ganz Deutschland grundlegend. Aus Nadelhölzern bestehende Wälder sind heutzutage die klassische Vorstellung eines Waldes im Bewusstsein der Menschen, sie sind Teil unserer heutigen Kulturlandschaft. Die typische Verteilung von Wald- und Offenlandflächen blieb erhalten, änderte sich jedoch grundlegend: Dadurch, dass die Wälder nun Besitz von jemandem waren, entstanden die scharfen Grenzen zwischen Wald und Offenland, die heute auf Landkarten gut ablesbar sind und ebenso ein Charakteristikum unserer Kulturlandschaft darstellen.
Trotz der skizzierten ökologischen Probleme aufgrund der Aufforstungen, betont Küster (1999) auch die Vorteile: So wäre es fraglich, ob es ohne sie heute überhaupt noch große Wälder in Deutschland geben würde. In jedem Falle trugen sie entscheidend zum Erhalt der typischen Verteilung Verteilung von Wald- und Offenlandflächen bei, ein typisches Merkmal unserer Kulturlandschaft. Wie wichtig den Deutschen ihre Wälder sind, zeigen regelmäßig Protestaktionen gegen die Rodung einer Fläche. In Frankreich oder England, in denen es keine Aufforstungen gab und in denen es heute kaum noch große Waldflächen gibt, wird das Thema weniger emotional behandelt. Wie sehr sich die Vorstellung von Wald bereits im 19. Jahrhundert auch im Bewusstsein der Menschen manifestiert hat, zeigt sich in der Kunst und in der Literatur. So sind Wälder beispielsweise in den Geschichten der Gebrüder Grimm ein zentrales Motiv, die Sammlungen der Gebrüder Grimm waren Bestseller der damaligen Zeit.

Der Münsterwald als Beispiel preußischer Aufforstung
Für den hier beschriebenen Prozess der preußischen Aufforstung ist der Münsterwald ein sehr passendes Beispiel, da er einen großen, das Landschaftsbild prägenden Forst darstellt. Zwar handelt es sich heute nicht mehr um eine reine Monokultur, besonders an den Rändern und am Oberlauf des Gebietes kommen nun auch Laubbäume vor, doch in seinem Kern ist die Fichte klar vorherrschend.
Besonders interessant ist dabei das noch heute vorhandene, planmäßig angelegte Wegenetz. Dabei gehen von einem Hauptweg aus (der heutigen B 258, der so genannten „Himmelsleiter“), stichartige Abzweigungen in den Wald hinein, die keinen weiteren Anschluss besitzen und somit mitten im Wald enden. Diese Wege sind auf der Tranchot Karte (1802 - 1828) noch nicht zu erkennen. Auf der Preußischen Uraufnahme (1836 - 1850) ist bereits der Hauptweg mit wenigen Abzweigungen auszumachen und auf der Preußischen Neuaufnahme (1891 - 1912) ist ein rasterartiges Netz rechtwinklig angelegter Wege ersichtlich. Zwar konnte sich hierfür in der Literatur kein Nachweis finden, doch legt dieser Umstand die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um von den Preußen angelegte „Holzwege“ handelt. So bezeichnete man die Wege, die lediglich zur effektiven Holzentnahme angelegt wurden, den Beschreiter aber ansonsten an kein weiteres Ziel bringen konnten. Unser heutiges Sprichwort „sich auf dem Holzweg befinden“, lässt sich noch auf die alten preußischen Forstwege zurückführen. Die Ausschnitte aus den historischen Karten in der Mediengalerie verdeutlichen das hier Beschriebene.

Aktueller Umgang mit der Fichte
Am Beispiel des Münsterwaldes zeigt sich, dass die Monokulturen der Fichten mehr und mehr bewusst zurückgedrängt werden. Vielerorts wird versucht, vermehrt Laubbäume und damit die heimischen Gewächse wieder anzupflanzen. Das von der Europäischen Union geförderte Projekt „LIFE. Lebendige Bäche in der Eifel“ verdeutlicht diesen Wunsch (siehe Verlinkung unter „Internet“).

(Christoph Boddenberg, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2014)

Internet
www.nationalpark-eifel.de: Wälder - unsere landschaftsprägenden Lebensräume (abgerufen: 10.09.2014)
www.life-baeche.de: Lebendige Bäche in der Eifel (abgerufen: 10.10.2014)
www.volksfreund.de: Warum die Fichte Preußenbaum genannt wird (abgerufen: 10.09.2014)

Literatur

Küster, Hansjörg (1998)
Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart. München.
Küster, Hansjörg (1996)
Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart. München (2. Auflage).

Fichtenbestand im Münsterwald als Beispiel preußischer Aufforstung

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Erfassungsmaßstab
i.d.R. 1:5.000 (größer als 1:20.000)
Erfassungsmethode
Literaturauswertung, Fernerkundung
Historischer Zeitraum
Beginn 1815 bis 1900

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„Fichtenbestand im Münsterwald als Beispiel preußischer Aufforstung”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-102936-20140909-3 (Abgerufen: 20. April 2024)
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